Sainte-Marie de la Tourette

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Sainte-Marie de La Tourette

Das Kloster Sainte-Marie de La Tourette in Éveux (neben L’Arbresle) bei Lyon wurde 1956 bis 1960 von dem bekannten Architekten Le Corbusier entworfen. Es gilt als einer der zentralen Bauten des Brutalismus.

Baugeschichte

Entstehung

Das Kloster wurde für einen Dominikanerorden errichtet, der 1215 als Predigergemeinschaft gegründet wurde. Der Konvent von Éveux selbst als Ausbildungsstätte des gesamten Dominikanerordens in Frankreich entstand nach dem Krieg und war ursprünglich in einem zum Schloss ausgebauten Landgut einquartiert.

Père Marie-Alain Couturier, der Initiator der „Art Sacré“-Bewegung in Frankreich, empfahl dem Konvent für die Durchführung eines Neubaus Le Corbusier, den er bereits für den Kirchenbau Notre Dame du Haut in Ronchamp vermittelt hatte. Am 14. März 1953 wurde der Architektenvertrag für den Bau des „Couvent d’études“ geschlossen.

Im Dezember 1954 wurde den Auftraggebern das erste Modell vorgestellt. Die Einweihung erfolgte am 19. Oktober 1960, die Bauarbeiten wurden aber erst am 1. Juni 1961 beendet. Die Baukosten beliefen sich im Oktober 1960 insgesamt auf 256,8 Millionen Francs (umgerechnet ca. 3,08 Millionen DM). Ende der sechziger Jahre wurde das Gebäude aufgrund von Nachwuchsmangel in eine Bildungsstätte umfunktioniert.

Denkmalschutz und Weltkulturerbe

Im Januar 2008 ließ Frankreich vierzehn Gebäude und Anlagen von Le Corbusier in die Tentativliste der UNESCO eintragen, darunter auch Sainte-Marie de la Tourette.[1] Ein solches Vorgehen ist Voraussetzung dafür, um zu einem späteren Zeitpunkt die Anerkennung als Welterbestätte zu beantragen. In diesem Falle aber geschah dies zeitgleich: unter Federführung Frankreichs und unter Beteiligung der Fondation Le Corbusier wurden diese vierzehn und zunächst neun Werke Le Corbusiers aus sechs weiteren Ländern unter dem Titel „Das urbanistische und architektonische Werk von Le Corbusier“ (französisch Œuvre urbaine et architecturale de Le Corbusier) für die Aufnahme als Weltkulturerbe nominiert.[2] Trotz zwischenzeitlicher Überarbeitung und Reduzierung auf 19 Objekte fand diese Kandidatur nicht die Mehrheit des Welterbekomitees bei dessen Jahrestagung im Juni 2011.[3] Seit Juli 2016 dann ist das Bauwerk gemeinsam mit anderen bauten Le Corbusiers Weltkulturerbe.

La Tourette steht als Baudenkmal seit 2006 unter Denkmalschutz, im Juli 2016 wurde es gemeinsam mit anderen Bauten Le Corbusiers in das UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen.

Lage und Topographie

Das Kloster der Dominikaner wurde nahe Éveux bei Lyon auf einem ins Tal abfallenden Hanggelände errichtet, das sich zum Tal öffnet. Am 28. Juli 1953 besichtigte Le Corbusier vor Planungsbeginn auf Empfehlung von Père Couturier das romanische Zisterzienserkloster Le Thoronet, das aufgrund seiner Lage an einem abfallenden Hang und des damit verbundenen Niveauunterschiedes des Kreuzganges, der Arkaden und des Kirchengebäudes Vorbild für La Tourette wurde.

Die Baukonstruktion

La Tourette wurde als Stahlbetonskelettbau errichtet. Alle Verblendungen der Zellengeschosse, das Pan de Verre und Ondulatoire bestehen aus vorgefertigten Stahlbetonelementen. Die Fenster sind überwiegend fest verglast. Die Belüftung erfolgt durch mit Klappen verschließbare Lüftungsschlitze, sogenannten Aerateurs. Die Kirchenwände bestehen aus Ortbeton, durch die Struktur der Schaltafeln gegliedert. Die Flachdächer (Toit Jardins) sind mit einer Erdschicht bedeckt und der natürlichen Begrünung überlassen worden.

Disposition der Gebäude

Das Gebäude ist in die natürliche Topographie von umgebenden Wald und Wiesen eingestellt. Mächtige Pilotis tragen die Baukörper. Das Grundschema der Vierflügelanlage bildet ein Rechteck von 66,50 Meter × 47,50 Meter. Das Kirchengebäude vervollständigt den Hauptbaukörper zu einer Vierflügelanlage. Unter den beiden Zimmergeschossen befindet sich die kreuzförmige Klosteranlage mit direkter Verbindung zur Kirche und dem Refektorium. Der in den Innenhof der Vierflügelanlage in Form eines Kreuzes angeordnete Kreuzgang führt zur Kirche aus einfachem Gussbeton ohne jeden Schmuck. Vertikale und horizontale Lichtschlitze und „Lichtkanonen“ belichten vom Scheitelpunkt der Kirche aus den Gottesdienst der Ordensleute und führen das Licht in Krypten mit den Altären für stille Messen. In dem darunter liegenden Geschoss befinden sich die Studiensäle, und darunter die Refektorien. Mit dem Terrain eben die Küchen und Nebenräume.

Raumaufteilung und Geschossgliederung

Der Vierflügelbau wurde ausgehend von dem horizontalen Terrassendach zum Berg hin dreigeschossig und zum Tal fünfgeschossig mit unterschiedlichen Geschosshöhen konzipiert. Horizontal gliedert sich das Gebäude in fünf Fußbodenebenen mit unterschiedlichen Raumhöhen. Aus dem natürlichen abschüssigen Terrain erheben sich die freistehenden Pfeiler, die die Gebäudekörper des Klosters tragen. Die Eingangsebene (das sog. „Niveau 3“ in den Plänen) wird über die auf der Ostseite befindliche Pforte erschlossen. In diesem Geschoss befindet sich die Klosterpforte mit den Besuchszellen, die Aufenthaltsräume der Konversen und Studenten, das Oratorium, die Bibliothek, drei Seminarräume, Aufenthaltsräume der Patres und der angehenden Priester sowie die Kirche. Das darunter befindliche Geschoss enthält im Westflügel den Kapitelsaal und das Refektorium mit Anrichte. Das Atrium mit Kreuzgang ist im Hof der Vierflügelanlage eingestellt und verbindet die Räume miteinander. Im Kirchenschiff befindet sich von Ost nach West: Beichtstuhl, Hochaltar, Chorgestühl und an der Westwand die Orgel. Südlich des Hochaltars an das längsrechteckige Kirchenschiff angebaut die Sakristei und dem Kirchenschiff auf der Nordseite vorgelagert die Krypta mit Seitenaltar. Darunter teilweise höhengleich mit dem Terrain des Hanges das in den Plänen benannte Niveau 4 und 5 mit Aufenthaltsräumen, Vorrats- und Kellerräumen, Küche, Heizung und den beiden Krypten mit Einzelaltären. Über dem Eingangsgeschoss (Niveau 3) befinden sich die beiden oberen Zellengeschosse (Niveau 2 und 1) mit je 50 Wohnzellen. Jeder Flügel eines Geschosses umfasst zwischen 15 und 21 Wohnzellen mit den dazugehörigen Sanitärräumen. Der Zellenraum entspricht einer Höhle, nur der Arbeitsplatz erhält eine glatte reflektierende Wand. Die vertikale Erschließung der Geschosse erfolgt durch die jeweils mittig der Süd-, Ost- und Nordflügel angeordneten Treppenhäuser mit zweiläufigen Podesttreppen. Entsprechend der Raumfunktion sind die Geschosshöhen gestaffelt. Die beiden Zellengeschosse weisen eine Raumhöhe von 2,46 m auf, die Lichte Raumhöhe der Wohnzellen beträgt somit 2,26 Meter. Die Geschosshöhe des Eingangsgeschosses mit Pforte (Niveau 3) beträgt 4,06 Meter und das darunter liegende Geschoss (Niveau 4) staffelt sich je nach Hanggefälle und Funktion von 4,52 bis 5,81 Meter Geschosshöhe.

Ansichten und Dächer

Der Zugang zum Kloster ist auf der Ostseite. Das Portal in den Abmessungen von 2,26 Meter x 2,26 Meter ist Ausgangspunkt der Promenade Architecturale. Die Geschosshöhen des Gebäudes variieren entsprechend ihrer Funktion. Das Kirchenschiff ist eingeschossig und schließt annähernd mit der Dachfläche der anderen Baukörper ab. Nur der Glockenturm überragt die Gebäude. Iannis Xenakis ließ die Fassade in rohem Beton ausführen, entschied sich bei einigen Füllungen zum Einweißen mit Kalk. Die Süd-, West- und Ostfassade wird durch die Waben der Wohnzellen und den nach dem Prinzip des Ondulatoire gestalteten Fassaden der Gemeinschaftsräume gebildet. Im Klosterhof bestehen die Fenster aus großen vom Boden bis zur Decke reichenden verglasten Betonrahmen. Zur Belüftung der Räume sind vertikale Luftschlitze mit drehbaren Metallfenstern ausgestattet.

Die zu den Wohnzellen führenden Korridore werden durch horizontale Schlitze unter der Decke belichtet. Die Dächer des Klosters sind mit einer Erdschicht bedeckt, die für Isolation gegen Feuchtigkeit und zum Ausgleich von Temperaturschwankungen sorgt.

Die Kirche

Die Kirche ist ein voluminöser längsrechteckiger Kubus aus Ortbeton, „béton brut“ und hereinbrechendem Licht. Zunächst war ein riesiger Schallreflektor, der den Gesang der Mönche ins Tal übertragen sollte, geplant. Später wurde ein Turm mit Glocken als Symbol des Klanges und des Namens La Tourette (das Türmchen) zunächst mit acht, später vier Glocken geplant und zuletzt mit nur einer ausgeführt. Die Orgel, zunächst von den Mönchen vergessen, wird erst später in die Planung des Kirchenraumes einbezogen. Die Krypta als Raum für die einzelne, einsame Zelebration der Mönche wurde bestimmt durch das Dunkel. Mittels der „Les Canons de Lumière“ scheint gebündeltes Licht durch die Decke in die Sakristei.

Die Entwicklung der Promenade Architecturale

Iannis Xenakis wurde als Mitarbeiter von Le Corbusier mit der Projektleitung des Baus und dem Entwurf der vertikalen Fensterteilungen der Hauptfassaden und des Kreuzgangs betraut. Im ältesten Plan ist eine einfache Rampe inmitten des Kreuzganges eingestellt, später verschmelzen Kreuzgang und Rampe zu einem Rampenkreuz, welches die Flügel des Konvents verbindet. Parallel zum Kreuz verbindet eine zweite Rampe vom Portal aus den Eingang direkt mit allen Geschossen und dem Dachgarten. Das Eingangstor wird mit 2,26 Meter im Quadrat Ausgangspunkt aller Raummaße. Im Laufe des Weges vom Eingang zu den Schulungsräumen verändern sich die Gangbreiten. Der Gang gliedert sich in Raumabschnitte mit unterschiedlichen Breiten von 2,96 Meter, 1,83 Meter und verjüngt sich bis nur noch ein Mönch alleine gehen kann zum Nadelöhr mit 1,13 Meter Breite. Die vertikalen steilen Treppenhäuser stehen im Kontrast zu dem Verlauf des Kreuzganges.

Literatur

  • Le Corbusier, Hans de Soeten, Thijs Edelkoort: La Tourette, Delft University Press, 1985
  • S. Ferroet: Le Couvent de la Tourette de Le Corbusier – Monographie du Directeur Scientifique, 1985
  • Alfred Werner Maurer: «La promenade architectural» – Architektur als Raum von Bewegungsabläufen der Liturgie im Klosterbau La Tourette, Nizza 2006
  • Henze / Moosbrugger: La Tourette, Le Corbusiers erster Klosterbau, 1963
  • Francois Biot, Francoise Perrot (Her.): Le Corbusier et L’architecture sacrée, Sainte Marie de la Tourette Eveux, Lyon 1985

Weblinks

Commons: Couvent Sainte-Marie de La Tourette – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. L’œuvre architecturale et urbaine de Le Corbusier. Eintrag in der Tentativliste der UNESCO auf deren Website, abgerufen am 10. April 2014 (französisch)
  2. UNESCO-Dossier Le Corbusier in Paris unterzeichnet. Pressemitteilung des Schweizer Bundesamts für Kultur, 30. Januar 2008, abgerufen am 7. April 2014
  3. Joseph Hanimann: Ganz oder gar nicht Süddeutsche Zeitung, 29. Juni 2011, abgerufen am 7. April 2014

Koordinaten: 45° 49′ 9,9″ N, 4° 37′ 20,8″ O