Quod licet Iovi, non licet bovi

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Jupiter: Mächtigster der Götter (römische Kamee im Louvre)
Ochsen im Gespann: Arbeitssklaven des Menschen

Quod licet Iovi, non licet bovi (Iovi, geschrieben auch Jovi und gesprochen Jovi, deutsch: „Was dem Jupiter erlaubt ist, ist dem Ochsen nicht erlaubt“) ist ein lateinischer Spruch nicht nachweisbarer Herkunft. Möglicherweise wurde ein Zitat von Terenz – „Aliis si licet, tibi non licet.“ („Wenn es anderen erlaubt ist, so doch nicht dir.“ – Heauton timorumenos 797) – erst in mittelalterlicher Zeit in die Form eines Binnenreims gebracht. Ein solcher war in der Antike kein bekanntes Stilmittel.

Eine sachgerechte Deutung und Anwendung dieses Spruchs, von dem der Kontext nicht bekannt ist, muss in Wort und Bild des Vergleichs bleiben und darf sich keine assoziativen Abschweifungen erlauben. Unter Berücksichtigung jedes Wortes und des Vergleichspunkts lässt die metaphorische Aussage des Spruchs auf unterschiedlichen Ebenen verschiedene Interpretationen zu.

Ausgangspunkte

Die im Vergleich stehenden Gestalten sind einerseits Jupiter, der höchstrangige römische Gott, Göttervater, bekränzt als Herrscher des Olymp, Insignie seiner Machtfülle und Autorität. Ihm gegenübergestellt wird der Stier oder Ochse, ein namenloses Tier, Sklave in Frondiensten des Menschen, von ihm abhängig, gekennzeichnet durch das Eingespanntsein in ein beengendes Joch. Die Gegenüberstellung der beiden spricht die aus ihrem jeweiligen Status resultierenden unterschiedlichen Befugnisse an (licet/non licet). Die Betonung liegt dabei auf den im Vergleich minderen Befugnissen des Ochsen. In der deutschen Übersetzung erfolgt noch eine Verschärfung des Kontrasts durch die in der lateinischen Sprache nicht gegebene Unterscheidung von Stier und Ochse (= bos), wobei dem Ochsen noch eine zusätzliche Abwertung zukommt. Eine zusätzliche Bedeutung kann das Sprichwort dadurch erhalten, indem man an Ovids Geschichte von der Entführung der Europa denkt. Hier verwandelt sich Jupiter in einen Stier, gewinnt das Vertrauen der schönen Europa und entführt sie nach Kreta, wo er sich offenbart. Hätte ein echter Stier diese Tat gewagt, wäre er zweifellos geschlachtet worden, bei einem Gott ist es eine Heldentat.

Vergleichsebenen

Der bildhafte Vergleich kann auf verschiedenen Ebenen zur Anwendung kommen, etwa:

Altersunterschied

  • Erwachsener versus Kind oder Jugendlicher: Minderjährigen wird der Genuss von Alkohol oder bestimmter Filme aus Jugendschutzgründen verweigert.
  • Vater versus Sohn: Rechtsverbindliche Vertragsabschlüsse setzen Volljährigkeit voraus.

Statusunterschied

Kompetenzunterschied

  • Geprüfter LKW-Fahrer versus führerscheinloser Jugendlicher: Nur mit Kompetenznachweis (= Führerschein) ist das Autofahren zulässig, ohne nicht.
  • Lizenzierter Pilot versus Fluggast: Die Erlaubnis zum Führen eines Luftfahrzeugs setzt eine entsprechende Ausbildung und Prüfung (= Kompetenz) voraus, die der Fluggast nicht besitzt.
  • Abenteuerexperte versus Büromensch: Was der Experte sich an Wagnis leisten kann, ist dem Büromenschen verwehrt: Unerfahrenheit verbietet das Eingehen eines hohen Risikos.

Interpretation

Da in der Übertragung der Metapher auf die Alltagsebene (etwa auf das Verhältnis von Vater und Sohn oder von Lehrer und Schüler) der Vater oder Lehrer sich nicht ernsthaft als Jupiter sehen wird ohne (zumindest von außen) Spott auf sich zu ziehen, und er andererseits den Sohn oder Schüler nicht ernsthaft als Ochsen verunglimpfen will und darf, kann die Verwendung des lateinischen Spruchs im familiären oder schulischen Umgang nur als ein scherzhafter Vergleich mit einer hohen Portion Selbstironie verstanden werden, zumindest für den unbeteiligten Außenstehenden.

Dem Spruch mit dem scharfen Kontrast von Gott Jupiter und Tier Ochse kommt daher umgangssprachlich eher eine scherzhafte Bedeutung zu, beispielsweise in der Form, dass Erwachsene mit dem Satz unter Umgehung einer stichhaltigen Begründung Kindern nicht erlauben wollen, was sie sich selbst erlauben: ein spätes Zubettgehen, Alkoholkonsum, das Rauchen oder das Anschauen bestimmter Filme. Darüber hinaus wird der lateinische Spruch aber auch dazu benutzt, um Ungleichheit in der gesellschaftlichen Stellung und damit verbundene Privilegien oder sachlich begründete Kompetenzunterschiede zu akzentuieren.

Literatur

  • Der Neue Herder, Von A bis Z, Zweiter Halbband: M bis Z, Freiburg im Breisgau 1949 (Herder Verlag), Spalte 3453, dort der Artikel „Quod licet Iovi, non licet bovi“

Weblinks

Wiktionary: Quod licet Iovi, non licet bovi – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen