Justinian-Säule

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Die heute nicht mehr erhaltene Justinian-Säule war das wichtigste Säulenmonument auf dem spätantiken Augustaion (Augusteum) in Konstantinopel. Sie trug ein Reiterstandbild des Kaisers Justinian (527 bis 565).[1] Ihre Errichtung gehört höchstwahrscheinlich in einen Zusammenhang mit dem römischen Sieg über die Sassaniden in der Schlacht bei Dara (530).

In der Folge der osmanischen Eroberung Konstantinopels im Jahre 1453 wurde das Monument zu Beginn des 16. Jahrhunderts zerstört und die Statue später eingeschmolzen.[2]

Spätmittelalterliche Zeichnung der nicht mehr erhaltenen Reiterstatue Justinians (Zeichnung, verwahrt in der Universitätsbibliothek Budapest (Ms. 35, fol. 144 v))
Hypothetische Rekonstruktion der Säule durch Cornelius Gurlitt

Quellenlage und archäologischer Befund[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von der Säule bzw. der Statue ist heute nichts mehr erhalten. Eine Rekonstruktion ihres Aussehens ist nur mittels literarischer Quellen möglich. Unter den wichtigsten Autoren, die sich zum Augustaion und dem Säulenmonument äußern, sind:

Des Weiteren werden Zeichnungen herangezogen, die entweder das Stadtbild Konstantinopels mit seinen Säulenmonumenten oder die Reiterstatue selbst wiedergeben.[9]

Rekonstruktion der Säule[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Säule befand sich, wie alle Quellenautoren übereinstimmend berichten, in der Mitte des Augustaions, des Vorplatzes der Hagia Sophia. Georgios Pachymeres erklärt, die Säule befinde sich zur Linken desjenigen, der die Hagia Sophia betritt.

Die Säule besaß einen Sockel, der aus Stufen gebildet wurde: Insgesamt waren es sieben Stufen, die einen quadratischen Grundriss besaßen. Auf diesem gestuften Sockel erhob sich die eigentliche Säule, die kein weiteres Postament besaß (jedenfalls ist bei Prokop nichts davon erwähnt). Bei Pachymeres findet sich zudem die Beschreibung eines aus Ziegeln gemauerten und mit Marmorplatten verkleideten, würfelförmigen Sockels, der auf den Stufensockel aufgesetzt war und die Säule trug. Die Seiten des Würfels waren mit jeweils vier Arkaden versehen.[10]

Der Säulenschaft selbst war aus Quadern gemauert, seine Höhe betrug wohl ca. 30 bis 40 Meter. Aller Wahrscheinlichkeit nach war er mit bronzenen Platten verkleidet, auf welchen szenische Darstellungen unbekannten Inhalts zu sehen waren. Als die Kreuzfahrer bei der Eroberung Konstantinopels im Jahre 1204 die Stadt plünderten, rissen sie die bronzenen Verkleidungen ab.[11]

Auf der Säule befand sich ein korinthisches Kapitell. Es besaß zwei Plinthen, auf denen schließlich das Reiterstandbild angebracht war. Die Statue war nach Osten ausgerichtet.[12]

Goldmedaillon Justinians im Wert von 36 solidi, das „das Heil und den Ruhm der Römer“ (salus et gloria Romanorum) feiert. Auf der Rückseite sieht man den Kaiser zu Pferd (Umzeichnung).

Rekonstruktion der Reiterstatue[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Reiterstatue Justinians wurde spätestens im Jahre 534 auf der Säule aufgestellt. Der Grund hierfür war nach den Quellen der oben erwähnte militärische Sieg des Reiches über die persischen Sassaniden im Jahre 530, mit denen man dann 532 den Ewigen Frieden geschlossen hatte. Die Statue erreichte wohl in etwa dreifache Lebensgröße; beispielsweise ist aus den Angaben der Quellenautoren erschließbar, dass der Kopf eine Höhe von ca. 90 Zentimetern besaß. Auch hierfür sind aber einzig literarische Quellen und Zeichnungen für eine Rekonstruktion verwendbar.

Justinian wurde demnach als Feldherr mit Muskelpanzer, Militärumhang (paludamentum) und Federbuschhelm (tufa) dargestellt, er trug römische Soldatenstiefel und hatte die Rechte gebietend erhoben. Laut dem Zeitgenossen Prokop gebot der Kaiser damit den Persern im Osten, sich fortan ruhig zu verhalten. In der Linken hielt er einen Kreuzglobus.[13] Allgemein wird angenommen, dass die Statue nicht neu angefertigt worden war, sondern von einem bereits bestehenden Säulenmonument usurpiert wurde: Möglicherweise handelte es sich um eine ehemalige Statue des Arcadius – so überliefert es Johannes Malalas gegen Ende der Regierungszeit des Justinian[14] – oder des Theodosius II., wie es die Zeichnung der Budapester Handschrift[15] und Cyriacus von Ancona nahelegen.[16]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Albrecht Berger: Untersuchungen zu den Patria Konstantinupoleos. Habelt, Bonn 1988, S. 238–240.
  • Elena Boeck: Justinian’s Column and Historical Memory of Constantinople in the Vatican Manasses Manuscript. In: Mitko B. Panov (Hrsg.): Macedonia and the Balkans in the Byzantine Commonwealth. Proceedings of the International Symposium „Days of Justinian I“. Skopje 18–19 October, 2013. Euro-Balkan University, Skopje 2014, S. 13–22 (Digitalisat).
  • Elena Boeck: The bronze horseman of Justinian in Constantinople. The cross-cultural biography of a Mediterranean monument. Cambridge University Press, Cambridge 2021, ISBN 978-1-107-19727-5.[17]
  • Cyril Mango: The Columns of Justinian and His Successors. In: Cyril Mango: Studies on Constantinople. Variorum, Aldershot 1993, Studie X, S. 3–8
  • Julian Raby: Mehmed the Conqueror and the Equestrian Statue of the Augustaion. In: Illinois Classical Studies. Band 12, 1987, S. 305–313 (Digitalisat).
  • Siri Sande: The Equestrian Statue of Justinian and the Schema Achilleion. In: Acta ad archaeologiam et artium historiam pertinentia. Band 6, 1987, S. 91–111.
  • Rudolf H. W. Stichel: Die römische Kaiserstatue am Ausgang der Antike. Untersuchungen zum plastischen Kaiserporträt seit Valentinian I. (364-375 n. Chr.). Bretschneider, Rom 1982, S. 11 f. 21. 105–112 (mit der älteren Literatur und Quellenliste).
  • Rudolf H. W. Stichel: Zum Bronzekoloss Justinians I. vom Augusteion in Konstantinopel. In: Kurt Gschwantler u. a. (Hrsg.): Griechische und römische Statuetten und Großbronzen. Akten der 9. Internationalen Tagung über antike Bronzen Wien 1986. Kunsthistorisches Museum, Wien 1988, S. 130–136.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Eintrag 2463 bei Last Statues of Antiquity, Oxford University

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Franz Alto Bauer: Stadt, Platz und Denkmal in der Spätantike. Mainz 1996, S. 158.
  2. Rudolf H. W. Stichel: Die römische Kaiserstatue am Ausgang der Antike. Untersuchungen zum plastischen Kaiserporträt seit Valentinian I. (364-375 n. Chr.). Rom 1982, S. 110 f.
  3. Procopius, De aedificiis 1, 2, 1–12.
  4. Johannes Malalas, Chronographia 482, 14–17 (Digitalisat).
  5. Johannes Zonaras, Epitome Historion 16, 6 = 63C (Teubner III S. 274, Google Books).
  6. Georgios Pachymeres, Ἔκφρασις (Descriptio Augusteonis) (Google Books)
  7. Petrus Gyllius, De topographia Constantinopoleos, et de illius antiquitatibus. Leiden 1562, S. 104 f. (Digitalisat)
  8. Rudolf H. W. Stichel: Die römische Kaiserstatue am Ausgang der Antike. Untersuchungen zum plastischen Kaiserporträt seit Valentinian I. (364-375 n. Chr.). Rom 1982, S. 105–108
  9. Wolfgang Müller-Wiener: Bildlexikon zur Topographie Istanbuls. Tübingen 1977, S. 249.
  10. Franz Alto Bauer: Stadt, Platz und Denkmal in der Spätantike. Mainz 1996, S. 159. 255.
  11. Wolfgang Müller-Wiener: Bildlexikon zur Topographie Istanbuls. Tübingen 1977, S. 248 und Franz Alto Bauer: Stadt, Platz und Denkmal in der Spätantike. Mainz 1996, S. 160.
  12. Franz Alto Bauer: Stadt, Platz und Denkmal in der Spätantike. Mainz 1996, S. 159–160.
  13. Franz Alto Bauer: Stadt, Platz und Denkmal in der Spätantike. Mainz 1996, S. 162.
  14. Johannes Malalas 482, 14 (Bonner Corpus, Digitalisat).
  15. Phyllis Williams Lehmann: Theodosius or Justinian? A Renaissance Drawing of a Byzantine Rider. In: The Art Bulletin. Band 41, 1959, S. 39–57.
  16. Filippo Di Benedetto: Un codice epigrafico di Ciriaco ritrovato. In: Gianfranco Paci, Sergio Scomocchia (Hrsg.): Ciriaco d’Ancona e la cultura antiquaria dell’Umanesimo. Atti del convegno internazionale di studio, Ancona 6–9 febbraio 1992. Diabasis, Reggio Emilia 1998, S. 147–167, hier S. 152–154; siehe auch Emanuel Mayer: Rom ist dort, wo der Kaiser ist. Untersuchungen zu den Staatsdenkmälern des dezentralisierten Reiches von Diocletian bis zu Theodosius II. Mainz 2002, S. 112–113.
  17. Siehe dazu unbedingt auch die überaus kritische Rezension von Georgios Makris, in Byzantine Review 6, 2023, S. 76–107 (Digitalisat):