Kloster Obermarchtal

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Ehemalige Prämonstratenser-Reichsabtei Marchtal
Obermarchtal (1907)

Das Kloster Obermarchtal (lat. Abbatia Marchtallensis) ist ein ehemaliges reichsunmittelbares Prämonstratenser-Chorherrenstift und liegt in der Gemeinde Obermarchtal zwischen Ehingen und Riedlingen, östlich von Zwiefalten im Alb-Donau-Kreis. In Nachbarschaft liegt der Ort Untermarchtal mit dem gleichnamigen Vinzentinerinnen-Kloster.

Geschichte

Münster St. Peter und Paul
Innenansicht mit Altargruppe
Konventgebäude

Im Jahr 776 übertrugen die Nachkommen des Halaholf († vor 776) (Ahalolfinger) und der Hitta das von diesen gestiftete Petrus-Kloster der Abtei Sankt Gallen. 993 bestand das Kloster als ein von Hermann II., Herzog von Schwaben und seiner Ehefrau Gerberga den Aposteln Petrus und Paulus gewidmetes Kanonikerstift, das den Herzögen von Schwaben als Grablege diente. Am 1. Januar 995 wurde die erweiterte Klosterkirche von Bischof Gebhard II. konsekriert.

Im 12. Jahrhundert war Marchtal im Besitz einer Reihe von schwäbischen Adligen, darunter auch den Staufern und insbesondere Kaiser Friedrich I., wobei die häufigen Besitzwechsel einen Niedergang des Klosters zur Folge hatten.

1171 wurde das Kloster von Pfalzgraf Hugo II. von Tübingen dem Prämonstranserorden übertragen und damit quasi als Doppelstift für Männer und Frauen neu gegründet und mit ausreichendem Besitz ausgestattet, die Chorherren des neuen Klosters wurden aus der Abtei Mönchsrot in Rot an der Rot geholt.

  • Erster Propst der Neugründung wurde Eberhard von Wolfegg aus dem Kloster Mönchsrot.
  • Propst Meinhardt ließ 1204–1208 die Klostermauern erneuern.
  • Propst Konrad (1226–1275) verbot 1273 die Neuaufnahme von Frauen, so dass das Doppelkloster bald zum Männerkloster wurde.
  • Propst Walther II. ließ die alte Stiftskirche zu einer dreischiffigen Basilika erweitern, die am 2. Mai 1239 von Bischof Heinrich I. von Konstanz geweiht wurde.

Vom Ende des 13. Jh. bis 1420 war Marchtal Eigenstift des Bischofs von Konstanz.

Im Jahr 1440 wurde Marchtal zur Abtei erhoben und erlangte 1500 als Mitglied des Schwäbischen Reichsprälatenkollegiums die Reichsunmittelbarkeit. Der Abt erhielt 1609 das Recht zum Tragen der Mitra. Am 11. September 1701 wurde ein weiterer Neubau der Stiftskirche geweiht, nachdem dieser, nach der Flucht der Chorherren 1632 vor angreifenden Schweden, 1686 begonnen worden war. Die Baumeister des barocken Neubaus waren Michael Thumb und nach seinem Tod im Jahr 1690 sein Bruder Christian Thumb sowie Franz Beer von Bleichten. 1770 übernachtete Marie Antoinette, Erzherzogin von Österreich aus dem Haus Habsburg-Lothringen auf ihrer Brautfahrt von Wien nach Paris im Kloster Marcht. Von 1800 bis 1803 war Johann Nepomuk Schelble (1789–1837) Chorknabe in der Abtei. Einhergehend mit der Säkularisation mussten Abt Friedrich II. und der Konvent im Jahr 1802 alle Rechte und Einkünfte an das Haus Thurn und Taxis abtreten, die es als Teil des Reichsfürstentum Buchau verwalteten, bevor es 1806 im Zuge der Mediatisierung an das Königreich Württemberg fiel. Des Weiteren mussten sie 1803 das Stift räumen, damit es als Verwaltungszentrale der Thurn und Taxis für die in Oberschwaben neu erhaltenen Besitzungen genutzt werden konnte. Zudem wurde eine Mädchenrealschule mit Internat von den Salesianerinnen gegründet, nachdem jene 1919 den Nordtrakt bezogen.

1972 wurde die Klosteranlage der Thurn und Taxis von der Diözese Rottenburg-Stuttgart gekauft, um diese zur Akademie für Lehrerfortbildung, die 1978 eröffnet wurde, umzubauen, sowie die Realschule der Salesianerinnen 1992 von der Stiftung Freie Katholische Schule der Diözese Rottenburg-Stuttgart übernommen.

Am 16. September 2001 wurde die Stiftskirche vom Diözesanbischof Dr. Gebhard Fürst zum Münster erhoben.[1] Die Klosterkirche ist heute eines der bekanntesten Beispiele des deutschen Frühbarock.

Hexenverfolgung

In der Zeit der Hexenprozesse wurden im Bereich des Reichsklosters Hexenverfolgungen durchgeführt. Diese Hexenprozesse beginnen im 16. Jahrhundert und reichen bis ins 18. Jahrhundert. Dabei lassen sich drei Verfolgungswellen unterscheiden: zwischen 1586 und 1596, um 1627/1628 und zwischen 1745 und 1757.[2]

Die Besonderheit an den Marchtaler Hexenprozessen ist die Verfolgungspanik noch Mitte des 18. Jahrhunderts, der 7 Frauen zum Opfer fielen. Mindestens 60 Todesurteile gegen vermeintliche magische Delinquenten lassen sich insgesamt aus den Marchtaler Hexenprozessakten nachweisen.[3]

Pröpste und Äbte von Marchtal

Pröpste

  • 1171–1179 Eberhard I.
  • 1179–1187 Udalrich
  • 1187 Gerlach
  • 1191–1204 Mangold
  • 1204–1208 Meinradus
  • 1208–1209 Heinrich I. von Suppingen
  • 1209–1214 Walther I. von Westernach
  • 1214–1217 Rüdiger
  • 1217–1229 Rudolph von Ertingen
  • 1229–1243 Walther II. von Schmalstetten
  • 1243–1251 Theodorich von Wittenhausen
  • 1251–1252 Friedrich
  • 1252–1266 Heinrich II.
  • 1266–1275 Konrad I. von Taugendorf
  • 1275–1281 Wernherus I.
  • 1281–1282 Engelher
  • 1282–1292 Berchtold I.
  • 1292–1299 Heinrich III.
  • 1299–1304 Burchhard I.
  • 1304–1308 Sifrid
  • 1308–1310 Wernherus II.
  • 1310–1312 Konrad II.
  • 1312–1322 Burchhard II.
  • 1322–1329 Konrad III.
  • 1329–1333 Hermann Huotter
  • 1333–1340 Heinrich IV. Walk
  • 1340–1344 Eberhard II.
  • 1344–1348 Konrad IV. Gager
  • 1348–1367 Konrad V. von Rota
  • 1368–1377 Berchtold II.
  • 1377–1399 Ludwig Leo
  • 1399–1401 Stephanus Wucherer
  • 1401–1409 Jakob I. Kupferschmid
  • 1409–1424 Jakob II. Klingler
  • 1424–1436 Albertus Pfluoger

Äbte

  • 1436–1461 Heinrich Mörstetter
  • 1461–1482 Jodokus Blank
  • 1482–1514 Simon Götz
  • 1514–1518 Johannes I. Haberkalt
  • 1518–1534 Heinrich II. Stölzlin
  • 1538–1550 Johannes II. Gudin
  • 1550–1559 Christoph Boner
  • 1559–1571 Christophorus Schenz
  • 1571–1591 Konrad I. Frei
  • 1591–1600 Johannes III. Riedgasser
  • 1600–1614 Jakob Hefl
  • 1614–1637 Johann Engler
  • 1637–1660 Konrad II. Kneer
  • 1660–1661 Godefried Dorner
  • 1661–1691 Nikolaus Wierith
  • 1691–1705 Adalbert Rieger
  • 1705–1711 Friedrich I. Herlin
  • 1711–1719 Edmund I. Dilger
  • 1719–1746 Ulrich Blank
  • 1746–1768 Edmund II. Sartor
  • 1768–1772 Ignaz Stein
  • 1772–1796 Paulus Schmid
  • 1796–1802 Bernard Kempter
  • 1802 Friedrich II. Walter

(Quelle: [4])

Heutige Nutzung der Anlage

Die von einer Mauer umgebene Klosteranlage Obermarchtal mit der Kirche St. Peter und Paul, der ehemaligen Klausur und mit seinen Wirtschaftshäusern wird heute von der Kirchlichen Akademie der Lehrerfortbildung Obermarchtal der Diözese Rottenburg-Stuttgart als Tagungshaus genutzt. Ihr Innenhof ist Ort der Ausstellung „Marchtaler Fenster - Neue Kunst“.[5] Der Nordflügel der Anlage beherbergt die Realschule und das Gymnasium des Studienkollegs.

Literatur

  • Max Müller, Rudolf Reinhardt, Wilfried Schöntag (Hrsg.): Marchtal. Prämonstratenserabtei - Fürstliches Schloß - Kirchliche Akademie. Festgabe zum 300jährigen Bestehen der Stiftskirche St. Peter und Paul (1692 bis 1992). Süddeutsche Verlagsgesellschaft, Ulm 1992, ISBN 3-88294-182-0.
  • Maximilian Müller: Ehemaliges Prämonstratenser-Stift St. Peter und Paul Marchtal. Großer Kunstführer. Kath. Kirchengemeinde St. Peter und Paul, Obermarchtal 1998, ISBN 3-00-003061-1
  • Manuela Oberst: Exercitium, Propaganda und Repräsentation. Die Dramen-, Periochen- und Librettosammlung der Prämonstratenserreichsabtei Marchtal (1657 bis 1778) (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg. Reihe B: Forschungen; Bd. 179). Kohlhammer, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-17-020984-8.`
  • Lyndal Roper: Hexenwahn. Geschichte einer Verfolgung. München 2007.
  • Wilfried Schöntag: Das reichsunmittelbare Prämonstratenserstift Marchtal. (= Germania Sacra. Die Bistümer der Kirchenprovinz Mainz. Das Bistum Konstanz; 6). Berlin 2012, ISBN 978-3-11-025312-2 (Digitalisat)

Weblinks

Commons: Kloster Obermarchtal – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Marchtaler Schulordnung 1748 – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Maximilian Müller, Winfried Aßfalg: Ehemaliges Prämonstratenser Stift St. Peter und Paul Marchtal. Hrsg.: Katholische Kirchengemeinde St. Peter und Paul. 2. Auflage. 2006, ISBN 3-00-003061-1, S. 56.
  2. https://www.historicum.net/de/themen/hexenforschung/thementexte/magisterarbeiten/artikel/Mithin_die_natuerliche_Vernunft_selbst_dictiert_das_es_Hexen_gebe_Hexenverfolgung_in_der_Reichsabtei_Marchtal_1586_1757/
  3. https://www.historicum.net/de/themen/hexenforschung/thementexte/magisterarbeiten/artikel/Mithin_die_natuerliche_Vernunft_selbst_dictiert_das_es_Hexen_gebe_Hexenverfolgung_in_der_Reichsabtei_Marchtal_1586_1757/
  4. Maximilian Müller, Winfried Aßfalg: Ehemaliges Prämonstratenser Stift St. Peter und Paul Marchtal. Hrsg.: Katholische Kirchengemeinde St. Peter und Paul. 2. Auflage. 2006, ISBN 3-00-003061-1, S. 56.
  5. Marchtaler Fenster

Koordinaten: 48° 14′ 11,4″ N, 9° 34′ 15,5″ O