Ferdinand Adolf Kehrer

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Ferdinand Adolf Kehrer
Das Haus in Meckesheim, in dem Kehrer 1881 den ersten Kaiserschnitt durchgeführt hat
Die Grabstätte von Ferdinand Adolf Kehrer auf dem Heidelberger Bergfriedhof

Ferdinand Adolf Kehrer (* 16. Februar 1837 in Guntersblum; † 16. Juni 1914 in Heidelberg) war ein deutscher Gynäkologe und Erfinder des modernen Kaiserschnitts.

Leben

Kehrers Vater war Landarzt, seine Mutter die Tochter eines Apothekers. Nach dem Besuch der Volksschule in seiner Heimatgemeinde besuchte er ab 1847 ein Gymnasium in Worms und studierte später in Gießen, München und Wien Medizin.

1860 promovierte er mit dem Thema „Die Geburten in Schädellage mit rückwärts gerichtetem Hinterhaupte“.[1] Nachdem er zunächst als praktischer Arzt in Gießen tätig war, habilitierte er sich 1864. Kehrer war von 1871 bis 1881 als Ordinarius (1872) der Geburtshilfe zugleich Direktor der Frauenklinik Gießen. 1881 erhielt er den Ruf auf einen Lehrstuhl für Frauenheilkunde an der Universität Heidelberg und wurde dort später auch Dekan der medizinischen Fakultät. Kehrer war darüber hinaus der erste Ordinarius für Geburtshilfe in Heidelberg.[2] Dort setzte er den Neubau der Entbindungsanstalt im Bergheimer Klinikum durch, der 1883 errichtet wurde.[3]

Im Jahr 1897 führte Kehrer die erste an die Öffentlichkeit gedrungene Unfruchtbarmachung der Region zur Verhütung „minderwertiger“ Nachkommen an einer Frau mit „anormalen, teilweise blödsinnigen Kindern nach sieben Schwangerschaften“durch.[4][5]

Kehrer hatte vier Kinder; ein Sohn, Erwin Kehrer, war wie er Gynäkologe und leitete bis zu seiner Zwangsemeritierung 1939 die Marburger Universitäts-Frauenklinik.

Ferdinand Adolf Kehrer ruht in der Familiengrabstätte auf dem Bergfriedhof Heidelberg, (Abt. T). Der Grabstein ist ein Granitfindling mit einem tafelartigen Feld in der Mitte. Auf Liegesteinen sind die Namen der weiteren Familienmitglieder, die hier ruhen, festgehalten.

Leistungen

Kehrer ist bekannt für seine bahnbrechende Kaiserschnittmethode, bei der die Gebärmutter nicht wie bis dahin üblich von oben nach unten, sondern quer aufgeschnitten und nach der Entbindung durch Naht von Muskulatur und Bauchfellüberzug wieder verschlossen wird. Diese konservativ klassischer Kaiserschnitt genannte Operationsmethode wandte Kehrer erstmals am 25. September 1881 in Meckesheim bei der 28-jährigen Emelie Schlusser an, die zuvor schon drei Kinder auf natürlichem Wege zur Welt gebracht hatte, die allerdings alle im ersten Lebensjahr verstorben waren. Assistiert von zwei Chirurgen, einem praktischen Arzt (Dr. med. Schütz aus Neckargemünd) und der Walldürner Hebamme Maria Zeeb[6] führte er die etwa einstündige Operation durch. Mutter und Kind waren nach der Operation wohlauf und erreichten beide ein hohes Alter. Noch heute erinnert in der nach ihm benannten Prof.-Kehrer-Straße in Meckesheim (zuvor Mandelgasse) am Haus dieser Geburtsoperation eine Inschrift an die großartige Pionierleistung.

Die Kaiserschnittmethode des Gynäkologieprofessors senkte die Müttersterblichkeit von ehemals 60 - 70 % bei der alten Kaiserschnittmethode[7] auf unter 1 % und wird in der Modifikation nach Hermann Johannes Pfannenstiel, bei der auch die Bauchdecke durch einen Horizontalschnitt eröffnet wird,[8][9] heute weltweit angewendet.

Das Kind bekam selber später 13 Kinder, 19 Enkel und 25 Urenkel.

Auszeichnungen

Straßenschild der Prof.-F.A.-Kehrer-Straße in Guntersblum
  • 1887 Ritter des Zähringer Löwenordens
  • 1889 Hofrat
  • 1894 Geheimer Hofrat
  • 1899 Kommandeur des Zähringer Löwenordens
  • 1902 Geheimer Rat II. Klasse
  • In seinem Heimatort Guntersblum wurde eine Straße namens Prof.-F.A.-Kehrer-Straße nach ihm benannt.

Literatur

Weblinks

Commons: Ferdinand Adolf Kehrer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Ferdinand Adolf Kehrer: Die Geburten in Schädellage mit rückwärts gerichtetem Hinterhaupte. medizinische Dissertation. Gießen 1859.
  2. Ferdinand Adolf Kehrer: Lehrbuch der operativen Geburtshülfe. Enke, Stuttgart 1891.
  3. L. Ruuskanen: Der Heidelberger Bergfriedhof im Wandel der Zeit. Verlag Regionalkultur, 2008, S. 49.
  4. Edith Wolber (Schwesternschule der Universität Heidelberg): Wir sollten ihm kein Denkmal setzen. Kritische Annäherung an Prof. Ferdinand Adolf Kehrer. In: GRÜNE Ortsblatt Meckesheim. 2009.
  5. Wolfgang U. Eckart: Politische »Machtergreifung« und medizinische Wissenschaft: Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933. In: Christoph Gradmann, Oliver von Mengersen: Das Ende der Weimarer Republik und die Nationalsozialistische Machtergreifung, Vorträge Heidelberger Historiker in der Reichspräsident Friedrich Ebert Gedenkstätte. Manutius Verlag, Heidelberg 1994, ISBN 3-925678-48-4, S. 155–156.
  6. Karin Wittneben (Schwesternschule der Universität Heidelberg): Maria Zeeb. In: Horst-Peter Wolff (Hrsg.): Biographisches Lexikon zur Pflegegeschichte „Who was who in nursing history,“ Band 3, Elsevier, München 2004, S. 304.
  7. Martina Lenzen-Schulte: Wie der Kaiserschnitt zum Klassiker wurde. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 2. April 2014, S. N2.
  8. Uber die Vortheile des suprasymphysaren Fascienquerschnitts fur die gynäkologischen Koliotomien, zugleich ein Beitrag zu der Indikationsstellung der Operationswege. In: Sammlung Klinischer Vorträge, Gynäkologie. (Leipzig), vol. 97, 1900, S. 1735–1756. PMID 4589293
  9. Arne Jensen: Hermann Johannes Pfannenstiel (1862–1909) Zum 80. Todestag. Biographie eines großen deutschen Gynäkologen [On the 80th anniversary of his death. A biography of a famous German gynecologist]. In: Geburtshilfe und Frauenheilkunde. 50, 1990, S. 326–334. PMID 2192940