Euregio Medical School

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Die Euregio Medical School (EMS) ist ein Projekt der italienischen Provinzen Südtirol und Trentino sowie des Bundeslandes Tirol zur Errichtung einer privaten medizinischen Universität nach angloamerikanischem Modell.

Hintergrund und Planung

Das Projekt wurde im Jahre 2010 vom Südtiroler Landeshauptmann Luis Durnwalder sowie vom Tiroler Wissenschaftslandesrat Bernhard Tilg ins Leben gerufen. Der Hintergrund für die Gründung ist die geringe Anzahl an Nord- und Südtirolern an den österreichischen Medizinuniversitäten und somit ein befürchteter Ärztemangel in den Regionen.[1] Die Universität soll vorwiegend für Bewerber aus dem Trentino, Südtirol und Tirol verfügbar sein, was einige rechtliche Hürden aufwirft, die noch nicht vollends geklärt sind. Die Universität bietet Platz für 80 bis 100 Studienanfänger jährlich. Die Eröffnung war für 2013 geplant.[2] Dieses Datum ist nun allerdings nicht mehr realistisch, weil das Parlament in Rom bisher noch keine Freigabe für das Projekt erteilt hat. [3]

Die rechtliche Grundlage wird vom Europäischen Verbund für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ) gebildet, was eine Subventionierung durch die Europäische Gemeinschaft ermöglicht.[4]

Aufbau des Studiums

Das Studium wird in Zusammenarbeit mit der UMIT in Hall, der Medizinischen Universität Innsbruck sowie der Landesfachhochschule für Gesundheitsberufe „Claudiana“ in Bozen geführt. Die vorklinischen Fächer sollen in den bestehenden Infrastrukturen in Innsbruck und Hall stattfinden, die klinischen Fächer in Bozen. Der Unterricht wird dreisprachig abgehalten (Deutsch, Italienisch und Englisch) werden.[5]

Der Aufbau entspricht dem angloamerikanischen Modell der medical school, bei dem hauptsächlich die Ausbildung zum Arzt im Vordergrund steht, das Studium also vorwiegend klinisch ausgerichtet ist, während an öffentlichen Universitäten auch ein wissenschaftlicher Schwerpunkt mitwirkt.[5]

Rechtliche Aspekte

Das Projekt sollte dazu dienen, Nord- und Südtirolern eine Möglichkeit zu bieten, das Medizinstudium zu beginnen, unabhängig davon ob sie bei dem in Österreich vorgeschriebenen Aufnahmetest für das Medizinstudium gut abschneiden oder nicht. Besonders bei den Südtiroler Studienbewerbern reichten die Ergebnisse beim, seit 2013 nicht mehr stattfindenden Eignungstest für das Medizinstudium im Jahr 2010 für gerade mal 21 und im Jahr 2011 für 45 Aufnahmen an den österreichischen Medizinuniversitäten. Um die Studienplätze also an genau diese Bewerber zu verteilen, ohne andere Interessenten aus der EU zu diskriminieren, wurden mehrere Lösungsvorschläge präsentiert:

  • Die Einführung von Zulassungsbedingungen, die beispielsweise ein österreichisches Reifeprüfungszeugnis beinhalten.[5]
  • Die Einführung von Studiengebühren über 25.000-30.000 Euro pro Jahr, die für Einheimische der Region vom Land, in Form von „Studienschecks“ bezahlt würden.[6]
  • Die Einführung eines Eignungstests nach dem Modell der PMU Salzburg

Aufgrund der „Gelmini-Reform“ ist es in Italien nicht mehr möglich, weitere medizinische Fakultäten zu eröffnen.[7] Begründung für diesen Schritt sind vor allem finanzielle Hintergründe. Die Region Trentino-Südtirol, welche dem Staat Italien gegenüber ausgeprägte finanzielle Autonomierechte besitzt, setzt sich über dieses Dekret hinweg mit der Begründung, die geplante Universität würde vom Land finanziert, verursache dem Staat also keinerlei Kosten.[8]

Da das Studium nach dem Modell der Fachhochschule für Gesundheitsberufe „Claudiana“ dreisprachig abgehalten werden soll, entstehen für die Nordtiroler und Trentiner Studienbewerber sprachliche Barrieren, die zuerst abgebaut werden müssen. Da Südtiroler größtenteils zweisprachig (Deutsch und Italienisch) aufwachsen und Englisch in allen Schulen unterrichtet wird, stellt sich für sie dieses Problem nicht.[9]

Politische Diskussion

Das Projekt erregte großes Aufsehen in der italienischen und österreichischen Politik und geriet ins Kreuzfeuer der Kritik:

  • Das Problem der hohen Durchfallquote der Südtiroler Studienbewerber an den medizinischen Universitäten in Österreich ließe sich nicht durch eine qualitativ minderwertige Medizinuniversität lösen. Das Land Südtirol solle sich stattdessen finanziell an der medizinischen Universität Innsbruck beteiligen um so genügend Plätze für Südtirol bereitzustellen.[10]
  • Es sei zielführender und kostengünstiger, Südtiroler Maturanten bereits in der Schule auf den EMS vorzubereiten.[11]
  • Anstatt Millionen in eine neue Infrastruktur zu investieren, um kurzfristige Probleme zu lösen, sei es billiger, die Standorte Nord- und Südtirol sowie das Trentino attraktiver für Ärzte aus anderen Regionen und Ländern zu machen.[12]
  • Die Eröffnung der neuen Universität könne die Qualität der bestehenden medizinischen Universität in Innsbruck gefährden, da die Position als nationaler und internationaler Bildungsstandort durch sinkende Studierenden- und Fallzahlen geschwächt würde.[13]
  • Die Begründung des dreisprachigen Unterrichts liege hauptsächlich in der „Filterfunktion“, um eine Überschwemmung durch ausländische (vorwiegend deutsche) Studierende zu vermeiden. Es gibt aber keine Garantie, dass sich diese Anwärter davon abhalten lassen sich trotzdem an der Universität zu bewerben.[14] Die Dreisprachigkeit erschwere zudem die Bedingungen der Bewerber aus Nordtirol, die kein Italienisch sprechen, und dem Trentino, die kein Deutsch sprechen.[5]

Herbert Lochs, der Rektor der medizinischen Universität Innsbruck, befürwortet das Projekt. Durch die Medical School könne man die gemeinsamen Ressourcen besser einsetzen und bestehende Forschungskooperationen (beispielsweise mit der EURAC in Bozen) weiter ausbauen.[15]

Einzelnachweise

  1. Euregio-Uni geplant. Tiroler Tageszeitung, 17. November 2010, abgerufen am 2. Oktober 2011.
  2. Peter Nindler: Medical-School soll ab 2013 Ärzte ausbilden. Tiroler Tageszeitung, 14. Juli 2011, abgerufen am 3. Oktober 2011.
  3. Medical School: Rom macht Strich durch die Rechnung. Südtirol Online, 4. Februar 2013, abgerufen am 17. Februar 2013.
  4. „Tiroler Euregio“ gibt sich mit „EVTZ“ eigene Rechtspersönlichkeit - Durnwalder Präsident. Südtirol-Online (stol), 14. Juni 2011, abgerufen am 3. Oktober 2011.
  5. a b c d Anita Heubacher: Medical School als Heilmittel. Tiroler Tageszeitung, 6. September 2011, abgerufen am 3. Oktober 2011.
  6. Anita Heubacher: Land vermisst Uni-Konzept. Tiroler Tageszeitung, 7. September 2011, abgerufen am 3. Oktober 2011.
  7. s.f.: DECRETO GELMINI SU MAESTRO UNICO: IL TESTO INTEGRALE. Art. 7. bambinicoraggiosi, 16. September 2008, abgerufen am 3. Oktober 2011 (italienisch, Gelmini-Dekret in originalem Wortlaut).
  8. Davide Pasquali: Facoltà di medicina alla Claudiana. alto adige, 21. Juli 2011, abgerufen am 3. Oktober 2011 (italienisch).
  9. Tirol könnte dreisprachige "Medical School" bekommen. der Standard, 29. September 2010, abgerufen am 3. Oktober 2011.
  10. Gegen Medizin-Universität in Bozen. (pdf(20,23kB)) Dolomiten, abgerufen am 3. Oktober 2011 (Scan des Zeitungsauschnittes).
  11. Pius Leitner: Freie Universität Bozen - Medizin. Die Freiheitlichen, 1. Dezember 2010, abgerufen am 3. Oktober 2011.
  12. Valeria Frangipane: Facoltà di medicina, ostacoli da Roma Asse con Innsbruck per aprire dei corsi. Alto Adige, 19. November 2010, abgerufen am 3. Oktober 2011 (italienisch).
  13. Christoph Mair: Innsbruck wehrt sich gegen medizinische Fakultät Bozen. Tiroler Tageszeitung, 22. Februar 2011, abgerufen am 3. Oktober 2011.
  14. Medizin Fakultät Bozen: Skeptische HochschülerInnen. Südtiroler Hoschülerinnenschaft, 25. November 2010, abgerufen am 3. Oktober 2011.
  15. Mag. Amelie Döbele: Univ.-Prof. Dr. Herbert Lochs, Rektor der Medizinischen Universität Innsbruck, ist erfreut über die Resolution des Innsbrucker Gemeinderates zur Unterstützung des Universitätsstandortes Innsbruck. Medizinische Universität Innsbruck, abgerufen am 3. Oktober 2011.