Finnlandschweden

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Lage der einsprachig schwedischen und zweisprachigen Gemeinden in Finnland (2008):
  • einsprachig Schwedisch
  • Hauptsprache Schwedisch, Minderheitensprache Finnisch
  • Hauptsprache Finnisch, Minderheitensprache Schwedisch
  • Als Finnlandschweden bezeichnet man die Angehörigen der schwedischsprachigen Bevölkerungsminderheit in Finnland. Die von ihnen gesprochene Sprachform wird Finnlandschwedisch genannt. Das Schwedische ist eine von Finnlands zwei Nationalsprachen und offiziell mit dem Finnischen gleichgestellt. Die Finnlandschweden sind eine nationale Minderheit in Finnland und bewohnen hauptsächlich neben den Åland­inseln den Küstenstreifen entlang des Österbottens sowie die Südküste, einschließlich der schwedischen Sprachinseln in einigen finnischsprachigen Städten. Die Minderheit der Finnlandschweden umfasst etwa eine Viertelmillion Menschen oder zwischen 5 und 6 Prozent der finnischen Bevölkerung, ein Anteil, der seit dem Zweiten Weltkrieg stetig abgenommen hat.

    Finnlandschweden (schwedisch: finlandssvenskar), im Singular „Finnlandschwede“ (schwedisch: finlandssvensk), ist eine späte Bezeichnung für die schwedischsprachige Bevölkerung Finnlands. Im Reichsschwedischen bezieht sich die Bezeichnung finne, finnar („Finne(n)“) nur auf die finnischsprachigen Bürger Finnlands, während der Ausdruck finländare („Finnländer“) im weiteren Sinne ein Sammelbegriff (Hyperonym) für die Bürger Finnlands ist, egal welcher Sprachgruppe sie angehören (Finnen, Schweden, Samen oder Roma).[1] Im engeren Sinne werden als Finnländer jedoch vor allem die Finnlandschweden des finnischen Festlandes bezeichnet[2] – im Gegensatz zu den Åländern, d.h. den auf den Ålandinseln lebenden Finnlandschweden.

    Herkunft

    Die schwedischsprachige Minderheit entstammt der ab dem 12. Jahrhundert bis 1809 dauernden Zugehörigkeit Finnlands zu Schweden. Sie entstand einerseits durch Zuzug aus dem schwedischen Mutterland und später auch aus Mitteleuropa – die meisten mitteleuropäischen Einwanderer übernahmen lieber die schwedische als die finnische Sprache –, andererseits durch Assimilation vor allem der gehobenen finnischen Bevölkerungsschichten. Der Wechsel vom Finnischen zum Schwedischen war attraktiv, weil bis ins 19. Jahrhundert Schwedisch (neben Latein) die einzige Kultur- und Verwaltungssprache des Landes war, während das Finnische praktisch nur im Alltagsleben der bäuerlichen Bevölkerung Verwendung fand. Im Mittelalter betrug der Anteil der Finnlandschweden unter der Bevölkerung des heutigen Finnland ca. 25 %, allerdings ist er seit Jahrhunderten rückläufig. Die Finnlandschweden bilden heute 5,36 % der Gesamtbevölkerung Finnlands, also rund 290.000 Personen.[3]

    Siedlungsgebiete

    Das schwedischsprachige Siedlungsgebiet besteht aus drei räumlich getrennten Bereichen: Im Süden ist die Küste von Nyland (Uusimaa) zwischen Pyttis (Pyhtää) und Hangö (Hanko) zu einem großen Teil schwedischsprachig. Ebenfalls zum finnlandschwedischen Siedlungsgebiet gehört der als Åboland (Turunmaa) bezeichnete Südteil des Schären­gebiets vor der Küste von Egentliga Finland (Varsinais-Suomi) im Südwesten des Landes. Dazu kommt an der Westküste ein Küstenstreifen in der Landschaft Österbotten (Pohjanmaa), der von Kristinestad (Kristiinankaupunki) bis Karleby (Kokkola) reicht. Die autonome Provinz Åland, deren Bewohnern eine Sonderstellung zukommt, wird oft nicht mehr zum Siedlungsgebiet der Finnlandschweden im eigentlichen Sinne gezählt.

    Sprache

    Die schwedische Sprachvariante, die seit Beginn des 20. Jahrhunderts gesprochen wird, bezeichnet man allgemein als Finnlandschwedisch. Diese Sprachvariante wird auch als finnlandschwedische Standardsprache (finlandssvenska riksspråket) bezeichnet. Daneben existieren auf dem Land aber noch sehr viele schwedische Dialekte, vor allem im Österbotten und auf den vorgelagerten Inseln (skärgården), in Südwestfinnland und in Nyland. Diese Dialekte gehören zum Ostschwedischen. In Finnland haben sich die archaischen Dialekte oftmals besser erhalten als in Schweden, da sie zur finnlandschwedischen Identitätsfindung innerhalb der anderssprachigen Umwelt beitrugen.[4][5]

    Sprachsituation

    Es gibt unterschiedliche Erhebungen darüber, wie viele Finnlandschweden von Finnland nach Schweden ausgewandert sind. Eine Quelle besagt, dass zwischen 1945 und 1976 etwa 400.000 finnische Staatsbürger nach Schweden emigrierten und davon etwa 200.000 permanent dort blieben. Aus den Migrationsströmen berechnete man, dass darunter ein Drittel Finnlandschweden waren.[6] Eric De Geer von der Universität Uppsala erhob 2004 eine gründliche Statistik über Finnischsprachige in Schweden. Er fand dabei heraus, dass etwa 20 Prozent (circa 60 000 Personen) der Einwanderer von der finnlandschwedischen Sprachgruppe in Finnland waren.[7] Selbst in Schweden betrachten sich diese Einwanderer als Finnlandschweden oder sogar als Schwedenfinnlandschweden (schwedisch: sverigefinlandssvenskar) und haben in Bergslagens Gruben- und Stahlgemeinden und in anderen Orten Schwedens, wo sie sich in größerem Ausmaß niederließen, finnlandschwedische Vereinigungen gegründet, wie es die finnischsprachigen Einwanderer taten. Des Weiteren war die Anzahl der Finnlandschweden, die in die USA und nach Kanada auswanderten, sehr hoch. Man schätzt in der Zeit zwischen 1871 und 1929 etwa 73.000 Personen.[8] Die zwei Begriffe „Minderheit“ und „Sprache“ wurden erst 1912 von Rolf Pipping geprägt; davor sprach man gewöhnlich von „Amerikaschweden“ (schwedisch: amerikasvenskar).[9] Im Jahr 2006 gab es ungefähr 291.000 Menschen in Finnland, die Schwedisch als Muttersprache sprachen, davon lebten 25.000 auf Åland und 266.000 im übrigen Finnland.[10] Zusammengenommen haben ungefähr 5,4 % der Gesamtbevölkerung Schwedisch als Muttersprache, 5 Prozent, wenn man Åland ausnimmt. Der Anteil der Finnen, die in einsprachig schwedischen Gebieten leben, liegt bei etwa 0,8 Prozent. Der Anteil der Finnen, die Schwedisch mehr oder weniger gut sprechen und verstehen, ist jedoch weit höher, zumal beide Sprachen verpflichtende Fächer in den Schulen sind. Schwedisch spielte als grundlegende Sprache in der Öffentlichkeit und im kulturellen Leben in der finnischen Gesellschaft immer eine wichtige Rolle.

    Zweisprachigkeit

    Laut Verfassung ist Finnland ein zweisprachiges Land. Dies bedeutet, dass die schwedischsprachige Minderheit das Recht hat, mit den staatlichen Behörden auf Schwedisch zu kommunizieren. Eine finnische Gemeinde gilt als zweisprachig, wenn mehr als 8 % der Einwohner oder mehr als 3000 Personen eine der beiden Landessprachen (Finnisch oder Schwedisch) spricht. In zweisprachigen Gemeinden müssen alle Beamte zufriedenstellende Kenntnisse in beiden Sprachen aufweisen. Des Weiteren müssen alle Ortsschilder zweisprachig sein (die Mehrheitssprache an oberster Stelle). Nach einer Bildungsreform in den 1970er Jahren wurden sowohl Schwedisch wie auch Finnisch Pflichtfächer an Schulen.[11]

    Identität

    Obwohl die Finnlandschweden ein eigenes Zusammengehörigkeitsgefühl und verschiedene eigene Traditionen haben, verstehen sie sich heute normalerweise weder als Schweden noch als eigene Ethnie, sondern als schwedischsprachige Finnen. Das schwedischsprachige Element gilt sowohl für die schwedischsprachigen als auch für die finnischsprachigen Einwohner Finnlands normalerweise als integraler Bestandteil der finnischen Kultur.[12] Beim Aufbau des finnischen Nationalbewusstseins und einer eigenständigen finnischen Hochkultur im 19. Jahrhundert hatte der schwedischsprachige Bevölkerungsteil durch Personen wie Johan Vilhelm Snellman, Johan Ludvig Runeberg oder Akseli Gallen-Kallela maßgeblichen Anteil. Der Anteil der Finnlandschweden in den verschiedenen sozialen Schichten weicht nicht gravierend von dem in der Gesamtbevölkerung ab. Schwedisch wird in Finnland dennoch als Sprache der klassischen Oberschicht angesehen, was auch damit zusammenhängt, dass Schwedisch bei traditionell reichen Familien wie bei den nur etwa 6000 finnischen Adeligen weiter verbreitet ist.

    Anteil der Schwedischsprechenden an der Bevölkerung Finnlands[3]
    Jahr Prozent
    1900 12,89 %
    1950 8,64 %
    1990 5,69 %
    2000 5,63 %
    2010 5,36 %

    Im Jahr 2005 veranlasste das Svenska Finlands Folkting, die offizielle Interessensvertretung der Finnlandschweden, eine Untersuchung zur Identität der Finnlandschweden. Dabei gaben 82 % der Befragten an, finnlandschwedisch zu sein bedeute „Zugehörigkeit zu einer eigenen Kultur, aber auch Finne unter allen anderen Finnen zu sein“. Nur 17 % wählten die Option „Zugehörigkeit zu einer eigenen Kultur, die sich von der finnischen unterscheidet“. Nach ihrer Einstellung gegenüber Schweden und der dortigen Kultur befragt, gab eine Minderheit von 31 % an, diese seien „ein wichtiger Teil [ihres] Lebens“, während 59 % der Befragten sie als „interessant, aber fernliegend“, weitere 9 % als „völlig uninteressant“ empfanden.[13]

    Die wichtigste Ausnahme bilden die Bewohner der autonomen Provinz Åland, die mit Åländisch einen eher dem Reichsschwedischen zuzuordnenden Dialekt sprechen und sich kaum mit Finnland verbunden fühlen. Sie werden oft nicht zu den Finnlandschweden im engeren Sinne gezählt, ebenso wenig wie schwedische Einwanderer, die erst in jüngerer Zeit nach Finnland gekommen sind.

    Im Ausland ist die spezielle Stellung der Finnlandschweden im Allgemeinen wenig bekannt, und in ausländischen Statistiken werden sie oft als eine eigene, von den Finnen zu unterscheidende Ethnie oder schlicht als Schweden geführt. Beispielsweise gibt der Fischer Weltalmanach an, dass 92,4 % der Bevölkerung Finnlands Finnen und 5,6 % Finnlandschweden sind.[14] Das CIA World Factbook spricht von 93,4 % Finnen und 5,6 % Schweden.[15] Das finnische Statistikamt klassifiziert die Bevölkerung Finnlands nur nach Staatsbürgerschaft, Geburtsland und Muttersprache, aber nicht nach ethnischer Zugehörigkeit.[3][16] Historisch betrachtet, hat der Anteil der Finnlandschweden an der Gesamtbevölkerung Finnlands seit mindestens 200 Jahren stetig abgenommen. Heute bildet die schwedischsprachige Gemeinschaft nur noch eine kleine Minderheit. Von offizieller finnischer Seite wird jedoch betont, dass die schwedische Sprache neben der finnischen fest zur Kultur Finnlands gehöre.

    Interessenvertretung

    Die Interessen der schwedischsprachigen Finnen werden unter anderem durch eine parlamentsähnliche, gesetzlich anerkannte Vertretung, das Svenska Finlands Folkting, vertreten. Im Finnischen Parlament setzt sich die Schwedische Volkspartei für die Interessen der Finnlandschweden ein. Die größte schwedischsprachige Zeitung Finnlands ist das Hufvudstadsbladet.

    Berühmte Finnlandschweden

    Berühmte Finnlandschweden sind u. a.:

    Siehe auch

    Weblinks

    Einzelnachweise

    1. ”TT-språket”. Tidningarnas Telegrambyrå. Gelesen 29. März 2011 (schwedisch).
    2. Willi Stegner (Hrsg.): Taschenatlas Völker und Sprachen. Klett-Perthes, Gotha/Stuttgart 2006, S. 41.
    3. a b c Population Structure Finnisches Statistikamt. Abgerufen 6. Dezember 2013.
    4. Olof Mustelin: ”Finlandssvensk” – kring ett begrepps historia. Skrifter utgivna av Svenska Litteratursällskapet, vol. 511, 1983.
    5. Helda.helsinki: Genös i östra Nyland. Från dialektutjämning till dialektmarkör(2010) av Caroline Sandström. Doktoravhandling. Helsingfors universitet, Institutionen för finska, finskugriska och nordiska språk. Volym nr 20 i publikationsserien Nordica Helsingiensia (Seite zuletzt am 11. Januar 2011 kontrolliert)
    6. Charlotta Hedberg: The Finland-Swedish Wheel of Migration. Doktorarbeit. Institutionen för kulturgeografi, Uppsala universistet, 2005.
    7. Eric de Geer: Den finska närvaron i Mälarregionen, 2004 (schwedisch). Gelesen am 29. März 2011.
    8. Anders Myhrman: Finlandssvenskar i Amerika.
    9. Rolf Pipping: Språk och stil. Finsk tidskrift 10, 1938, S. 202–214, 267–276, besonders S. 272.
    10. Finlands befolkning Statistikcentralen
    11. Schwedisch als die zweite Nationalsprache Finnlands: Soziolinguistische Aspekte Aufgerufen am 27. Januar 2012
    12. Zitat von der Website der Schwedischen Volkspartei: The Swedish speaking Finns generally don’t label themselves as an ethnic minority. With regards to identity, the Swedish speaking element is usually considered as an integral part of Finnish culture, although expressed in another language than Finnish. online (Memento vom 5. Juli 2007 im Internet Archive) Zugangsdatum 17. Mai 2008.
    13. Identitet och framtid – Folktingets undersökning om finlandssvenskarnas identitet / Suomenruotsalainen identiteetti – Folktingetin kyselytutkimus (Memento vom 14. Juni 2007 im Internet Archive) (PDF, 925 KB, schwed., finn.), S. 23/53, 33/63. Abgerufen am 2. Oktober 2015.
    14. Fischer Weltalmanach 2008, ISBN 978-3-596-72008-8.
    15. CIA World Factbook: Finnland (englisch) Zugangsdatum 17. Mai 2008.
    16. Vgl. Kuka on ulkomaalainen? Finnisches Statistikamt. Zugangsdatum 17. Mai 2008.