Reichsbahnbunker Friedrichstraße

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Der Reichsbahnbunker Friedrichstraße

Der ehemalige Reichsbahnbunker Friedrichstraße[1][2] in der Albrechtstraße an der Ecke Reinhardtstraße in Berlin-Mitte, Nähe Bahnhof Berlin Friedrichstraße ist ein unter Denkmalschutz stehender Luftschutzbunker.

Nationalsozialistische Behörden ließen ihn 1943 durch Zwangsarbeiter für bis zu 2500 Reisende der Reichsbahn errichten. Der Bau wurde 1942 von Karl Bonatz, dem jüngeren Bruder von Paul Bonatz, entworfen.

Der symmetrische und quadratische Bau hat eine Höhe von 18 Metern und 1000 m² Grundfläche. Die bis zu drei Meter dicken Wände aus Stahlbeton umfassen etwa 120 Räume auf fünf Etagen, die für die Aufnahme von 2000 Menschen konzipiert waren.[3]

Anfang Mai 1945 besetzte die Rote Armee den Bunker. Das Nachbarhaus und vermutlich auch den Bunker nutzte bis Dezember 1949 der sowjetische Geheimdienst NKWD als Untersuchungsgefängnis. Beide Gebäude übernahm 1950 das Ministerium für Staatssicherheit der DDR. Eine Weiternutzung des Bunkers als Gefängnis nach 1951 ist nicht erwiesen.[4]

Grundriss des Bunkers

1950er bis 1990er Jahre

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Spätestens ab 1951 diente der Bunker als Textillager und wurde ab 1957 als Lagerraum für Trocken- und Südfrüchte aus Kuba durch den Volkseigenen Betrieb Obst Gemüse Speisekartoffeln genutzt. Die Bevölkerung nannte das Gebäude daher „Bananenbunker“.[5] Für diese Verwendung wurden an der Gebäuderückseite zusätzliche Öffnungen eingebracht. Nach der Wende kaufte der Bund das Gebäude und es stand erst einmal leer.

Nutzung als Club Bunker

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Im April 1992 wurde der Bunker von dem Künstler und Mieter Werner Vollert zu einem Techno-Club ausgebaut.[6] Auf den vier Ebenen fanden regelmäßig Hardcore-Tekkno, Gabber-, Hardtrance-, House- und Breakbeat-Partys statt. WolleXDP veranstaltete hier im Sommer 1992 seine Hart-House-Reihe auf zwei Etagen, woraus auch die CD-Compilation Bunker One entstand. Weitere Resident-DJs waren unter anderem Tanith, Roose, DJ Clé und Rok. Zudem fanden im Bunker ab 1994 die ersten schwulen Fetisch-Sexpartys des Snax-Club statt,[7] deren Veranstalter später die Clubs Ostgut und Berghain eröffneten.[8][9] Der Snax-Club wurde damals beworben mit „Pervy-Party – men only – break a rule“.[10] Im Garten des Geländes gab es zudem den Rot-Kreuz-Club, in dem Fetisch- und SM-Veranstaltungen stattfanden.[11][12] Aufgrund einer Abmahnung des Deutschen Roten Kreuzes wurde er später in Ex-Kreuz-Club umbenannt.[13]

Zustand 1997, kurz nachdem der Club Bunker geschlossen wurde

Nach einer Razzia im Jahr 1995 musste der Betrieb zwar nicht eingestellt werden, konnte jedoch nur noch in unregelmäßigen Abständen erfolgen.[14] 1996 kam es aufgrund einer weiteren Razzia, nach der den Betreibern nicht realisierbare Bauauflagen auferlegt wurden, kurz vor der Abschlussparty zu einer frühzeitigen Schließung des Clubs.[15] Im Dezember 1996 wurde der Bunker komplett geschlossen.[16][17] Der Mietvertrag mit der Oberfinanzdirektion wäre 1997 ausgelaufen. Unmittelbar nach der Club-Schließung war noch geplant, dort ein Medienzentrum mit dem Namen Buncer einzurichten, was nicht weiter verfolgt wurde. Der Name Buncer war eine Abkürzung für Berlin Urban Network for Communication, Entertainment and Research.[18] Die Fuckparade betrachtete das Vorgehen der Behörden gegen den halblegalen Club als eine Unterdrückungsmaßnahme gegen alternative Subkultur und startete ihre Route bis zum Jahr 2004 stets vor dem Bunker.[19]

Nutzung als Ausstellungsort für zeitgenössische Kunst

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2001 kaufte die Nippon Development Corporation GmbH (NDC) das Gebäude vom Bund.[20] 2002 wurden dann die Pläne für eine Nutzung als Ausstellungshaus konkreter. Die Architekten Annette Axthelm und Roland Frinken hatten vorgeschlagen, Innenwände aufzusägen, um dort ein „Ausstellungszentrum für Internationale Junge Kunst“ einzurichten. Peter Sauter war der Geschäftsführer der NDC und zeigte Interesse.[21] Vom 15. September bis zum 20. Oktober 2002 fand dann im Bunker das Kunstfestival Insideout statt.[22] Verantwortliche Kuratoren waren Johann Nowak, Simona Mehnert und Eva Scharrer.[23]

2003 wurde der Bunker vom Wuppertaler Sammler Christian Boros erworben, der seine zeitgenössischen Kunstwerke darin zeigt. Auf dem Dach des Gebäudes errichtete er ein Penthouse. Der Entwurf stammt vom Berliner Büro Realarchitektur. Beginn der Planung war 2004.[20] Der komplette Umbau wurde 2007 abgeschlossen. Interessenten können die Sammlung Boros nach vorheriger Anmeldung besichtigen.[24]

Commons: Bunker (Berlin) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. http://www.rbb-online.de/30favoriten/archiv/30_geheimnisvolle/ehemaliger_reichsbahnbunker.html bei rbb-online.de abgerufen am 6. Juni 2013.
  2. http://www.architonic.com/de/ntsht/unverwstliche-erinnerung/7000096, abgerufen am 6. Juni 2013.
  3. Christian Boros eröffnet seinen Berliner Museumsbunker, bei artnet abgerufen am 9. Juni 2013.
  4. Peter Erler: „GPU-Keller“. Arrestlokale und Untersuchungsgefängnisse sowjetischer Geheimdienste in Berlin (1945–1949). Bund der Stalinistisch Verfolgten, Landesverband Berlin, Berlin 2005, S. 51f.
  5. Kunst im Bananenbunker. Saarbrücker Zeitung, abgerufen am 6. Juni 2013.
  6. Geschichte des Bunkers. Zeittafel Bunker. (PDF-Datei)
  7. Aussenstation: Party-Flyer Snax-Club Juli 1994. In: Instagram.com. Abgerufen am 19. August 2024 (englisch): „PERVY PARTY · Sat. 16.07.94 · Start 11 pm, End ?! am · Bunker Albrechtstr. 24/25 Berlin-Mitte · euphoric techno trance with djoker daan + dj leo krieger · Rubber? Leather? You can change into whatever turns you on. SNAX CLUB is a new concept in fetish trading for pervy men.“
  8. HELMUT HÖGE: KNAST, BANANENLAGER, TECHNO-LADEN, KUNSTORT: Ein Bunker-Leben. In: Die Tageszeitung: taz. 11. Februar 2011, ISSN 0931-9085, S. 22 (taz.de [abgerufen am 19. April 2024]).
  9. Steffen Damm, Lukas Drevenstedt: Clubkultur – Dimensionen eines urbanen Phänomens. Campus Verlag, Frankfurt New York 2020, ISBN 978-3-593-51176-4, S. 63 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 27. August 2024]): „Die Spezialität des Bunkers waren exzessive Fantasy-, Fetisch- und S/M-Partys, die sich zeitweise auch auf eine angrenzende Barracke ausdehnten. Michael Teufele und Norbert Thormann, die späteren Berghain-Gründer, veranstalteten hier ihre ersten ,Snax‘-Partys (schwule Fetisch- und Sexpartys), die sie nach 1998 im Lab.oratory bzw. dessen Ableger, dem Ostgut in einer Lagerhalle des ehemaligen Alten Ostbahnhofs, weiterführten. Im ersten Stock des Bunkers war der Ex-Kreuz-Club inklusive Darkrooms untergebracht. Die illegalen Veranstaltungen wurden zunächst vom Bezirksamt Mitte geduldet, 1995 jedoch von der Vermögensverwaltung des Bundes verboten, in deren Besitz das massive Gebäude übergegangen war.“
  10. Gustav Seibt: Berliner Club Berghain: Was, Sie schicken Menschen weg? 11. August 2014, abgerufen am 19. April 2024.
  11. BDSM-Berlin e. V.: Eine kurze Geschichte des Sadomasochismus in Berlin (Memento vom 3. Oktober 2013 im Internet Archive)
  12. Nächte im Kitkatclub: „Wenn man die Leute in normalen Klamotten reinlässt, wird nur das Normale passieren“. In: Der Tagesspiegel Online. ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 27. August 2024]): „In Berlin gab es damals den Rotkreuz-Club, später Ex-Kreuz-Club, im heutigen Boros-Bunker. Eine Freundin erzählte uns davon: Hey, da gibts einen Laden, da kann man Sex machen. Wir sind da hin und haben unser Ding durchgezogen. Uns ist gar nicht aufgefallen, dass die anderen relativ zurückhaltend waren. Man muss dazu wissen: Die Fetischleute waren nicht konkret sexuell. Das Größte, was da passiert ist, war, dass eine Domina irgendeinen Sklaven an die Wand gekettet hat, in seinen Klamotten.“
  13. Ein Bunker – Partydiktator wird 50 – B.Z. – Die Stimme Berlins. 29. März 2010, abgerufen am 27. August 2024 (deutsch): „Im separaten Rot-Kreuz-Club wurden wildeste SM-Parties gefeiert. [...] Doch das Rote Kreuz machte Ärger – der Name wurde in Ex-Kreuz-Club geändert.“
  14. Die Party ist vorbei. In: Der Spiegel. Der Spiegel GmbH & Co. KG, 15. Oktober 1995, abgerufen am 22. August 2024: „Es war Montag morgen, kurz vor halb sieben, als ein paar finstere Typen sich an den schweren Türen des Bunkers zu schaffen machten. Die Männer mußten 20 Schlösser knacken; dann waren sie drinnen – jeder Raum wurde durchsucht, keine Schublade blieb ungeöffnet. Zur selben Zeit bekam auch Werner Vollert, 35, unverhofften Besuch. Etwa 30 Beamte des Landeskriminalamts durchkämmten die Kreuzberger Wohnung des Mannes, der den Bunker gemietet hat. Auf der Suche nach Beweisen für den ,illegalen Betrieb einer Diskothek‘ kopierten Spezialisten mit einem ,Streamer‘ die Computer-Festplatte von Vollert und beschlagnahmten dessen Akten. [...] Der ,Bunker‘, einer der bekanntesten Berliner Techno-Klubs, bereitet jetzt seine Abschiedsparty vor.“
  15. Barbara Bollwahn: „Ich mache Terror worldwide“. In: Die Tageszeitung: taz. 30. Juni 2003, ISSN 0931-9085, S. 28 (taz.de [abgerufen am 22. August 2024]): „Martin Kliehm: Ich war nach 1990 sehr oft in Berlin, viel im Tresor und im Bunker und habe dort auch aufgelegt. 1996 sollte dort die letzte Party sein. Die wurde von der Polizei geräumt. Das war mit ein Auslöser, dass wir uns überlegt haben, Mist, der Bunker ist zu, die Love Parade nicht mehr das, was sie mal war, und wenn die Love Parade eine Demo ist, dann machen wir eine Gegendemo.“
  16. Aus für den Techno-Bunker. In: Die Tageszeitung: taz. 10. Dezember 1996, ISSN 0931-9085, S. 21 (taz.de [abgerufen am 22. August 2024]).
  17. Bauaufsicht schließt Techno-Bunker. In: Die Tageszeitung: taz. 14. Dezember 1996, ISSN 0931-9085, S. 38 (taz.de [abgerufen am 22. August 2024]).
  18. Der Bunker ohne Techno. In: Die Tageszeitung: taz. 8. Oktober 1997, ISSN 0931-9085, S. 21 (taz.de [abgerufen am 22. August 2024]).
  19. FAZE Redaktion: Gabber History & Future 1/2 – Rotterdam, Bunker, Fuckparade. Interview mit Xol Dog 400 & Trauma XP. In: FAZEmag. 2. März 2020, abgerufen am 22. August 2024 (deutsch): „Wie kam es zur Gründung der Fuckparade? Xol Dog 400 [Christian Müller]: Die initiale Idee kam nach der Schliessung des Bunker Ende 1996. Auslöser war also der Verlust von Raum, in dem wir unseren Kram machen konnten. Der Bunker war ja viel mehr als ein Club, da liefen Gabbers rum und Freunde von softerem Techno, die Fetisch-Leute und im ExKreuz Club gab es Kabarett. Und Sonntags trafen sich Leute um an der Bunkeraussenwand Freeclimbing zu üben (da hatte jemand diese Klettergriffe angebracht) und um Kaffee zu trinken. Die Loveparade hatte sich mittlerweile voll dem Kommerz verschrieben und war für uns daher Teil des Problems: Was an Techno Geld abwerfen konnte blieb, der Rest musste weg! Dagegen haben wir uns gerichtet. Die Loveparade war so gesehen nur eine Art Kondensationspunkt unseres Unbehagens, dass die Gabber- oder auch nur Hardcore-Wagen nicht mehr zuließ.“
  20. a b Der Kunsttresor. In: Die Tageszeitung: taz. 10. November 2006, ISSN 0931-9085, S. 1004 (taz.de [abgerufen am 23. August 2024]).
  21. Operation Beton: Architekten wollen Bunker aufbohren – WELT. Abgerufen am 22. August 2024.
  22. INSIDEOUT 5. Festival der Neuen Kunst. Abgerufen am 22. August 2024.
  23. Kultur: Im Luftschutzkeller. In: Der Tagesspiegel Online. ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 22. August 2024]).
  24. Besuch – Info. Abgerufen auf der Website der Sammlung Boros am 1. Juni 2021.

Koordinaten: 52° 31′ 25″ N, 13° 23′ 2″ O