Metrisches Differential

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Das metrische Differential ist ein Ersatz für den Ableitungsbegriff für Abbildungen in metrische Räume. Es wurde 1994 vom deutschen Mathematiker Bernd Kirchheim in einem Aufsatz über die Regularität von Hausdorff-Maßen eingeführt.[1] Die Hauptanwendung des metrischen Differentials besteht in der Verallgemeinerung des Satzes von Rademacher von Funktionen zwischen euklidischen Räumen auf solche in allgemeine metrische Räume.

Motivation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Euklidische Räume tragen neben ihrer metrischen Struktur zusätzlich eine lineare. Deshalb ist es möglich, für eine Funktion zwischen euklidischen Räumen lokale lineare Näherungen zu betrachten. Existiert für eine Stelle des Definitionsbereiches eine beste solche Näherung, so heißt die Funktion dort (total) differenzierbar und die entsprechende lineare Funktion wird Ableitung oder Differential an dieser Stelle genannt. Einschränkend lässt sich auch die Ableitung in eine bestimmte Richtung betrachten. Für Abbildungen in allgemeine metrische Räume lassen sich solche Aussagen zunächst nicht treffen, da die besagte lineare Struktur fehlt. Das metrische Differential dient nun dazu, diese Begriffe im Sinne einer besten isometrischen Näherung auf die letztgenannten Abbildungen zu übertragen.

Definition[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sei im Weiteren eine Funktion von einem euklidischen Raum in einen metrischen Raum und ein Punkt. Setze nun

für einen Vektor , falls dieser Grenzwert existiert. In diesem Falle heiße an der Stelle in Richtung metrisch differenzierbar und heiße das metrische Differential von an der Stelle in Richtung .

Ist sogar eine Funktion auf ganz , so heiße in überhaupt metrisch differenzierbar.

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bezug zur Stetigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wie man es bei einem Differenzierbarkeitsbegriff erwarten kann, gilt folgender Satz.

Ist an der Stelle metrisch differenzierbar, so ist dort auch stetig als Abbildung zwischen metrischen Räumen.

Verallgemeinerung des Fréchet-Differentials[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Fasst man den in natürlicher Weise (durch die euklidische Norm) als einen normierten Raum auf und ist auch die Metrik durch eine Norm induziert, so wird zu einer Funktion zwischen normierten Räumen und lässt sich so auf Fréchet-Differenzierbarkeit überprüfen. In diesem Fall gilt der Satz:

Ist an einer Stelle Fréchet-differenzierbar mit dem Differential , so ist auch metrisch differenzierbar und es gilt weiter für jedes .

Zu beachten ist dabei, dass die Forderung an keine echte Einschränkung ist, denn nach dem Satz von Kunugui lässt sich jeder metrische Raum isometrisch in einen Banachraum einbetten.

Verallgemeinerung des Satzes von Rademacher[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Falls Lipschitz-stetig ist, so ist die Funktion auch fast überall metrisch differenzierbar.

Das heißt, die Punkte, in denen sie nicht differenzierbar ist, bilden eine Nullmenge (bezüglich des Hausdorff-Maßes).

Halbnormeigenschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sei wieder Lipschitz-stetig, dann ist für fast jedes die Abbildung eine Halbnorm auf .

In diesem Fall lässt sich außerdem zeigen:

Für beliebige gilt .

Das heißt, in einer – gegebenenfalls sehr kleinen – Umgebung von ist die beste isometrische Näherung für . Dabei bezeichne die übliche euklidische Metrik auf ; für die Verwendung der „Klein-o-Notation“ siehe auch Landau-Symbole.

Gibt es nun umgekehrt für eine – nun nicht notwendig Lipschitz-stetige – Funktion und eine Stelle eine Halbnorm mit der Eigenschaft für alle , so muss mit identisch sein und ist an dieser Stelle metrisch differenzierbar.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Bernd Kirchheim: Rectifiable metric spaces: Local structure and regularity of the Hausdorff measure. Zitiert nach: Proceedings of the American Mathematical Society: Volume 121, Number 1, May 1994. Abgerufen am 12. Juni 2012