Münster zu Thann
Das Münster zu Thann (eigentlich „Theobalduskirche“, französisch: Collégiale Saint-Thiébaut) ist eine gotische Kirche in der elsässischen Stadt Thann. Sie gilt neben den viel größeren Münstern zu Straßburg und Freiburg im Breisgau als eines der Haupt- und Meisterwerke gotischer Bau- und Ausstattungskunst am Oberrhein.
Geschichte
Die elsässische Kleinstadt Thann wird urkundlich erstmals im Jahr 1290 erwähnt (Stadtrecht 1360). Bereits drei Jahre zuvor aber wird eine Kirche erwähnt, die dem heiligen Theobald (Ubald von Gubbio, gest. 1160), dem Bischof von Gubbio, geweiht war. Von diesem wird in der Kirche eine Fingerreliquie verehrt, die auf wundersame Weise aus Italien in die Vogesen gelangt war.
Mit dem Bau der heutigen Stiftskirche wurde in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts begonnen (südliches Seitenschiff, unterer Teil der Westfassade). 1351 begann der Bau am Chor und am Turm. Um 1400 entstand das Marientympanon über dem Westportal, das, sich an biblische und apokryphe Berichte anlehnend, das Leben der Gottesmutter darstellt. Die Chorweihe fand 1432 statt. Ab ca. 1490 kam der Bau unter Baumeister Remigius Faesch wieder in Gang: Bis zum Jahr 1492 vollendete er das nördliche Seitenschiff, 1495 das Mittelschiff. Den Kirchenturm stellte Faesch 1516 fertig. 1629-31 wurde am südlichen Langhaus die Muttergotteskapelle erbaut. Von 1887 bis 1895 erhielt das Münster Strebepfeilerfialen und bunte Ziegeldächer.
Beschreibung
Das Münster gehört trotz seiner geringen Größe zu den großartigen gotischen Architekturen im Süden des mittelalterlichen Reiches. Aufriss und Gewölbe bieten Beispiele für die Kunstsprache der Hoch- wie der Spätgotik, der triforienlose Innenaufriss des Langhaus-Mittelschiffs ist typisch für den Südwesten des Reiches (vgl. etwa Martinsmünster Colmar, Freiburger Münster, Ulmer Münster).
Einzigartig und eines der beiden Prunkstücke des Münsters ist das 18 Meter hohe und 8 Meter breite Portal an der wohlproportionierten Westfassade: Die beiden eigentlichen Portale mit Archivolten, Gewändefiguren und Tympana werden von einem weiteren und entsprechend größeren Portaltrichter überfangen, der seinerseits drei Archivolten und ein fünfzeiliges Tympanon besitzt. Diese Komposition bietet Raum für 150 skulpturale Szenen, in denen sich etwa 500 einzelne Figuren tummeln. Unmittelbar oberhalb des Portals Christus als Weltenrichter mit Johannes dem Täufer und der Gottesmutter. Im Dachgiebel der Heilige Theobald mit Pilgern. An den Langhausseiten je 4 Strebebögen. Fialen und Figuren 19. Jahrhundert. Das zweite Prunkstück ist der Turm, einer der wenigen mit einem mittelalterlichen Maßwerkhelm (Höhe 22 Meter; spätgotisches Maßwerk; deutliche Nähe zum Basler Münster). Gesamthöhe des Turms 76 Meter; ab 40 Meter Höhe achteckig; offene Treppenspindel in der Südost-Ecke; älteste Glocke von 1467. Im Innern u. a. Sitzfigur des Heiligen Theobald; Winzermadonna um 1510; im Chor Apostelstatuen aus dem 15. Jahrhundert; Hauptaltar von 1845; barocke Wandgemälde von F. Hillenweck; das Chorgestühl (nach 1442) ist eines der schönsten im Elsass und mit einer Vielzahl phantasievoller Details versehen (Restaurierung 1900–1902, Verlängerung nach Osten 1906). Glasgemälde des 15. Jahrhunderts.
Orgel
Die Orgel des Münsters wurde 2001 von dem Orgelbauer Michel Gaillard erbaut, in dem historischen Orgelgehäuse aus dem Jahre 1888, das von dem Orgelbauer Martin Rinckenbach für das damalige Instrument erbaut worden war. Das heutige Orgelwerk lehnt sich an das damalige Rinckenbach-Instrument an, das 42 Register auf drei Manualen und Pedal hatte. Die heutige Orgel hat 49 Register auf vier Manualen und Pedal.[1]
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- Koppeln: II/I, III/I, III/II, IV/I, IV/II, IV/III, I/P, II/P, III/P, IV/P
Literatur
- Ulrike Klugmann: Straßburg - Colmar - Elsaß. (= HB-Kunstführer. 20). 1986, ISBN 3-616-06520-8.
- René Kirner: Das Theobaldusmünster zu Thann. Lyon.
- Assaf Pinkus: The Patron Hidden in the Narrative: Eve and Johanna at St. Theobald in Thann. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte. Jg. 70, Heft 1 (2007), S. 23–54.
- Jürgen Julier: Studien zur spätgotischen Baukunst am Oberrhein. Heidelberg 1978, ISBN 3-533-02715-5.
Einzelnachweise
Weblinks
Koordinaten: 47° 48′ 39″ N, 7° 6′ 6″ O