Pro Asyl

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Pro Asyl
Rechtsform eingetragener Verein
Gründung 1986
Sitz Frankfurt am Main
Umsatz 5.850.676 Euro (2022)
Beschäftigte 36 (2022)
Mitglieder 25.209 (2022)
Website www.proasyl.de

Pro Asyl (Eigenschreibung in Majuskeln) ist eine unabhängige deutsche Menschenrechtsorganisation, die sich für den Schutz und die Rechte verfolgter Menschen in Deutschland und Europa einsetzt. Neben Öffentlichkeits- und politischer Lobbyarbeit, Recherchen und der Unterstützung bundesweiter Initiativgruppen will der Verein Flüchtlinge in ihren Asylverfahren begleiten. In der Bundesarbeitsgemeinschaft Pro Asyl sind Mitarbeiter landesweiter Flüchtlingsräte, Kirchen, Gewerkschaften, Wohlfahrts- und Menschenrechtsorganisationen vertreten.[1] Ende 2014 waren 18.030 Menschen Mitglied des Fördervereins Pro Asyl.[2]

Geschichte

Der Verein wurde 1986 u. a. vom heutigen Ehrenvorsitzenden Jürgen Micksch gegründet, mit dem Ziel, in der Asyldebatte eine Stimme für die Rechte von Flüchtlingen in Deutschland zu etablieren. 1998 wurde der Verein mit dem Bonhoeffer-Preis und 2001 mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnet. Der Verein erhielt im Jahre 2001 als Mitherausgeber des Grundrechte-Reports zusammen mit anderen Bürger- und Menschenrechtsorganisationen eine Theodor-Heuss-Medaille.

2010 erhielt der Verein den Göttinger Friedenspreis. Gewürdigt wurde die Kampagne Stoppt das Sterben, mit der der Verein darauf aufmerksam machte, dass jedes Jahr viele Flüchtlinge bei dem Versuch sterben, Europa zu erreichen. Der Verein wurde 2011 mit dem Sonderpreis zum Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis ausgezeichnet „für ihr Engagement zum Schutz verfolgter Menschen in Deutschland und Europa, auch hier im Hinblick auf die Flüchtlingsströme aus Nordafrika nach Europa.“

Projekte und Kampagnen

Bleiberechtskampagne

Ein Schwerpunkt des Vereins ist seit 2003 die Kampagne „Hier geblieben – Recht auf Bleiberecht.“[3] Dabei geht es um Menschen, die in Deutschland leben und integriert sind, jedoch rechtlich nur geduldet werden und von Abschiebung bedroht sind. Das Zuwanderungsgesetz konnte dieses Problem nach Auffassung des Vereins nur teilweise lösen.

Einige Organisationen unterstützen den Verein in der Forderung nach einer großzügigeren Bleiberechtsregelung. Basisinitiativen haben die Kampagne in die Bundesländer und Kommunen getragen. Der Verein hat dafür Plakate, Flugblätter und eine Hintergrundbroschüre erarbeitet. Es fanden hierzu Podiumsdiskussionen, Demonstrationen, Theateraufführungen und Filmvorführungen statt.

Europäische Flüchtlingspolitik

Die zum Teil militärische Aufrüstung an den EU-Außengrenzen, der Druck auf ärmere Grenzländer, die Brutalisierungstendenzen im Umgang mit Migranten und ein fehlendes gemeinsames europäisches Asylrecht verhindern nach Ansicht des Vereins, dass Flüchtlinge in Europa Schutz finden.[4]

Gemeinsam mit europäischen Partnerorganisationen recherchiert der Verein vor Ort zur Situation von Flüchtlingen an den EU-Außengrenzen in Griechenland, Spanien, Italien und Ungarn und macht die Ergebnisse in Dokumentationen öffentlich. Auf politischer Ebene setzt sich der Verein für humane Aufnahmebedingungen für Migranten und die Einhaltung menschenrechtlicher Standards in Europa ein. Ein Beispiel hierfür ist der aktuelle Aufruf „Stoppt das Sterben im Mittelmeer!“

Besonders aktiv ist der Verein im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise in Europa 2015, speziell im Zusammenhang mit den Gesetzgebungsverschärfungen zum deutschen Asylrecht vom 1. November 2015.

Die kritische Beobachtung der europäischen Flüchtlingspolitik allgemein und die Einmischung in aktuelle politische Debatten gehören ebenfalls zu den Tätigkeiten des Vereins. Gemeinsam mit 74 Partnerorganisationen aus 29 europäischen Ländern engagiert sich der Verein im European Council on Refugees and Exiles in Brüssel.

Finanzierung

Der gemeinnützige Verein finanziert sich aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden.

Pro Asyl e.V.

Vorstand

  • Vorsitzender: Andreas Lipsch, Frankfurt/M.[5]
  • Stellv. Vorsitzender: Hubert Heinhold, Rechtsanwalt, München[6]
  • Schatzmeister: Andreas Schwantner, Neu-Isenburg[7]
  • Geschäftsführer: Günter Burkhardt[5]

Grundsätzliches

Der Verein ist im Sinne seines Mottos „Der Einzelfall zählt“ in seinen Stellungnahmen grundsätzlich gegen pauschale Einschränkungen des Asylrechts, z. B. gegen pauschale Charakterisierungen bzw. Unterscheidungen von sog. Wirtschafts- und politisch verfolgten Flüchtlingen sowie gegen die pauschale Benennung sog. sicherer Herkunftsstaaten.

Stiftung Pro Asyl

Stiftung Pro Asyl
Bestehen seit 2002
Sitz Frankfurt am Main
Zweck
Vorsitz Andreas Lipsch, Vorsitzender des Stiftungsrates
Geschäftsführung Günter Burkhardt, geschäftsführender Vorstand
Website www.proasyl.de/de/ueber-uns/stiftung
kein Stifter angegeben
kein Zweck angegeben

Im Jahr 2002 wurde die Stiftung Pro Asyl (Eigenschreibung in Majuskeln) als zusätzliche eigenständige Einrichtung gegründet. Sie übernimmt langfristige Aufgaben, die die Arbeit des Fördervereins Pro Asyl e.V. ergänzen. Die Ziele der Stiftung mit Sitz in Frankfurt am Main werden schrittweise in Projekten umgesetzt.

Menschenrechtspreis

Die Stiftung verleiht den Menschenrechtspreis „PRO-ASYL-Hand“. Mit dem Preis werden Menschen und Initiativen für ihr besonderes Engagement für Migranten an den europäischen Außengrenzen ausgezeichnet.

Erstmals wurde der Preis im Jahr 2006 anlässlich des 20. Jahrestags der Vereinsgründung verliehen und ging an Stefan Schmidt, Kapitän der Cap Anamur, der im Jahr 2004 Flüchtlinge in Seenot aufnahm und dafür von den italienischen Behörden vor Gericht gestellt wurde, und an Ferenc Köszeg, der sich seit vielen Jahren in Ungarn, Polen und der Ukraine für Menschen- und Flüchtlingsrechte engagiert.[8]

Im Jahr 2007 wurde der Menschenrechtspreis an José Palazón Osma und Maite Echarte Mellado von der Kinderrechtsorganisation PRODEIN für ihren Einsatz für Flüchtlingskinder in der spanischen Exklave Melilla verliehen.[9]

2008 hat die Stiftung ihren Menschenrechtspreis an die Athener Rechtsanwältin Marianna Tzeferakou verliehen. Sie wurde auch stellvertretend für die Group of Lawyers (Griechische Anwaltsvereinigung für die Rechte von Flüchtlingen und Migranten) sowie die Solidaritätsgruppen auf Chios, Samos und Lesbos für ihren Einsatz für Migranten an der europäischen Außengrenze sowie den griechischen Haftlagern ausgezeichnet.[10]

2009 wurde der Preis an Nissrin Ali und Felleke Bahiru Kum verliehen. Die selbst zum Leben in Gemeinschaftsunterkünften gezwungenen Flüchtlinge setzten sich für die Achtung der Menschenwürde von Flüchtlingen und die Abschaffung des Wohnens in Gemeinschaftsunterkünften ein und stießen damit eine viel beachtete politische Debatte in Bayern an.[11]

2010 wurde der italienische Journalist Gabriele del Grande, der seit Jahren Menschenrechtsverletzungen an den Grenzen Europas dokumentiert, mit dem Preis geehrt.[12]

2011 wurde Julia Kümmel der Preis verliehen.[13] 2003 hatte sie am Frankfurter Flughafen Flugblätter verteilt, die sich gegen die Abschiebung eines Irakers nach Griechenland richteten. Die Fraport AG, die Betreiberfirma des Flughafens, erteilte ihr daraufhin ein Hausverbot und drohte ihr mit einem Strafantrag wegen Hausfriedensbruch. Kümmel klagte dagegen bis vor das Bundesverfassungsgericht, das im Februar 2011 entschied, dass deutsche Flughäfen keine grundrechtsfreien Räume sind. Mit ihrem Engagement hat Kümmel erstritten, dass an Deutschlands Flughäfen demonstriert werden darf.

Im Jahr 2012 ging der Preis an die aus Eritrea stammende Gergishu Yohannes. Ihr Bruder starb mit 76 anderen Bootsflüchtlingen im Mittelmeer. Yohannes brachte daraufhin rund 1300 Angehörige in einer Interessengemeinschaft zusammen und erstattete in deren Auftrag Anzeige gegen den italienischen Staat wegen unterlassener Hilfeleistung mit Todesfolge.

2013 wurde das Ehepaar Luise und Gerjet Harms mit dem Menschenrechtspreis ausgezeichnet – stellvertretend für alle, die sich für die Rückkehr von Gazale Samale und ihrer Kinder nach Deutschland eingesetzt haben. Durch ihr Engagement konnte die Familie acht Jahre nach der Abschiebung wieder vereint werden.[14]

2014 erhielt Fabrizio Gatti die Auszeichnung für die Aufdeckung, dass 260 libysche Bootsflüchtlinge am 11. Oktober 2013 starben, weil italienische Behörden deren Seenotruf mehrere Stunden lang ignoriert hatten.

Im Jahr 2015 wurde der US-Deserteur André Shepherd mit dem Preis bedacht. André Shepherd entzog sich seinem Dienst in der US-Armee, um nicht nochmals im Irak-Krieg eingesetzt zu werden, und stellte 2008 in Deutschland einen Asylantrag, der abgelehnt wurde. Danach klagte er bei verschiedenen deutschen und europäischen Instanzen, um auch über seinen Fall hinaus klarzustellen, dass alle Soldaten, die sich durch Desertion völkerrechtswidrigen Handlungen entziehen, ein Anrecht auf Schutz haben.[15] Mit Urteil vom 26. Februar 2015[16] entschied der EuGH, dass zwar auch ein Deserteur aus einem Drittland mit lediglich unterstützender Funktion Asyl haben könne, wenn die Wahrscheinlichkeit künftiger Kriegsverbrechen hoch ist. Der Flüchtlingsschutz sei hingegen ausgeschlossen, wenn der Antragsteller sich nicht vorrangig um die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer bemüht hat, es sei denn, ihm stand kein derartiges Verfahren zur Verfügung.[17]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Bundesarbeitsgemeinschaft Pro Asyl
  2. Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen TB1415.
  3. Broschüre zur Kampagne „Hier geblieben – Recht auf Bleiberecht.“ (PDF)
  4. Themenbereich EU-Politik
  5. a b Impressum, proasyl.de
  6. Inga Rahmsdorf: Asylverfahren – Ausgefragt und abgeschoben, sueddeutsche.de, 15. Juni 2010, abgerufen am 25. September 2016
  7. Rückblick 2011, am-spiegelgasse.de
  8. Preisträger 2006, Pro-Asyl-Website
  9. Preisträger 2007, Pro-Asyl-Website
  10. Preisträgerin 2008, Pro-Asyl-Website
  11. Preisträger 2009, Pro-Asyl-Website
  12. Preisträger 2010, Pro-Asyl-Website
  13. Mitteilung der Preisträgerin 2011, Pro-Asyl-Website
  14. Preisträger 2013, Pro-Asyl-Website
  15. Stiftung Pro Asyl: André Shepherd erhält Menschenrechtspreis, proasyl.de, 25. August 2015, abgerufen am 25. September 2016
  16. Urteil des Gerichtshofes (Zweite Kammer) vom 26. Februar 2015: Andre Lawrence Shepherd gegen Bundesrepublik Deutschland, Rechtssache C-472/13, ECLI:EU:C:2015:117 (curia.europa.eu).
  17. EuGH: Hohe Anforderungen an Asylanspruch eines Deserteurs der US-Streitkräfte, Beck Online, 26. Februar 2015.