Reichsjugend

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Unter der Bezeichnung Reichsjugend wurden von der 1952 verbotenen Sozialistischen Reichspartei (SRP) und von der Deutsche Reichspartei (DRP) versucht Jugendorganisationen zu etablieren.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Reichsjugend Matthaei[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Pläne zum Aufbau einer „Deutsche Sozialistische Reichsjugend“ als Jugendorganisation der Sozialistische Reichspartei (SRP) wurden gleich nach der Gründung der SRP 1949 vorgelegt. Im Januar 1950 wurden die Pläne forciert, jedoch konnte der von der Parteileitung ernannte Jugendreferent Walter Matthaei erst im Juni 1950 die Richtlinien für die Organisation „Reichsjugend“ vorlegen. Bis Ende 1950 wurde die Reichsjugend als „selbstständige“ Organisation aufgezogen und gliederte sich in „Hundertschaften“, „Züge“, in „Jungenschaften“ und Mädel-„Gruppen“, -„Scharen“ sowie „Mädelschaften“ für Jugendliche im Alter von 14 bis 18 und von 18 bis 21 Jahren. Die oberste Instanz war „Reichsjugendführer“ Walter Matthaei.[1]

Ein Antrag auf Aufnahme in den Deutschen Bundesjugendring wurde im Herbst 1951 nicht behandelt.[2] Ebenfalls im Herbst 1951 trennte sich die Reichsjugend nach parteiinternen Auseinandersetzungen ihres Führers Matthaei von der Sozialistischen Reichspartei.[3]

Trotz der zuvor erfolgten Trennung von der Partei, wurde am 23. Oktober 1952 die Reichsjugend als Teilorganisation der Sozialistischen Reichspartei durch das Bundesverfassungsgericht verboten.[3] Nach dem Verbot schlossen sich am 2. Dezember 1952 die Restgruppen der Reichsjugend um Matthaei mit dem Vaterländischen Jugendbund und Teilen der Deutschen Unitarier-Jugend zur 1994 ebenfalls verbotenen Wiking-Jugend zusammen. Matthaei selbst wurde 1954 als Bundesjugendführer wegen sexueller Verfehlungen aus der WJ ausgeschlossen. Als Nachfolger wählte der WJ-Bundesthing Raoul Nahrath.[4]

Reichsjugend Münchow[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine weitere Reichsjugend als Jugendorganisation der Deutschen Reichspartei (DRP) wurde im Mai 1950 vom Mitglied der DRP Herbert Münchow (* 1911) in Flensburg gegründet. Allerdings wurde er bereits im Dezember 1950 aus der DRP ausgeschlossen und als „Reichsjugendführer“ seiner eigenen Organisation abgesetzt, nachdem bekannt wurde, dass er im Dritten Reich eine Gefängnisstrafe wegen Sittlichkeitsvergehen verbüßt hatte.[5] Münchow war vor 1933 Mitglied im Bismarkbund und Bismark-Orden, trat 1931 in die Hitlerjugend, dort als Bezirksleiter Jungvolk und 1932 in die SA ein. Bei der HJ war Münchow naher Mitarbeiter von Baldur von Schirach. Nach dem Krieg war er 1949 die rechte Hand von Wolfgang Hedler und trat mit ihm in die DRP ein.[6][7]

Nach seinem Ausschluss gründete Münchow die „Deutsche Reichsjugend“ (DRJ), deren Aktivitäten sich zunächst auf dem Raum Flensburg beschränkten.[8] Anfang 1951 baute Peter Wegener die Reichjugend im Köln-Bonner Raum auf und avancierte 1952 zum Führer des „Bereichs Rheinland“ der DRJ und wurde zum „Stellvertretenden Führer“ Münchows ernannt.[9] Peter Wegener gehörte 1940 bis 1945 der HJ Organisation Deutsches Jungvolk an.[7]

Münchow wurde innerhalb seiner DRJ Ende 1953 aufgrund einer Mitarbeit im „osthörigen“ und SED finanzierten Soldatenvereinigung „Führungsring ehemaliger Soldaten“ entmachtet.[6] Seine politische Karriere endete im März 1958, als er wegen Unzucht mit männlichen Jugendlichen in 15 Fällen zu viereinhalb Jahren Zuchthaus und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt wurde.[8]

Peter Wegners verbliebene Reichsjugend wurde 1956 in Nordrhein-Westfalen verboten. Wegner war zudem ebenfalls mehrfach straffällig gewesen (unter anderem Diebstahl).[8]

Reichjugend Höller[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der Absetzung von Münchow startete DRP-Mitglied Alfons-Höller aus Duisburg einen weiteren Versuch ene DRP Jugendorganisation zu etablieren. Seine Reichsjugend mit 750 Mitgliedern war nur in Nordrhein-Westfalen aktiv und wurde am 8. Juni 1957 vom nordrheinwestfälischen Innenminister verboten.

Höller war vorher 1952 Führer der SRP-Suborganisation „Deutsche Jugend“ (HDJ), zeitweise Funktionär im „Deutschen Jugendbund Kyffhäuser“ und Schriftleiter von dessen Zeitschrift „Junge Kameradschaft“. 1961 schloss er sich dem „Bund Vaterländischer Jugend“ (BVJ) an.[8][5]

Aufbau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts wurde die Reichsjugend nach dem Vorbild der Hitlerjugend aufgebaut, auch die Uniformen hätten mit Ausnahme der Hemdfarbe dem Vorbild der HJ entsprochen.[3]

Die Reichsjugend richtete sich an Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 21 Jahren, bis Mitte 1951 sollten ältere Mitglieder in die Reichsfront, den Ordnungsdienst der Sozialistischen Reichspartei, wechseln, nach der Trennung von der Mutterpartei gründete Matthaei stattdessen den Reichsorden.[10]

Mitte 1951 existierten Gruppen der Reichsjugend hauptsächlich in ländlichen Regionen der Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein, die Mitgliederzahl war wegen des geringen Organisationsgrades der Reichsjugend unbekannt. Die Mitglieder kamen zu diesem Zeitpunkt nach Selbstauskunft der Reichsjugend aus allen Gesellschaftsschichten.[11] Das Führungspersonal rekrutierte sich zum Zeitpunkt des Verbots unter anderem aus 700 Hitlerjugend-Führern.[12]

Inhalte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hauptziel der Reichsjugend war – wie schon in der Hitlerjugend – die ideologische Schulung ihrer Mitglieder entsprechend dem nationalsozialistisch geprägten Parteiprogramm der Sozialistischen Reichspartei. Ergänzt wurde dies durch ebenfalls aus der Hitlerjugend übernommene Programmelemente wie Zeltlager oder Volkstanz. Daneben beteiligte sich die Reichsjugend an Veranstaltungen der Mutterpartei und an antikommunistischen Kundgebungen.

Weitere gleichnamige Organisationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Bezeichnung Reichsjugend wurde mehrfach von anderen rechtsextremen Jugendorganisationen aufgegriffen:

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Otto Büsch, Peter Furth, Rechtsradikalismus im Nachkriegsdeutschland: Studien über die „Sozialistische Reichspartei“ (SRP), Springer 2013, S. 143
  2. Warum defensiv? In: Aufwärts: Jugendzeitschrift des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Band 4, Nr. 25/26, 13. Dezember 1951 (online [abgerufen am 6. September 2008]).
  3. a b c Entscheidung BVerfGE 2, 1 – SRP-Verbot.
  4. Peter Dudek, Hans-Gerd Jaschke, Entstehung und Entwicklung des Rechtsextremismus in der Bundesrepublik, Westdeutscher Verlag 1984, S. 135
  5. a b Peter Dudek, Hans-Gerd Jaschke, Entstehung und Entwicklung des Rechtsextremismus in der Bundesrepublik, Westdeutscher Verlag 1984, S. 251.
  6. a b Oliver Sowinski, Die Deutsche Reichspartei 1950-1965, P. Lang, 1998, S. 159.
  7. a b Michael Lausberg, Die extreme Rechte in Nordrhein-Westfalen 1946-1971, Tectum Verlag 2012, S. 191.
  8. a b c d Peter Dudek, Hans-Gerd Jaschke, Entstehung und Entwicklung des Rechtsextremismus in der Bundesrepublik, Westdeutscher Verlag 1984, S. 136
  9. Michael Lausberg, Die extreme Rechte in Nordrhein-Westfalen 1946-1971, Tectum Verlag 2012, S. 192.
  10. Für Jugendliche über 21 Jahre. In: Der Spiegel. Nr. 40, 1951, S. 44 (online).
  11. Paul Hühnerfeld: Was aber denken die Jungen? In: Die Zeit, Nr. 24/1951
  12. Peter Brügge: Rechts ab zum Vaterland. In: Der Spiegel. Nr. 24, 1967, S. 105 (online).
  13. Stramme Haltung in neuer Uniform. In: Sozialdemokratischer Pressedienst. Nr. 95, 24. April 1951, S. 4 (PDF).
  14. Benno Hafeneger, Michael Buddrus: Militärische Arziehung in Ost und West. Band 4. Nachkriegszeit und fünfziger Jahre. Brandes & Apsel, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-86099-242-2, S. 70 ff.