Kabinett Clemenceau I

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Kabinett Clemenceau, Postkarte 1906
L’Illustration (27 octobre 1906) - Das Ende der Kabinettskrise

Das erste Kabinett Clemenceau war eine Regierung der Dritten Französischen Republik. Es wurde am 25. Oktober 1906 von Premierminister (Président du Conseil) Georges Clemenceau gebildet und löste das Kabinett Sarrien ab. Es blieb bis zum 20. Juli 1909 im Amt und wurde vom Kabinett Briand I abgelöst.

Dem Kabinett gehörten Minister folgender Parteien und Gruppen an: Radicaux indépendants (RI), Parti républicain, radical et radical-socialiste (PRRRS), Socialistes indépendants (SI) und Alliance républicaine démocratique (ARD).

Kabinett[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dem Kabinett gehörten folgende Minister an:

Unterstaatssekretäre[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dem Kabinett gehörten folgende Sous-secrétaires d’État an:

Historische Einordnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Innenpolitik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Clemenceau löste das von seinem Vorgänger Sarrien erstmals geschaffene Arbeitsministerium aus dem Ministerium für Handel und Industrie heraus und gab ihm dadurch ein besonderes Gewicht. Mit Marie-Georges Picquart vertraute er das Kriegsministerium einem Mann an, der im Zentrum der Dreyfus-Affäre gestanden hatte.

Das Kabinett brachte das Gesetz vom 5. April 1910 auf den Weg, das die Renten der Arbeiter und Bauern sichern sollte.[7][8] Nachdem das Gesetz zur Trennung von Kirche und Staat zu Beginn des Jahres 1906 in Kraft getreten war, fiel die Umsetzung in die Amtszeit Clemenceaus. Am 13. April 1908 wurden die Kirchen in das Eigentum der Gemeinden überführt; im Gegenzug dazu wurden die kirchlichen Angestellten in die Rentenkassen übernommen.[9]

Finanzminister Caillaux brachte im Februar 1907 den Vorschlag ein, einige der direkten Steuern (darunter „les quatres vieilles“[10]) durch eine gestaffelte Einkommensteuer zu ersetzen. Die Steuer sollte 3 % auf Arbeitseinkommen, 3,5 % auf Einkommen aus Kapital und Arbeit und 4 % auf Kapitaleinkommen betragen. Für Einkommen über 5.000 Francs war eine progressive Steuer vorgesehen. Die Sozialisten unterstützten den Vorschlag, er scheiterte aber 1909 am Senat.[11][12]

Am 28. März 1907 wurde die Versammlungsfreiheit per Gesetz bestätigt und dahingehend erweitert, dass auch religiöse Veranstaltungen diese Freiheit genossen.[13][14] Das Gesetz vom 13. Juli 1907 erlaubte Frauen, selbst über ihren Lohn zu verfügen.[15]

Das Ribot-Gesetz vom 10. April 1908 war ein wesentlicher Schritt beim sozialen Wohnungsbau.[16] Am 12. Juli wurde das Gesetz über die Unpfändbarkeit von Familiengütern verabschiedet.[17] Im Zuge einer Debatte um die Neuordnung der Marine setzte sich der Abgeordnete Théophile Delcassé gegen Clemenceau durch und dieser trat daraufhin zurück.[18]

Außenpolitik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im März 1907 wurde in Marokko mit Dr. Émile Mauchamp ein französischer Arzt ermordet. Französische Strafaktionen unter General Lyautey folgten, unter anderem wurde am 7. August 1907 Casablanca bombardiert. Die Kampagne und die darauf folgenden Auseinandersetzungen führten zu einem Zerwürfnis mit dem Deutschen Reich, das darauf bestand, dass das Abkommen von Algeciras einzuhalten sei. Frankreich setzte jedoch letztendlich Mulai Abd al-Hafiz als neuen Sultan durch.

Mit dem englisch-russischen Übereinkommen vom 31. August 1907 wurde die Triple-Entente vollendet.

Streikbewegungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Anführer der Revolte, Ernest Ferroul und Marcelin Albert bei einer Versammlung

Am 1. April 1907 begann in Südfrankreich ein Protest der Weinbauern, der sich schnell ausweitete. Die Regierung setzte Militär ein, das sich jedoch weigerte, auf die Weinbauern zu schießen. Die Bewegung ebbte ab, nachdem den Weinbauern finanzielle Zugeständnisse gemacht wurden.[19]

Im Mai 2008 streikten die Steinbrucharbeiter von Draveil und Villeneuve-Saint-Georges. Der Streik führte zu einer Auseinandersetzung der Regierung mit der Gewerkschaft CGT, deren Anführer verhaftet wurden.[20][21][22]

Der Generalstreik der Postbeamten vom März 1909 löste eine Debatte über das Streikrecht von Beamten aus. Clemenceau setzte sich mit seiner Ansicht, Staatsbediensteten solle kein Streikrecht zustehen, bei einer Abstimmung in der Kammer deutlich gegen seinen Gegenpart Jean Jaurès durch. Clemenceaus hartes Auftreten im Poststreik – 800 Streikende wurden entlassen – war aber erfolglos. Die Entlassenen wurden von der Nachfolgeregierung Briand weitgehend wieder eingestellt.[23][24][25]

Sonstiges[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 4. Juni 1908 wurde die Asche Émile Zolas in das Panthéon überführt. Am 5. November 1906 wurde Marie Curie als erste Frau an den Lehrstuhl für Physik an der Sorbonne berufen.[26] Am 18. April 1909 wurde Jeanne d’Arc von Papst Pius X. Seligsprechung seliggesprochen.[27]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Religion ab 4. Januar 1908
  2. Edmond Guyot-Dessaigne. In: Assemblée nationale. Abgerufen am 4. November 2023 (französisch).
  3. Religion ab 4. Januar 1908 beim Justizministerium angesiedelt
  4. MILLIES-LACROIX Raphael Ancien sénateur des Landes. In: Sénat.fr. Abgerufen am 4. November 2023 (französisch).
  5. MAUJAN Adolphe Ancien sénateur de la Seine. In: Sénat.fr. Abgerufen am 4. November 2023 (französisch).
  6. Julien Simyan. In: Assemblée nationale. Abgerufen am 4. November 2023 (französisch).
  7. Verabschiedet wurde das Gesetz dann unter der Regierung Briand I.
  8. Loi du 5 avril 1910 sur les retraites ouvrières et paysannes. In: Législation.cnav. Abgerufen am 22. Juni 2023 (französisch).
  9. Journal officiel du 14 avril 1908 Loi modifiant les articles 6, 7, 9, 10, 13 et 14 de la loi du 9 décembre 1905 sur la séparation des Églises et de l'État. In: Église-État.org. Abgerufen am 22. Juni 2023 (französisch).
  10. Substanzsteuer, Fenstersteuer, Patensteuer und persönliches bewegliches Vermögen
  11. Pierre Ancery: Le combat de Jaurès pour la création de l'impôt sur le revenu. In: Retronews / Echo de Presse. 10. Dezember 2018, abgerufen am 23. Juni 2023 (französisch).
  12. Joseph Caillaux. In: Assemblée nationale. Abgerufen am 23. Juni 2023 (französisch).
  13. Martine Cerf und Marc Horwitz: Dictionnaire de la laïcité. 2. Auflage. Armand Colin, 2016, ISBN 978-2-200-61677-9 (google.de).
  14. Daniel Amson: La Querelle religieuse : quinze siècles d’incompréhensions. Odile Jacob, 2004, ISBN 978-2-7381-8390-3 (google.de).
  15. Florence Rochefort: À propos de la libre-disposition du salaire de la femme mariée, les ambiguïtés d’une loi (1907). In: Openedition. Abgerufen am 5. November 2023 (französisch).
  16. Loi du 10 avril 1908 relative à la propriété et aux maisons à bon marché (dort: Télécharger le document). In: Légifrance.fr. Abgerufen am 24. Juni 2023 (französisch).
  17. Loi du 12 juillet 1909 sur la constitution d’un bien de famille insaisissable. In: Légifrance.fr. Abgerufen am 24. Juni 2023 (französisch).
  18. Théophile Delcassé. In: Assemblée nationale. Abgerufen am 24. Juni 2023 (französisch).
  19. Alban Dignat: 19 juin 1907 | La révolte viticole vire au drame. In: Herodote.net. 17. Juni 2019, abgerufen am 23. Juni 2023 (französisch).
  20. Jacques Macé: Les Grèves. Abgerufen am 23. Juni 2023 (französisch).
  21. Juillet 1908 : Draveil-Villeneuve, la CGT à l’heure de vérité. In: Union communiste libertaire. 5. September 2008, abgerufen am 23. Juni 2023 (französisch).
  22. siehe hierzu auch weiterführend fr:Grève de Draveil-Villeneuve-Saint-Georges
  23. L’humanité vom 23. März 1909 auf Gallica
  24. L’Aurore vom 16. Mai 1909 auf Gallica
  25. siehe hierzu weiterführend auch fr:Grèves des PTT en France
  26. Susan Quinn: Marie Curie : Nouvelle édition. Odile Jacob, 2016, ISBN 978-2-7381-5888-8 (google.de).
  27. Daniel Amson, Jean-Gaston Moore und Charles Amson: Les grands procès : Préface de Jacques Vergès. Presses Universitaires de France, 2007, ISBN 978-2-13-063809-4.