Jakob Wilhelm Fehrle

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Altes Theater Heilbronn, Meerjungfrauen (Entwurf J.W.Fehrle)
Altes Theater Heilbronn, Harpyien (Entwurf J.W.Fehrle)
Altes Theater Heilbronn, Frontfenster (Entwurf J.W.Fehrle)
Hl. Florian von Fehrle in Heilbronn
Mädchen, Bronzeguss 1952, Wege zur Kunst

Jakob Wilhelm Fehrle (* 27. November 1884 in Schwäbisch Gmünd; † 4. Februar 1974 ebenda) war ein deutscher Maler, Zeichner und Bildhauer.

Leben

Zunächst machte Fehrle, der aus einer Gärtnerfamilie stammte, von 1899 bis 1903 in der Firma Erhard & Söhne eine Lehre als Ziseleur.[1] Anschließend studierte er von 1903 bis 1905 an der Kunstakademie Berlin bei Paul Meyerheim und arbeitete in der Werkstatt des Bildhauers Wilhelm Widemann. Danach studierte er bei Balthasar Schmitt an der Akademie der Bildenden Künste München. Bald erledigte er erste Auftragsarbeiten und hatte eine erste Ausstellung in Berlin. In den Jahren 1909/1910 hielt er sich zu Studienzwecken in Rom auf. In den Jahren 1910/1911 erlernte er in München gemeinsam mit Reinhold Nägele die Radierkunst.

Von 1911 bis 1914 unterhielt Fehrle ein Atelier in Paris am Montparnasse. Diese Zeit wurde bestimmend für sein späteres Werk. Hier lernte Fehrle nicht nur Künstler wie Karl Albiker, Georg Kolbe, Wilhelm Lehmbruck, Aristide Maillol, Pablo Picasso und Paul Klee kennen, sondern hier fand er „mit offenen Sinnen für das Neue“, so Fehrle rückblickend, zu einer eigenen Formensprache.

Von 1914 bis 1918 nahm Fehrle als Soldat am Ersten Weltkrieg teil. In den Kriegswirren ging sein Frühwerk verloren. Gleich nach dem Krieg zog er im Jahr 1918 zurück in seine Heimatstadt Schwäbisch Gmünd und betrieb seitdem dort bis zu seinem Tod ein eigenes Atelier.

Im Jahr 1922 hatte Fehrle gemeinsam mit seiner Frau Klara Fehrle-Menrad (1884–1954) und Reinhold Nägele im Kunsthaus Schaller in Stuttgart eine Ausstellung. Ab 1923 beteiligte er sich an mehreren Ausstellungen der Stuttgarter Sezession. In den Jahren 1927 bis 1929 hatte er einen Lehrauftrag an der staatlichen Höheren Fachschule Schwäbisch Gmünd und wurde 1928 zum Professor ernannt.

1954 erhielt er anlässlich seines 70. Geburtstags aus den Händen seines Freundes, des Bundespräsidenten Theodor Heuss, das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland.[2]

Werk

Fehrle galt bei seinen Zeitgenossen als „Meister sensibler Geistigkeit“. Er wurde von den Plastiken der Bildhauer Aristide Maillol und Wilhelm Lehmbruck beeinflusst und beschäftigte sich mit gotischer und indischer Plastik. Fast ausnahmslos stellte Fehrle den weiblichen Körper als Einzelfigur in einer gleichmäßigen Modellierung dar und schuf schlanke, bewegte, überlängte Gestalten.[3] Zuerst waren es nackte Modelle mit schmalen Stoffdraperien wie die Gotische Eva (1910) oder Louise (Pariserin) (1912) sowie Aphrodite (1913) und Claudia (1914). Um 1913 entstanden die von ihm entworfenen und gefertigten Skulpturen der weiblichen Fabelwesen Meerjungfrauen, Harpyien etc. an den Fenstern des Alten Theaters in Heilbronn. Auch die erhalten gebliebenen weiblichen Bronzefiguren im Foyer des Alten Theaters stammen aus seiner Hand.[4][5] Die Bronzefiguren von Fehrle aus dem Foyer des alten Theaters wurden 1974 im Historischen Museum Heilbronn im Rahmen der Ausstellung „Blüte und Untergang des alten Theaters“ gezeigt.[6] Später schuf er schlanke, bewegte, überlängte Figuren mit teilweise gotisierenden Gewändern wie die Madonna (1921) oder Verkündigung (1922).

Die Figuren zeigen die „Bewegung des ruhenden Körpers von der verhaltenen Melodik des Sichbiegens und Beugens bis hin zu kapriziösen, reich verschlungenen Wendungen von Körper und Gewand. Der Gesichtsaussdruck ist verhalten und innig.“[3] Die „maskenhaften Züge“[3] wurden in den 1920er Jahren von einem „malerisch barocken Lebensgefühl“[3] verdrängt. Fehrle zeigte weibliche Akte meist „aufrecht stehend, als Torso oder als ‚bewegte Säule‘ (Bühner, 1971) in einer gänzlich diesseitigen, körperlich-sinnlichen Unmittelbarkeit. Sie bewahren Anmut, sind individuell wiedergegeben und rundumansichtig ohne Hauptschauseite.“[3]

Er schuf klar gebaute Figuren in Bronze und Stein, Bronzebüsten, viele Denkmäler und Brunnen, besonders für schwäbische Städte und Gemeinden. Sein Werk zeigt stilistische, ästhetische, politische und wirtschaftliche Umbruchphasen, geprägt durch Historismus und Jugendstil, Expressionismus und Kubismus, Deutsches Kaiserreich, Weimarer Republik und zwei Weltkriege, Nationalsozialismus und Nachkriegsdemokratie.

Sein Atelier in Schwäbisch Gmünd, in dem er bis wenige Tage vor seinem Tod arbeitete, blieb seit dem unverändert und steht unter Denkmalschutz.

Goldner Adler, Wirtshausschild in Pforzheim

Literatur

  • Eugen Schopf: „Jakob Wilhelm Fehrle. Des Bildhauers Werk in einer Auswahl von 56 zum Teil mehrfarbigen Abbildungen“. Verlag Fink, Stuttgart 1947
  • Hermann Baumhauer: „Werkmann bis zuletzt. Nachruf für Professor J. W. Fehrle“ in ostalb einhorn Nr. 1. Vierteljahreshefte für Heimat und Kultur im Ostalbkreis, Einhorn-Verlag Schwäbisch Gmünd, März 1974
  • Hermann Baumhauer: „Jakob Wilhelm Fehrle. 1884–1974“ in einhorn Jahrbuch 1974, Einhorn-Verlag Eduard Dietenberger KG, Schwäbisch Gmünd 1974
  • Vorlage:ThB
  • Fehrle, Jakob Wilhelm In: Günter Meißner (Hrsg.): Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker. K. G. Saur, München / Leipzig 1991 ff., ISBN 3-598-22740-X, S. 501
  • Franz Menges: Nägele, Reinhold. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 18, Duncker & Humblot, Berlin 1997, ISBN 3-428-00199-0, S. 698 f. (Digitalisat). (Nebeneintrag)
  • Cornelia Fehrle-Choms: Ein Meister der zeitlosen Plastik: der Gmünder Künstler Jakob Wilhelm Fehrle in: einhorn Jahrbuch Schwäbisch Gmünd 2014, 41. Jahrgang, einhorn-Verlag, Schwäbisch Gmünd 2014, ISBN 978-3-95747-006-5, S. 263ff.

Weblinks

Commons: Jakob Wilhelm Fehrle – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Gmünder Stadt- und Vereins-Chronik“ in „Einhorn. Illustrierte Zeitschrift zur Pflege des Heimatgedankens in Stadt und Kreis Schwäbisch Gmünd“, Nr. 8, Schwäbisch Gmünd, Dezember 1954
  2. Gmünder Stadt- und Vereins-Chronik“ in „Einhorn. Illustrierte Zeitschrift zur Pflege des Heimatgedankens in Stadt und Kreis Schwäbisch Gmünd“, Nr. 8, Schwäbisch Gmünd, Dezember 1954
  3. a b c d e Fehrle, Jakob Wilhelm In: Günter Meißner (Hrsg.): Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker. K. G. Saur, München / Leipzig 1991 ff., ISBN 3-598-22740-X, S. 501
  4. Hugo Licht: Das Stadttheater in Heilbronn (Sonderdruck o. Jg. der Zeitschrift für Architektur und Bauwesen Der Profanbau) Verlag J. J. Arnd, Leipzig 1913.
  5. Robert Bauer: Die Baugeschichte. Neckar-Zeitung (Sonderausgabe zur Einweihung des Heilbronner Stadttheaters) vom 30. September 1913.
  6. Wochenbeilage zur Heilbronner Stimme vom 23. Februar 1974, Nr. 8, S. 1 von Jachim Schweller: Auf Heilbronner Brettern- Zur Ausstellung „Blüte und Untergang des alten Theaters“