Ferdinand Goetz

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Ferdinand Goetz

Ferdinand Hermann Wilhelm Goetz (* 24. Mai 1826 in Leipzig; † 13. Oktober 1915 ebenda) war Vorstandsvorsitzender der deutschen Turnerschaft, Abgeordneter des Norddeutschen Reichstags und des Deutschen Reichstags (direkt gewählt in den Jahren 1887 und 1890).

Leben

Am 24. Mai 1826 wurde Ferdinand Goetz als achtes Kind des Städtischen Wagedirektors und Sächsischen Oberzollinspektors Friedrich Wilhelm Goetz und dessen Ehefrau Elfriede, geb. Oppermann, geboren.

Nach seinem Abitur an der Thomasschule in Leipzig[1], begann Goetz 1846 ein Medizinstudium an der Universität in Leipzig und trat im selben Jahr in die Burschenschaft Kochei Leipzig ein. 1848 wurde er Mitglied der Burschenschaft Wartburg Leipzig, 1859 Mitglied der Leipziger Burschenschaft Germania und 1887 wurde er Ehrenmitglied der Burschenschaft Normannia Leipzig. Für seinen späteren Lebensweg war wohl der Turn- und Fechtunterricht bei Heusinger und Berndt, dem Fechtmeister an der Thomasschule zu Leipzig wegweisend. Auf einer Pfingstfahrt 1847 traf er mit dem „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn in Freyburg (Unstrut) zusammen, was dann wohl für seinen Lebensweg ebenfalls ein bedeutungsvolles Ereignis war.

Als Teilnehmer an den Ereignissen von 1848 in Leipzig kam es zu seiner Ausweisung aus der Stadt. Es kam zu einer Teilnahme 1849 am Maiaufstand in Dresden. Dabei war Goetz vorrangig an der Pflege von Verwundeten beteiligt, weshalb man Goetz nur mit Untersuchungshaft bestrafte. Dennoch musste er Behinderungen bei dem Abschluss seines Medizinstudiums über sich ergehen lassen. Auch saß er mehrfach im Karzer ein. Bei diesem Aufstand waren nachweislich auch Leipziger Professoren wie der Klassische Archäologe Otto Jahn, der Jurist und Althistoriker Theodor Mommsen und der Philologe Moriz Haupt beteiligt, die deshalb aus dem sächsischen Universitätsdienst entlassen wurden. Goetz promovierte 1850 und begann 1851 seine berufliche Laufbahn als Leibarzt sowie als praktischer Arzt in Geithain. Im Jahr 1853 erfolgte die Heirat mit Minna Dornblüth, die aus Plau am See in Mecklenburg stammte. Auch ihr Vater, Ludwig Dornblüth war Arzt.

Ferdinand und Minna Goetz um 1860

1855 kehrte Goetz nach Leipzig zurück und übernahm eine Praxis im heutigen „Goetz-Haus“ in Lindenau, welches sein Bruder Heinrich Goetz kaufte und ihm und seiner Familie überließ.

In den folgenden 60 Jahren wirkte Goetz als praktischer Arzt und sollte als „Töppchendoktor von Lindenau“, wie er auch genannt wurde, in die Lindenauer Ortsgeschichte eingehen. Ihm ging es bei seinem Blick in die Kochtöpfe während seiner Krankenbesuche, um dort Anhaltspunkte für mögliche Krankheitsursachen zu finden. Das betraf im Wesentlichen die Cholera. Von seinen zwischen 1855 und 1854 geborenen fünf Kindern erlangten Sohn Paul Goetz als Eisenbahningenieur und Direktor der Leipziger Strassenbahngesellschaft und Walter Goetz als Historiker der Renaissance und der Reformation eine größere Bedeutung. Goetz war zudem auch Taufpate des am 24. Mai 1913 geborenen Willi Daume gewesen, der wiederum später NOK-Präsident der Bundesrepublik Deutschland wurde. Außerdem übernahm er 1858 die Leitung der Deutschen Turnzeitung. Der Neuen Deutschen Biographie Bd. 6 zufolge war er auch Leiter der Feuerwehr.

1860 regte er die Gründung des Männerturnvereins Lindenau an.

Goetz war Abgeordneter des Norddeutschen Reichstags seit 1867 und des Deutschen Reichstags. Er wurde 1867, 1887 und 1890 direkt in den Reichstag gewählt. Außerdem wirkte er bis zur Eingemeindung Lindenaus in die Stadt Leipzig im Gemeinderat der Landgemeinde Lindenau.

Ferdinand Goetz war Mitglied der Leipziger Freimaurerloge Minerva zu den drei Palmen und Ehrenmitglied in der Studentenverbindung seines Sohnes Walter Goetz, der Turnerschaft Munichia im CC München (heute Bayreuth).

Ferdinand und Minna Goetz um 1910

Am 13. Oktober 1915 starb Ferdinand Goetz in seinem Wohnhaus. Er liegt auf dem Friedhof Leipzig-Lindenau begraben. Der Kriegergedenkstein, den die Deutsche Turnerschaft widmete, ist unten auf der linken Platte zu lesen: „Ferd. Goetz Vorsitzender der dt. Turnerschaft, Ehrengauvertreter † 13.10.1915“.

Bedeutung

Nach „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn ist Goetz die herausragende Persönlichkeit der deutschen Turnerbewegung des 19. Jahrhunderts. Die Begegnung mit Jahn war für ihn von prägender Bedeutung. Anlässlich seines 100. Geburtstages im Mai 1926 weihte ihm die Deutsche Turnerschaft ein vom Leipziger Bildhauer Prof. Carl Seffner geschaffenes Denkmal, welches heute im Garten des Grundstückes zu finden ist. In der Tat liegt seine wesentliche Bedeutung bei der Bildung einer deutschen Turnerbewegung. Goetz leitet von 1860 bis zu seinem Tode als Geschäftsführer und ab 1895 Vorstandsvorsitzender die Deutsche Turnerschaft, die seinerzeit weltgrößte Turnorganisation. Während dieser Zeit entwickelt sich das Haus in der Lützner Straße zum Mittelpunkt des Geschäftslebens der Deutschen Turnerschaft und zum Ort der Begegnung. Das von Goetz 1877 eingerichtete Archiv der Deutschen Turnerschaft, später Bibliothek, wurde lange Jahre in Lindenau geführt und betreut. Der Bau besitzt damit für die gesamtdeutsche Turn- und Sportbewegung großen historischen und ideellen Wert. Goetz galt als einer der schärfsten Kritiker des Arbeitersports, dem er die notwendige sittliche und nationale Reife absprach. Allerdings sprach er sich in der „Völkischen Turnfehde“ vehement gegen das Verbot von Juden in Turnverbänden aus, da er eine Zersplitterung derselben befürchtete, die durch Gründung von Konkurrenzverbänden entstehen könnte. Sein Eintreten gegen antisemitische Tendenzen wiederum stempelte ihn bei den radikalen Rechten zum "Judenfreund", was er so ganz bestimmt nicht gewesen war. Dies wurde später auch seinem Sohn Walter Goetz vorgehalten.

Goetz stand der Idee der Olympischen Spiele kritisch gegenüber. Er forderte einen Boykott der ersten Olympischen Spiele der Moderne mit der Begründung, dass "nur Untreue gegenüber dem Vaterland und eitle Ruhmsucht" dazu verleiten könne, an den "mit deutscher Ehre unverträglichen" Olympischen Spielen teilzunehmen.[2]

Darüber hinaus war er zusammen mit dem Unternehmer Karl Heine Gründer bzw. Initiator zahlreicher Bürger- und sozialer Vereine in Leipzig.

Zusammen mit Hugo Rühl gab er 1879 das Handbuch der Deutschen Turnerschaft heraus. Rühl wiederum widmete ihm eine Biographie.

Auch der kulturhistorische Wert für Leipzig darf hierbei genannt werden, weil es eines der wenigen Häuser aus der Zeit des Biedermeier ist, die noch erhalten geblieben sind. Dieses konnte 2001 vor dem drohenden Abriss bewahrt werden.

Zu bemerken ist auch, dass es im Leipziger Stadtteil Lindenau eine Goetzstrasse gibt, die vom Lindenauer Markt tatsächlich nahe an das Goetz-Haus führt, das sich in der Lützner Straße 11 befindet.

Auch im Frankfurter Stadtteil Fechenheim gibt es unweit des Gartenbades eine Goetzstrasse. Sie verbindet die Willmann- mit der Bodenseestraße.

Im Berliner Ortsteil Tempelhof liegt eine abweichend "Götzstraße" geschriebene Straße, die an Ferdinand Goetz erinnert.

Goetz ist in Freyburg die Einrichtung der Jahn-Gedenkstätten zu verdanken. Die Stadt Freyburg verlieh ihm dafür das Ehrenbürgerrecht.

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg geriet Goetz in Vergessenheit, zumal ein Erinnern an sein Eintreten für bürgerlich-demokratische Grundwerte den Machthabern nicht als wünschenswert erschien. Erst nach dem Zusammenbruch der DDR kam er wieder zurück in das öffentliche Bewusstsein.

Literatur

  • Helge Dvorak: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Band I: Politiker. Teilband 2: F–H. Heidelberg 1999, S. 154–156.
  • Hugo Ruehl: Ferdinand Goetz: Ein deutsches Turnerleben. Leipzig 1921.
  • Otto Vogt: Goetz, Ferdinand Hermann Wilhelm. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 6, Duncker & Humblot, Berlin 1964, ISBN 3-428-00187-7, S. 581 f. (Digitalisat).
  • Siegfried Hoyer: Arzt – „Turnvater“ – Demokrat. Zum 175. Geburtstag von Ferdinand Goetz. In: Stadtgeschichte. 2, 2001, S. 54 f.

Weblinks

Commons: Ferdinand Goetz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Richard Sachse, Karl Ramshorn, Reinhart Herz: Die Lehrer der Thomasschule zu Leipzig 1832–1912. Die Abiturienten der Thomasschule zu Leipzig 1845–1912. B. G. Teubner Verlag, Leipzig 1912, S. 18.
  2. Olympische Spiele 1896: Ruhm statt Schande spiegel.de 6. April 2016