Fischerinsel (Berlin)

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Stadtviertel in Berlin-Mitte:
1 Altkölln (Spreeinsel) mit 1a Museumsinsel, 1b Fischerinsel
2 Alt-Berlin mit 2a Nikolaiviertel
3 Friedrichswerder
4 Neucölln am Wasser
5 Dorotheenstadt
6 Friedrichstadt
7 Luisenstadt
8 Stralauer Vorstadt (mit Königsstadt)
9 Gebiet Alexanderplatz (Königsstadt und Altberlin)
10 Spandauer Vorstadt mit 10a Scheunenviertel
11 Friedrich-Wilhelm-Stadt
12 Oranienburger Vorstadt
13 Rosenthaler Vorstadt

Fischerinsel ist die Bezeichnung des südlichen Teils der Spreeinsel im Berliner Ortsteil Mitte. Geologisch handelt es sich bei der Fischerinsel um eines der langgestreckten Talsandplateaus eiszeitlichen Ursprungs im Warschau-Berliner-Urstromtal.[1] Der Norden der Insel wurde wegen des sumpfigen Untergrundes erst Jahrhunderte später bebaut und dessen überwiegender Teil wird heute als Museumsinsel bezeichnet. Allgemein wird heute das etwa acht Hektar große Gebiet der Spreeinsel südlich der Gertraudenstraße als Fischerinsel verstanden, die seit den 1970er Jahren von Wohnhochhäusern dominiert wird. Der namensgebende Fischerkiez befand sich in einem kleineren Areal am Südende der Insel und ist nicht mehr erhalten.

Geschichte

Von 1237 an gehörte das Gebiet zur Stadt Cölln, die 1709 mit dem benachbarten Alt-Berlin vereint wurde. Von Anfang an war es Sitz der Berliner Fischer- und Schifferfamilien. Durch die Regulierung der Spree und des Spreekanals im 17. und 18. Jahrhundert siedelten sich verstärkt Handwerker aus Holland und Glaubensflüchtlinge aus Frankreich hier an. Die Ende des 18. Jahrhunderts beginnende Industrialisierung hatte einen Bedeutungsverlust des Gewerbes zur Folge. Dies führte im frühen 19. Jahrhundert zum Stillstand der Bauentwicklung und zu einer Konservierung des Baubestandes, darunter der letzten giebelständigen Häuser Berlins. Der Fischerkietz entwickelte sich zu einem Arme-Leute-Viertel. Im 20. Jahrhundert wurde das einzige von der Berliner City-Bildung weitgehend unberührte und malerisch erscheinende Viertel als Fischerkietz mit seinen Alt-Berliner Gaststätten wie dem Nußbaum zum touristischen Anziehungspunkt. Der Fischerkietz bestand bis dahin aus einem rechtwinklig angelegten Straßennetz von 9 kleinen Gassen und Straßen mit insgesamt 16 verschiedenen Namen. Gleichzeitig bestanden seit den 1920er Jahren Pläne des Berliner Magistrats, große Teile der Altstadt, darunter den Fischerkiez, abzureißen, um Platz für die Neugestaltung der historischen Mitte Berlins zu gewinnen.

„Aber auf Dauer wird man die Berliner Altstadt doch weder als Wohnstadt noch als Museum retten können. Das Stadtbild, das hier […] einmal entstehen wird, wird unromantisch und traditionsarm, aber dafür hygienischer und wirtschaftlich rationeller sein“

Hermann Ehlgötz: Der Untergrund der Berliner Altstadt als Grundlage der städtebaulichen Gestaltung[2]

Diese Pläne wurden in der Zeit des Nationalsozialismus weiterverfolgt, konnten aber nur teilweise umgesetzt werden.

Im Zweiten Weltkrieg erlitt die Ortslage keine flächenmäßige Zerstörung.[3] Die Fischerstraße war „verhältnismäßig gut über die Zerstörungen des Bombenkrieges“ hinweggekommen.[4] Nach damaliger Einschätzung hätten 40–50 Prozent der Gebäude der Fischerinsel wieder aufgebaut werden können. Im Flächennutzungsplan von 1955 wurde darum die Reparatur der erhaltenswerten Bausubstanz festgelegt. Das Viertel mit allen zu restaurierenden Baudenkmalen sollte nach der Planung des Ost-Berliner Magistrats unter Bewahrung des Straßengrundrisses und der Grundstücksgrenzen als Wohngebiet bis 1965 wiederaufgebaut werden.[5] Chefarchitekt Hermann Henselmann beauftragte 1957 die „Planung der städtebaulichen Reorganisation des Stadtviertels am Fischerkiez“. Das Konzept von Hans Schmidt und Georg Münter kombinierte den Neubau von viergeschossigen Gebäuden, der mit teilweisen Abrissen verbunden gewesen wäre, mit der Sanierung der historischen Häuser. Doch bereits seit 1955 vollzog sich im DDR-Bauwesen eine Wende hin zur strikten Ökonomisierung durch industrielles Bauen und typisierten Wohnungsbau. Nachdem der Plan zum Aufbau des Zentrums der Hauptstadt der DDR 1962 beschlossen worden war, erfolgte von 1964–1967 die Neubebauung von Friedrichsgracht, Sperlingsgasse, Scharrenstraße und Brüderstraße in Plattenbauweise, nach Planungen des Büros um Heinz Graffunder, mit wenig Rücksicht auf den historischen Ort. Das Ministerium für Bauwesen folgte 1967–1968. Schließlich sah das 1966 aufgestellte Programm zum Aufbau des Berliner Stadtzentrums den Bau von Wohnhochhäusern in einem Ring um das Stadtzentrum vor. Im Zuge der folgenden „Kahlschlagsanierung“ wurden die historischen Häuser auf der Fischerinsel abgebrochen, darunter 30 Baudenkmale,[6] und sechs 21-geschossige Gebäude in Großtafelbauweise nach dem Vorbild des Typs WHH GT 18 mit jeweils 240 Wohnungen bis 1973 errichtet. Das jahrhundertelang bestehende Straßennetz wurde bis auf die Roßstraße beseitigt.[7] und die Gertraudenstraße im Sinne der autogerechten Stadt stark verbreitert.[8]

In seinen letzten Lebensjahren dokumentierte der Berliner Maler Otto Nagel in einer Pastell-Serie den Abschied vom Fischerkiez,[9] nachdem er 1955 vergeblich aufgerufen hatte, die Fischerinsel vor „abermaliger Zerstörung zu behüten und zu schützen“.[10]

Neben einer Schwimmhalle wurde 1971–1973 in extravaganter Architektur die Großgaststätte Ahornblatt als gesellschaftliches Zentrum des Wohngebietes errichtet. Ihr Abriss im Jahr 2000 zugunsten der Errichtung einer Gebäudezeile in konventioneller Bauweise, der Fischerinsel Passage, war äußerst umstritten, da mit ihr ein herausragendes Beispiel moderner DDR-Architektur verschwand. Die Neubebauung macht die historischen Straßenfluchten der Roß-, Petri-, Grün- und Gertraudenstraße wieder teilweise kenntlich.

Gegenüber dem südlichen Ende der Fischerinsel, getrennt durch den westlichen Spreearm und verbunden über die Inselbrücke, die Roßstraßenbrücke und die Grünstraßenbrücke, stehen denkmalgeschützte Häuser, darunter ein Nachbau des 1967/1968 in der Breiten Straße abgerissenen Ermelerhauses. Die Insel wird östlich über die Mühlendammbrücke an das Alt-Berliner Zentrum angeschlossen und westlich über die Gertraudenbrücke an den Friedrichswerder.

Bekanntester Bewohner der alten Fischerinsel war der Kaufmann Hans Kohlhase, dem Heinrich von Kleist als Michael Kohlhaas ein literarisches Denkmal als „einen der rechtschaffensten zugleich und entsetzlichsten Menschen seiner Zeit“ setzte.

Literatur

  • Die Bau- und Kunstdenkmale der DDR, Berlin, I. Hrsg.: Institut für Denkmalpflege im Henschelverlag, S. 28, 29, 86, 250. Berlin 1984
  • Benedikt Goebel: Der Umbau Alt-Berlins zum modernen Stadtzentrum, Verlagshaus Braun, Berlin 2003, ISBN 3-935455-31-3
  • Herbert Schwenke: Lexikon der Berliner Stadtentwicklung, Haude& Spenersche Verlagsbuchhandlung GmbH, Berlin 2002, ISBN 3-7759-0472-7

Weblinks

Commons: Fischerinsel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Herbert Schwenke: Lexikon der Berliner Stadtentwicklung, Haude & Spenersche Verlagsbuchhandlung GmbH, Berlin 2002, S. 56, ISBN 3-7759-0472-7
  2. In: Deutsche Bauzeitung Nr. 14, 1931
  3. Zum Erhaltungsgrad siehe Erika Schachinger: Alte Wohnhäuser in Berlin. Ein Rundgang durch die Innenstadt, Verlag Bruno Hessling, Berlin 1969, S. 33–44
  4. Otto Nagel: Berliner Bilder, Henschel, Berlin 1955, S. 16; dort auch das folgende zum geplanten Wiederaufbau, S. 8 f.
  5. Entwurf für den Wiederaufbau der Fischerinsel und die Rekonstruktion der separaten Insel, Lageplan, 1954
  6. Zum Denkmalsbestand nach 1945 siehe Hans Müther: Berlins Bautradition. Kleine Einführung, Das Neue Berlin, Berlin 1956, S. 85–112: Register der historischen Berliner Städtebau- und Baudenkmale im Stadtbezirk Mitte (mit zwei Plänen)
  7. Zur tabula-rasa-Lösung siehe Joachim Hermann et al.: Berlin: Ergebnisse der heimatkundlichen Bestandsaufnahme, Akademie-Verlag, Berlin 1987 (= Werte unserer Heimat Band 49/50), S. 143
  8. Schwenk, Herbert: Berliner Stadtentwicklung von A bis Z, Berlin 2001, S. 61–63
  9. Zur Pastell-Serie siehe Otto Nagel: Zu den Ausstellungen (Februar und April 1966). Ölbilder und Zeichnungen aus viereinhalb Jahrzehnten und Berliner Bilder 1933−1965 in der Ladengalerie Berlin-Charlottenburg. Ladengalerie, Berlin-Charlottenburg, o. J. (verm. 1966)
  10. Otto Nagel: Berliner Bilder, Henschel, Berlin 1955, S. 9

Koordinaten: 52° 30′ 47″ N, 13° 24′ 24″ O