Laurentius Siemer

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Laurentius M. Siemer OP (* 8. März 1888 in Elisabethfehn; † 21. Oktober 1956 in Köln) war ein Provinzial der Dominikaner und gehörte zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus.

Leben

Siemer wurde als sechstes von zehn Kindern einer alteingesessenen Bauernfamilie am 8. März 1888 geboren und auf den Namen Josef getauft. Nach dem Abitur trat er in den Dominikanerorden ein und erhielt den Ordensnamen Laurentius. Nach dem Studium der Theologie, der Priesterweihe und der Tätigkeit als Sanitäter im Ersten Weltkrieg studierte er in Münster klassische Philologie und Geschichte, gehörte zu den Gründungsmitgliedern der katholischen Studentenverbindung Ravensberg im KV und machte 1920 sein Staatsexamen. 1921 wurde er Rektor des Gymnasiums mit Internat der Dominikaner in Vechta. Ab 1932 wurde er – bis 1946 – zum Provinzial der deutschen Ordensprovinz der Dominikaner (Teutonia) gewählt.

Siemer trat von Anfang an dem Nationalsozialismus kompromisslos entgegen. In der Osterausgabe der Zentrumszeitung „Germania“ kritisierte er offen die Rassenideologie der Nazis, er bezeichnete in einem späteren Leitartikel in dieser Zeitung die Gleichsetzung von Rasse und Religion als „Degeneration“ und forderte die Katholiken auf, sich von den derzeitigen geistigen Strömungen nicht beeinflussen zu lassen.

1935 wurde Siemer von der Gestapo verhaftet und verbrachte mehrere Monate im Gefängnis. Ab 1941 unterstützte Siemer aktiv Widerstandsgruppen gegen den Nationalsozialismus und stellte das Kloster Walberberg für konspirative Treffen zur Verfügung. Siemer wurde Mitglied des Kölner Kreises. Er erklärte es zur Pflicht, „alles daranzusetzen, damit der Nationalsozialismus vernichtet würde“. Er postulierte die „rücksichtslose und konsequente Teilnahme an der Verschwörung gegen den Nazistaat“.[1]

Siemer war eng mit Josef Wirmer, der als Justizminister nach dem Sturz Hitlers vorgesehen war, befreundet. 1942 arbeitet Siemer für Carl Goerdeler, mit dem er häufiger zusammentraf, einen Entwurf über das zukünftige Verhältnis von Staat und Kirche in Deutschland aus.

Nach dem misslungenen Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 konnte Siemer unter abenteuerlichen Umständen seinen Häschern entkommen und sich in seiner Heimat bis zum Kriegsende versteckt halten. Zunächst nahm ihn die Familie Kurre in Schwichteler auf, dann wurde er von September 1944 bis zum Einmarsch der Alliierten Truppen im April 1945 bei der Familie Trumme in Handorf bei Holdorf versteckt. Sein Steckbrief lautete:

„Sucht den Provinzial des Dominikanerordens Josef Siemer, genannt Pater Laurentius, der sich führend an der Vorbereitung des Attentats auf den Führer vom 20. Juli 1944 beteiligt hat. Es gelang ihm, unmittelbar vor der Verhaftung zu entfliehen.“

Siemer gab zusammen mit seinem Mitbruder Eberhard Welty ab 1946 die Zeitschrift Die neue Ordnung heraus und versuchte vergeblich, wie auch Jakob Kaiser, Walter Dirks und andere, maßgeblichen Einfluss auf das Programm der neuen christlichen Partei dahin zu nehmen, dass Christentum und Sozialismus miteinander versöhnt würden. Als Namen für die dann CDU genannte neue Partei schlug er „Christlich-Sozialistische Union“ vor.

Von seiner Tätigkeit im Widerstand gegen Hitler hat Siemer selten gesprochen; da er sich als Vertreter einer überstaatlichen Macht sah, hielt er Widerstand gegen Hitler für selbstverständlich.

Nach seiner Tätigkeit als Provinzial der Dominikaner war Siemer Mitbegründer und Generalsekretär (bis 1951) der Katholische Akademikerarbeit Deutschlands.

Ab 1950 wurde Siemer durch zahlreiche Radio-Vorträge und Fernsehansprachen bekannt, die auch als Buch („So sind wir Menschen“) veröffentlicht wurden. Am 21. Oktober 1956 starb Siemer plötzlich an Herzversagen, für das Jahr 1957 war er von der Aachener Karnevalsgesellschaft als Ritter des Ordens wider den tierischen Ernst ausersehen gewesen.

Siemer erhielt ein Großes Bundesverdienstkreuz und Ehrenmitgliedschaften verschiedener katholischer Verbindungen im KV, CV und UV.

Werke

  • So sind wir Menschen (1957)
  • Aufzeichnungen und Briefe (1958) Frankfurt/M

Literatur

  • Wolfgang Ockenfels: Zeitgeschichte in Lebensbildern Band V Mainz 1982, S. 147–160.
  • Johannes Schroers in: Biographisches Lexikon des KV Band 1 Seiten 97 ff (1991) ISBN 3-923621-55-8.
  • Hans Friedl u.a. (Hrsg.): Biographisches Handbuch zur Geschichte des Landes Oldenburg (im Auftrag der Oldenburgischen Landschaft). Oldenburg: Isensee, 1992. ISBN 3-89442-135-5 (Artikel „Siemer, Joeseph“. S. 673 ff.) Online: (PDF)
  • Vera Bücker: Der Kölner Kreis und seine Konzeption für ein Deutschland nach Hitler in Historisch-politische Mitteilungen 2 (1995) Seiten 49 ff.
  • Antonia Leugers: Gegen eine Mauer bischöflichen Schweigens. Der Ausschuß für Ordensangelegenheiten und seine Widerstandskonzeption 1941 – 1945 Frankfurt am Main 1996.
  • Rainer Maria Groothuis: Im Dienste einer überstaatlichen Macht – Die deutschen Dominikaner unter der NS-Diktatur. Verlag Regensberg Münster 2002, ISBN 3-7923-0754-5, S. 301-316 sowie 361-405.
  • Michael Hirschfeld / Anna Maria Zumholz: Oldenburgs Priester unter NS-Terror 1932–1945. Herrschaftsalltag in Milieu und Diaspora. Münster. Aschendorff-Verlag 2006. S. 572–591. ISBN 3-402-02492-6.
  • Wolfgang Ockenfels: Das hohe C: Wohin steuert die CDU?, Sankt Ulrich Verlag Augsburg 2009, insb. S. 49 ff.
  • Elias H. Füllenbach: Zur Geschichte des Ordens im 19. und 20. Jahrhundert, in: Mehr als Schwarz und Weiß. 800 Jahre Dominikanerorden, hrsg. von dems. Pustet Verlag. Regensburg 2016, S. 147-165.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Ockenfels: Zeitgeschichte in Lebensbildern Band V Mainz 1982, S. 147–160