Kaufhaus Nathan Israel

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 17. November 2015 um 19:39 Uhr durch Göte (Diskussion | Beiträge) (Verlinkung). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Kaufhaus Nathan Israel, 1900
Anzeige, in: Ost und West. Illustrierte Monatsschrift für das gesamte Judentum, Oktober 1912.
SA-Mitglieder vor dem Kaufhaus während des Judenboykotts am 1. April 1933
Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig

Das Kaufhaus Nathan Israel war das älteste und geraume Zeit größte Kaufhaus Berlins.

Geschichte

Die Entstehung des Kaufhauses geht zurück auf die Geschäftsgründung des jüdischen Mobilienhändlers und Trödlers Nathan Israel (1782–1852) in der Jüdenstraße 18 direkt in Berlins Zentrum am 10. März 1815. Die Israels gehörten zu den ältesten Berliner Familien, die bereits zu Beginn der Regierungszeit Friedrichs des Großen, 1741, als Schutzjuden nach Berlin kamen.

Im Jahre 1818 verlegte die Firma ihren Standort zum Molkenmarkt 2. Nathan Israel expandierte 1843 und kaufte ein Gebäude in der Spandauer Straße 28, im Nikolaiviertel gegenüber dem Roten Rathaus. Als er 1848 starb, hatte sich daraus ein vierstöckiges Kaufhaus entwickelt, das seine Söhne Moritz (1830–1895) und Jacob (1823–1894) weiterführten. Moritz Israel ließ sich später auszahlen und erwarb 1888 das Rittergut Schulzendorf bei Wriezen. Nach dem frühen Tod von Jacob Israel trat dessen Sohn Berthold Israel (1868–1935) die Nachfolge an und begann 1899 mit Umbau und Erweiterung des Hauses. Schließlich nahm das elegante Kaufhaus einen Großteil des Karrees zwischen Spandauer, König-, Post- und Probststraße ein und bot Waren auf fünf bis sechs Etagen an.[1] Israel beschäftigte im 20. Jahrhundert bereits tausend Angestellte und machte mit Qualitätsprodukten dem Kaufhaus Harrods in London Konkurrenz.[2] 1928 wurden letztmals weitere Nachbargebäude integriert, jedoch ohne sie architektonisch anzugleichen. In diesem Jahr erreichte N. Israel einen Jahresumsatz von 34,5 Millionen Reichsmark und beschäftigte knapp 2.000 Angestellte.[3] Neuheiten amerikanischer Konsumtempel wie Lichtschächte, Fahrstühle, plakative Werbung, Verkaufsshows und Sonderverkäufe wurden zügig adaptiert. Andererseits verzichtete man auf eine Dependance am Kurfürstendamm im Berliner Westen.

Im Jahre 1932 wurden die Waren auch im Versandhandel angeboten. Die Waren, welche im mehrseitigen Versandhauskatalog angeboten wurden, wurden innerhalb Berlins kostenfrei geliefert. Ebenso war die Lieferung per Nachnahme möglich, und es gab ein Umtauschrecht. Zum Kundendienst des Kaufhauses gehörten ein Kundenbegleitdienst durch ausgebildete Kräfte, ein Fernsprech-Bestelldienst, eine Mode- und Wohnberatung und eine Stoff- und Schnittmusterberatung. Die Wohnberatung wurde durch „fachtechnische, künstlerische und wirtschaftliche Mitarbeiter“ durchgeführt. Die Reiseberater des Kaufhauses stellten Erholungs-, Sport-, Geschäfts- und Wanderreisen zusammen. Im Kaufhaus gab es auch eine Kinderstube, in welcher die Kinder durch staatlich geprüfte Kindergärtnerinnen des Berliner Fröbelvereins beschäftigt wurden.

Jacob Israel und sein Sohn Berthold Israel fanden mit ihren Familien – soweit sie nicht emigrieren mussten oder im Osten ermordet wurden – auf dem Jüdischen Friedhof an der Schönhauser Allee in Berlin-Prenzlauer Berg ihre letzte Ruhestätte. Moritz Israel liegt auf dem Jüdischen Friedhof in Berlin-Weissensee begraben (Feld M, Erbbegräbnis 508).

Der letzte Inhaber des Kaufhauses und direkter Nachfahre von Nathan Israel, Wilfrid Israel (* 1899), wurde im Rahmen der Arisierung gezwungen, die Firma zu veräußern; sie ging am 9. Februar 1939 an die Emil Koester AG, die dem bereits 1931 aus Deutschland ausgewanderten Unternehmer Jakob Michael gehörte, was den NS-Behörden damals noch unbekannt war.[4] 1939 nach England emigriert, kam Wilfrid Israel am 1. Juni 1943 auf dem Weg von Lissabon nach London durch einen Flugzeugabsturz infolge eines Geschosstreffers der deutschen Wehrmacht ums Leben. Im selben Jahr fiel das Kaufhausgebäude im Bombenhagel in Schutt und Asche.

Bekannt war das Unternehmen für sein Firmenethos, seine moderne und Beispiel gebende Synthese von wirtschaftlichem Erfolg und sozialer Verantwortung. Die Firma und ihre Inhaber setzten sich auf außergewöhnliche Weise für ihre Mitarbeiter ein, stellten Clubräume zur Verfügung und unterbreiteten Angebote für Freizeit und Weiterbildung in Form von Vorträgen und Sprachkursen. Eine eigene Bibliothek und ein Bootshaus im Berliner Umland standen offen für alle Mitarbeiter des Hauses. Zudem profitierten die Mitarbeiter von einer herausragenden Pensionsregelung.

1925 gründete das Unternehmen die erste private Handelsschule in ganz Deutschland, deren Abschlüsse auch von öffentlichen Handelsschulen anerkannt wurden. In den Jahren zwischen 1900 und 1914 brachte das Kaufhaus zu unterschiedlichen Themen im Eigenverlag Jahrbücher heraus, die zudem einen Kaufhausteil mit Theatern und Konzertsälen sowie Informationen über das Kaufhaus sowie ein Kalendarium enthielten.

Heute erinnern zwei Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig auf dem Gehweg Spandauer/Ecke Rathausstraße an das Kaufhaus Nathan Israel und den Kaufhauserben Wilfrid Israel.

Weblinks

Commons: Kaufhaus Nathan Israel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Literatur

  • H. G. Reissner: The History of Kaufhaus N. Israel and of Wilfrid Israel, in: Year Book Leo Baeck Institute 1958, S. 227–256.
  • Rosemarie Köhler, Ulrich Kratz-Whan: Der Jüdische Friedhof Schönhauser Allee, Berlin 1992, ISBN 3-7759-0340-2.
  • Regina Borgmann u.a. (Bearb.): Der Jüdische Friedhof Weissensee. Ein Rundgang zu ausgewählten Grabstätten, hrsg. von der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Berlin 2011.
  • Weitere Schriften: Dessa, A Tribute to Kaufhaus N. Israel 1815-1939, Switzerland: Deborah Petroz-Abeles, 2003. – Siehe weiter unter: http://www.gazettr.com/gazettr_build/map/story/wiki6865222#sthash.1BAVAxTE.dpuf
  • DESSA: Stolzesteine – Stones-of-Pride. Hommage an das Kaufhaus N. Israel, Berlin. Mit einem Essay von Holt Meyer, deutsch/englisch, Hentrich und Hentrich, Berlin 2015, ISBN 978-3-95565-112-1.[5]

Bei N. Israel herausgegebene Schriften

  • Gustav Meinecke: Die Deutschen Kolonien. Ein Beitrag zur Geschichte und Völkerkunde der deutschen Überseeischen Besitzungen. Nach amtlichen Quellen bearbeitet. Nebst einem Anhang Ereignisse des Jahres 1900 in China, Berlin 1901.
  • Hermann Müller-Bohn: Unser Kaiserhaus. Berlin 1901.
  • Georg Belitz, F. Eitzenhardt: Deutschland zur See. Ein Rückblick auf die Entwicklung des Segel- und Rudersports sowie der Kriegs- und Handelsflotte. Berlin 1903.
  • Conrad Alberti: Gross-Berlin. Berlin 1904.
  • Eugen Zabel: Eine Weltreise. Kriegsschauplatz – Weltausstellung. Berlin 1905.
  • A. Baumgart: Jubiläums-Fest-Marsch, Herrn Franz Nowarra anläßlich des Gedenktages (1. April 1905) seiner 25-jährigen Tätigkeit i. Hause N. Israel Berlin in freundschaftlicher Wertschätzung gewidmet. 1905.
  • Benno Jacobsohn: Das Theater. Berlin 1906.
  • A. Pabst: Die Erziehung im XX. Jahrhundert. Berlin 1907.
  • Siegfried Hartmann, Rudolf Kreuschner, Karl Bröckelmann: Unter und über der Erde. Berlin 1908.
  • Theodor Kappstein: Führende Geister der Gegenwart. Berlin 1909.
  • Thorwald Andersen u.a.: Die Frau und ihre Welt. Berlin 1910.
  • Von der Sänfte zum Aeroplan. Berlin 1911.
  • Hygiene im Wandel der Zeit. Berlin 1912.
  • Die Frau im Jahrhundert der Energie 1813–1913. Berlin 1913.
  • Arbeit und Erholung. Berlin 1914.
  • Beste Deutsche Qualitätswaren. Versandhauskatalog N. Israel, Berlin 1932.

Einzelnachweise

  1. Reissner, S. 239.
  2. Jan Whitaker: Wunderwelt Warenhaus, Gerstenberg 2013 ISBN 978-3836927451, S. 31.
  3. Reissner, S. 240.
  4. NDB-Artikel Michael, Jakob. Abgerufen am 11. Oktober 2013.
  5. Begleitbuch zur Ausstellung: DESSA – Kaufhaus Nathan Israel 1815–1939 – Eine Künstlerin erforscht Geschichte, 4. Oktober 2015 bis 31. März 2016, Mitte Museum, Pankstraße 47, 13357 Berlin.

Koordinaten: 52° 31′ 3,5″ N, 13° 24′ 31,4″ O