Staller (Beamter)
Der Staller ist eine historische Amtsbezeichnung in den Landschaften Eiderstedt und Nordstrand im Herzogtum Schleswig. Der Staller war der oberste landesherrliche Beamte, entsprechend einem Amtmann.
Begriff
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Begriff Staller leitet sich von „Installieren“ in der Bedeutung „in ein Amt einsetzen“[1] oder dessen deutschem Äquivalent „Bestallung“ ab. In einer anderen Deutung ist Staller eine nordfriesische Form des Wortes „Statthalter“.[2] In England ist das entsprechende Wort Staller („Statthalter, Steward“) seit den 1070er Jahren bezeugt.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Laut Anton Heimreichs Nordfriesischer Chronik existierte das Amt des Stallers bereits um 1350, zunächst wohl für die gesamten Uthlande.[3] Als der dänische König Waldemar IV. Atterdag 1359 die Wiedingharde besiegte, setzte er dort Waldemar Zappy als Staller ein. Auch in den anderen Harden der Uthlande setzte er Aufsichtsbeamte ein, wobei er wohl auf die Mitglieder der führenden Geschlechter zurückgriff.[4] Der erste namentlich erwähnte Staller von Strand, Ingmar, bekämpfte die Wogemänner, die der Eiderstedter Staller, Ove Hering, schließlich 1370 besiegte.
Anders als die von der einheimischen Bevölkerung aus ihrer Mitte gewählten Lehns- oder Ratsmänner der gemeinsamen Landschaftsversammlung war der Staller ein landesherrlicher Beamter, der vom dänischen König bzw. von 1544 bis 1713 vom Herzog von Schleswig-Holstein-Gottorf eingesetzt wurde. Im sogenannten Stallerprivileg von 1552/1571, das 1590 bestätigt wurde, sind seine Pflichten und Befugnisse festgelegt. Demnach durfte nur ein nichtadliger Einheimischer das Amt ausüben.[5] Der Ernennung durch den Landesherrn ging dabei das Vorschlagsrecht der Landschaft voraus. Die Ratsmänner durften sechs Kandidaten präsentieren, hatten jedoch keinen Einfluss auf die Wahl des Landesherrn. Der Staller besaß die Oberaufsicht über alle kirchlichen und kommunalen Gremien und das Visitationsrecht zusammen mit dem Propst. Ihm unterstanden die Landschaftsversammlung, die Justiz und die Aufsicht über die Instandhaltung der Deiche, letzteres häufig in Konkurrenz zu Deichgrafen – oder auch in Personalunion. Unterstützt wurde er vom Landschreiber und vom Pfennigmeister.
Mit der Einführung des Preußischen Landrechts in der Provinz Schleswig-Holstein 1866 verschwand das Amt des Staller.
Eiderstedt
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bis zur Vereinigung zur Landschaft Eiderstedt hatten die Dreilande zwei Staller, einen für Eiderstedt und einen für Everschop und Utholm. Seit 1462 gab es einen gemeinsamen Staller, wobei das Amt über mehr als 100 Jahre fast ausschließlich bei einer einheimischen Familie blieb.[6] Der Staller residierte meist in Tönning, später in Garding.
Bedeutendester Eiderstedter Staller war seit 1578 der fürstliche Rat Caspar Hoyer, der zwischen 1591 und 1594 das nach ihm benannte Herrenhaus Hoyersworth bei Oldenswort errichten ließ. Unter seiner Verwaltung erlebte die Landschaft einen wirtschaftlichen Aufschwung und Tönning und Garding erhielten Stadtrechte. Sein Nachfolger war sein Sohn Hermann Hoyer. Seit dieser Zeit waren die Staller meist Adlige oder verdiente Hofbeamte, die von außerhalb in die Landschaft kamen wie Samuel Rachel, der 1680–1684 und 1689–1691 das Amt innehatte. Nicht selten wurden sie vom Landesherrn eingesetzt, ohne dass die Landschaft ihr Vorschlagsrecht ausüben konnte. In den Streitigkeiten zwischen Herzog und König erkaufte sich die Landschaft 1702 das Recht, einen einheimischen Staller einzusetzen. Der auf diese Weise ins Amt gelangte Ove Lorenz starb jedoch schon 1704.[7]
1736 wurde zusätzlich zum Staller in Eiderstedt das Amt eines Oberstaller geschaffen, der in Husum residieren und gleichzeitig die Ämter Schwabstedt und Husum verwalten sollte.[8]
Nordstrand
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Auf der Insel Strand residierte der Staller vor 1634 in Gaikebüll.[9] Auch hier befand sich das Amt über Jahrhunderte fast ausschließlich in der Hand einer Familie. Bis ins 16. Jahrhundert waren fast alle Nachkommen des um 1350 erwähnten Ingmars. Sie besaßen Privilegien wie Steuerfreiheit, die sie dem Dienstadel gleichstellten.[10] Bekannt ist Laurens Leve, der fast 50 Jahre lang Staller gewesen war und in die Ritterschaft aufgenommen wurde. 1495 wurde er wegen Amtsmissbrauch und unrechtmäßiger Bereicherung seines Amtes enthoben.[11] Mit seinem Vermögen unterstützte er die Herausgabe des ersten Buchs in Schleswig-Holstein, des Missale Slesvicense des Lübecker Druckers Steffen Arndes.[12]
Nach der Burchardiflut von 1634 verließ der letzte Staller August von Bestenbrostel († 1647) die Insel. Der Landschreiber Baltzer Novock übernahm kommissarisch die Aufgaben des Stallers.[13] 1655 wurden Pellworm und die Halligen dem Husumer Amtmann unterstellt.
Seit dem Oktroy von 1652 war der Staller von Nordstrand kein obrigkeitlicher Beamter mehr, sondern ein Jurist, der von den Hauptpartizipanten als deren Vertreter gewählt wurde. Der Oktroynehmer Quirinus Indervelden führte das Amt des Stallers jedoch nur kommissarisch, weil ihm das obligatorische Jurastudium fehlte.[14] Nomineller Amtsinhaber war seit 1656 sein Sohn Franziskus Indervelden, der das Amt des Oberstallers und Deichgrafen erst nach dem Tod seines Vaters offiziell übernahm. Der Enkel Quirinus Franziskus Indervelden ging 1746 in Konkurs. Nach 1760 übernahmen wieder einheimische Juristen das Amt.[15]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Johann Friedrich Camerer: Vermischte historisch-politische Nachrichten in Briefen von einigen merkwürdigen Gegenden der Herzogthümer Schleßwig und Hollstein, ihrer natürlichen Geschichte und anderen seltenen Alterthümern. Band 1. Korte 1758, S. 1, 9, 324 ff., 337 ff., 381 ff., archive.org.
- P. W. Cornils: Die Communal-Verfassung in der Landschaft Eiderstedt. 1841.
- Albert Panten: Über die verfassungs- und sozialgeschichtliche Bedeutung Nordfriesischer Häuptlings- und Adelsgeschlechter vom 14. bis zum 16. Jahrhundert (PDF) In: Hubertus Menke: Die Niederlande und der europäische Nordosten: ein Jahrtausend weiträumiger Beziehungen (700–1700). Neumünster 1992, S. 249–260; abgerufen am 18. Juni 2015.
- Claus Paulsen: Kurze Darstellung der Staller auf dem alten „Strand“ und der späteren Insel Nordstrand. In: Familienkundliches Jahrbuch Schleswig-Holstein, Band 40 (2001), S. 5–11.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ installieren. In: Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache. Abgerufen am 30. Oktober 2019
- ↑ E. C. Kruse: Über den Ursprung des Stalleramtes und die Etymologie des Namens Staller. In: Schleswig-Holsteinische Provinzialberichte, 8, 1794, S. 347–352; S. 350.
- ↑ Anton Heimreich: Nordfresische Chronik, Auflage von 1819 1. Band, S. 325.
- ↑ Panten: Nordfriesische Häuptlings- und Adelsgeschlechter (siehe Literatur); S. 254.
- ↑ Kersten Krüger: Die landschaftliche Verfassung Nordelbiens in der frühen Neuzeit. Ein besonderer Typ politischer Partizipation. In: Ders.: Formung der frühen Moderne: ausgewählte Aufsätze, Münster 2005, S. 199–225; S. 208.
- ↑ Hans Ditmar Frederik Feddersen: Beschreibung der Landschaft Eiderstedt. Altona 1853, S. 46–48.
- ↑ Hans Ditmar Frederik Feddersen: Beschreibung der Landschaft Eiderstedt. Altona 1853, S. 52.
- ↑ P. W. Cornils: Die Communal-Verfassung in der Landschaft Eiderstedt. 1841, S. 92.
- ↑ Malte Bischoff: Die Amtleute des Herzogs Friedrich III. von Schleswig-Holstein-Gottorf. Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig-Holsteins, 105–106, Neumünster 1993, S. 272
- ↑ Panten: Nordfriesische Häuptlings- und Adelsgeschlechter (siehe Literatur); S. 255.
- ↑ Panten: Nordfriesische Häuptlings- und Adelsgeschlechter (siehe Literatur); S. 257.
- ↑ Dieter Lohmeier: Leve (Levens, Levenssen), Laurens (Laurentius): gest. 1508; Staller von Nordstrand. In: Biographisches Lexikon für Schleswig-Holstein und Lübeck, 9 1991, S. 204–206.
- ↑ Anton Heimreich: Nordfriesische Chronik 3. Auflage 1819 von Nikolaus Falck Band 2, S. 36.
- ↑ Dieter Lohmeier: Indervelden, Quirinus Christian. In: Biographisches Lexikon für Schleswig-Holstein und Lübeck 10 (1994), S. 185–187; S. 186.
- ↑ Karl Kuenz: Nordstrand nach 1634. Die wiedereingedeichte nordfriesische Insel. [Singen] 1978, S. 49.