Romulus Augustulus

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Tremissis des Romulus Augustulus; 475/76

Romulus Augustulus (eigentlich Romulus Augustus;[1] * um 460; † nach 476) war der letzte Kaiser des Weströmischen Reiches, der in Italien herrschte. Letzter vom Oströmischen Reich anerkannter Kaiser war jedoch sein Vorgänger Julius Nepos.

Leben

Romulus war nach seinem Großvater mütterlicherseits, dem weströmischen comes Romulus, benannt. Er war noch ein Kind, als ihn sein Vater, der magister militum per Italiam Orestes, am 31. Oktober des Jahres 475 von den Truppen zum Kaiser ausrufen ließ. Sein offizieller Name und Titel auf den für ihn geprägten Münzen lautete: D(ominus) N(oster) ROMVLVS A(V)GVSTVS P(ius) F(elix) AVG(ustus) = Unser Herr Romulus Augustus, der Fromme, Glückliche, Erhabene. Dabei ist das erste „Augustus“ als sein Name und das zweite als sein Titel zu verstehen. Wegen seiner jungen Jahre und seiner Bedeutungslosigkeit wurde der junge Kaiser von der politischen Opposition mit den Spottnamen „Augustulus“ („das Kaiserlein“) und „Momyllus“ („der kleine Schandfleck“) bedacht.

Romulus war viel zu jung und unerfahren, um das weströmische Reich selbst zu regieren. Er war die ganze Zeit seiner Regierung nur eine Marionette, deren Fäden Orestes in den Händen hielt. Dieser hatte bemerkenswerterweise darauf verzichtet, selbst Kaiser zu werden, da ihm der Posten des Armeekommandeurs offensichtlich inzwischen wichtiger als der Thron erschien. Gegen Orestes und Romulus stand jedoch noch Julius Nepos, der weströmische Kaiser, der kurz vor der Ausrufung Romulus’ zum Kaiser aus Rom nach Dalmatien verbannt worden war. Von dieser Provinz aus übte Nepos jedoch noch großen Einfluss auf das Reich aus, mehr als Orestes oder Romulus, denn im Unterschied zu Romulus wurde er vom oströmischen Kaiser offiziell anerkannt.

Die Krise, die das weströmische Reich zu seinem Ende führte, hatte schon Jahrzehnte zuvor begonnen. Die um 375 beginnende Völkerwanderung hatte dazu geführt, dass germanische Völker vor den einfallenden Hunnen auf römisches Gebiet geflohen waren und dort schließlich eigene Reiche errichtet hatten. Die Hunnen waren eine Bedrohung geblieben, denn sie hatten auch das römische Reich selbst angegriffen. Die Römer mussten Germanen in ihr eigenes Heer aufnehmen, um der Übermacht trotzen zu können, womit die Römer mehr und mehr von ihren germanischen Söldnern abhängig wurden (siehe Spätantike).

Westrom war im Verlauf des 5. Jahrhunderts zunehmend zu einem von (römischen ebenso wie „barbarischen“) Generälen beherrschten Staat geworden, in dem die zivile Verwaltung und der Kaiser kaum noch reale Macht besaßen. Als nun nach dem Putsch des Generals Orestes dessen germanische foederati Land in Italien forderten und Orestes ihnen dies verweigerte, kam es am 23. August 476 zur offenen Rebellion. Orestes wurde fünf Tage später geschlagen und getötet. Anführer der Rebellen war der hohe Offizier Odoaker, Sohn des Edekon, der im Dienste des Hunnenkönigs Attila gestanden hatte, und einer Skirin; Odoaker hatte schon unter Ricimer gedient. Er setzte Romulus ab, verbannte ihn aus Ravenna auf ein Landgut bei Neapel (castellum Lucullanum) und übersandte die Kaiserinsignien nach Ostrom mit der Bemerkung, man brauche in Italien keinen eigenen Augustus mehr, sondern unterstelle sich dem Kaiser in Konstantinopel. Da das weströmische Kaisertum erloschen war, ging von Romulus – anders als bei früheren gestürzten Kaisern – keine Gefahr aus. Er erhielt fortan eine jährliche Pension von 6.000 solidi. Wann er starb, ist unbekannt. Cassiodor berichtet in seinen Variae über eine Schenkung Theoderichs des Großen an einen Romulus (zwischen 507 und 510);[2] es ist jedoch unklar, ob es sich dabei um Romulus Augustulus handelt.

Das Ende Westroms

„Westrom“ und „Ostrom“ im Jahre 476

Nach Absetzung des Romulus ließ Odoaker sich von seinen (überwiegend germanischen) Soldaten zum König von Italien (lat: rex Italiae) ausrufen und wurde vom oströmischen Kaiser Zenon zunächst de facto als Regent anerkannt. Zwar übte Julius Nepos, den Zenon nach wie vor offiziell als Kaiser des Westens betrachtete, von Dalmatien aus immer noch Einfluss auf das Reich aus, doch wurde er im Jahr 480 ermordet, und Odoaker hatte nun die alleinige Herrschaft über Italien inne. Erst 488 kam es zum Bruch mit Zenon.

Die Absetzung 476 besiegelte den Untergang des Römischen Reiches im Westen, wie Marcellinus Comes 40 Jahre später vermerkte, auch wenn es nicht das Ende der Antike war, wie in der älteren Forschung oft angenommen wurde (vgl. Spätantike). Entscheidend war dabei, dass es Odoaker nicht mehr für nötig befunden hatte, einen (Marionetten)-Herrscher einzusetzen (seine Vorgänger, wie besonders Ricimer, waren noch so verfahren), sondern das Amt des Westkaisers faktisch abgeschafft hatte, was sich in zwei Dingen äußerte: Zum einen in dem Umstand, dass er Romulus leben ließ, zum anderen durch die Übersendung der Insignien des weströmischen Kaisertums (die ornamenta palatii) nach Konstantinopel. Gegenüber Zenon stellten Odoakers Gesandte laut dem Geschichtsschreiber Malchus von Philadelphia ausdrücklich fest, der Westen bedürfe keines eigenen Kaisers mehr, der Augustus im Osten genüge nun für das Gesamtreich.

476 endete daher das weströmische Kaisertum (ob in diesem Jahr auch Westrom endete, ist umstritten). Das Oströmische (oder Byzantinische) Reich hingegen überdauerte die Krise der Völkerwanderung um fast ein Jahrtausend und endete erst 1453 mit der Eroberung durch die Osmanen.

Rezeption

Der letzte Kaiser Roms ist der Hauptakteur der „ungeschichtlichen historischen“ Komödie Romulus der Große von Friedrich Dürrenmatt.

Valerio Massimo Manfredi widmete Romulus Augustulus den Roman L’ultima legione, der im Jahre 2007 unter dem Titel The Last Legion verfilmt wurde.

Literatur

Weblinks

Anmerkungen

  1. Auf Münzen in der Regel AGUSTUS; vgl. Philip Grierson, Melinda Mays: Catalogue of late Roman coins in the Dumbarton Oaks Collection and in the Whittemore Collection. From Arcadius and Honorius to the Accession of Anastasius. Washington 1992, S. 269.
  2. Cassiodor, Variae 3, 35.

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