Stufenbrunnen

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Rani Ki Vav, Patan, Gujarat
Fatehpur, Shekhawati, Rajasthan
Hampi, Karnataka
Sravanabelgola, Karnataka
Modhera, Gujarat
Agrasen Ki Baoli, Delhi

Ein Stufenbrunnen (engl. step well; gujarati: vav; hindi: baoli) ist ein Brunnen, der je nach Wasserstand wegen der Stufenbauweise eine unterschiedliche Oberflächengröße aufweist. Stufenbrunnen gehören zu den originären und originellsten Beiträgen des indischen Subkontinents zur Weltarchitektur. Der Rani Ki Vav von Patan ist seit dem Jahr 2014 als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt.[1] Die bauliche oder sprachliche Abgrenzung von den hinduistischen Tempelteichen (kunds) ist oft fließend (z. B. Potra Kund in Mathura, Suraj Kund in Lucknow oder Durga Kund in Varanasi).

Geschichte

Man vermutet, dass Stufenbrunnen bereits zur Zeit der Induskultur bekannt waren, doch fehlen bislang eindeutige Beweise. Die ältesten Zeugnisse sind kleine, in den Fels gehauene Stufenbrunnen des 2. bis 4. Jahrhundert n. Chr. in der Nähe von buddhistischen oder hinduistischen Felsklöstern. Im 7. Jahrhundert erscheinen die ersten konstruktiven Beispiele, von denen sich jedoch nur wenig erhalten hat. Zwei der ältesten erhaltenen Beispiele sind der Mata Bhavani's vav in Gujarat und der Chand Baori in Abhaneri, Rajasthan; beide stammen aus dem 8./9. Jahrhundert, wurden jedoch immer wieder restauriert und erneuert. Die meisten erhaltenen Beispiele sind jedoch Bauten des 11. bis 15. Jahrhunderts und liegen in oder in der Nähe von größeren Städten.

Hintergrund

Vor allem in den ariden und flussarmen oder flussfernen Zonen Nordwest- (Gujarat, Rajasthan) und Südindiens (Karnataka) sowie Südpakistans (Sindh), in denen der jährliche Monsun nur wenige Wochen lang Regen bringt, war es notwendig, das für kurze Zeit reichlich vorhandene Wasser zu speichern. Dies konnte in Zisternen und Brunnenschächten geschehen, doch waren die Niederschlagsmengen oft so enorm, dass auch größere Speicher gefüllt werden konnten, was für die wachsende Bevölkerung, die nun auch im Hinterland der Flüsse siedelte und Landwirtschaft betrieb, außerordentlich wichtig war. Diese schuf entweder von Bruchsteinen, später von Hausteinen eingefasste flache Teiche oder aber in das Erdreich versenkte Stufenbrunnen, die – wie alle Brunnen – an der Erdoberfläche eingezäunt oder ummauert werden mussten um Verunreinigungen des Wassers durch Tiere oder deren Kadaver zu vermeiden. An der tiefsten Stelle, wo der Brunnen Kontakt zum Grundwasserspiegel hatte, aber auch auf den Stufen setzte sich Schlamm ab, der immer wieder entfernt werden musste – wie auch für das Wasserholen waren für diese Arbeit meist Frauen zuständig.

Bedeutung

Abgesehen von ihrem praktischen Nutzen, erfuhren die wasser- und damit lebenspendenden Stufenbrunnen auch eine quasi religiöse Verehrung, die durch die manchmal vorkommende Ost-West-Ausrichtung sowie durch aufgestellte Götterbilder oder kleine Nischentempel in ihren Mauern unterstrichen wurde (z. B. Rani Ki Vav in Patan, Gujarat). In einigen Fällen wurden Stufenbrunnen in unmittelbarer Nähe von Großtempeln errichtet (z. B. in Modhera, Gujarat); sie sind dann eher als Tempelteiche anzusehen. In der Zeit der islamischen Dominanz über weite Teile des indischen Subkontinents wurde der Figurenschmuck der ursprünglich hinduistischen Stufenbrunnen jedoch oft zerstört; nur wenige Beispiele sind bis heute erhalten. Andererseits wurden auch in muslimischer Zeit derartige Brunnen gebaut (z. B. der Agrasen Ki Baoli oder der Gandhak Ki Baoli in Delhi).

Architektur

Im Wesentlichen existieren drei Arten von Stufenbrunnen – die in konstruktiver Hinsicht einfachste ist ein flaches Geviert mit Stufen (ghats) an den Rändern; eine weitere ist ein tiefer eckiger oder runder Brunnenschacht, dessen Wasser über eine einseitige Treppe oder Rampe erreicht werden kann. Die konstruktiv aufwendigste und optisch eindrucksvollste ist ein tiefes, all- oder dreiseitig von prismenförmig angelegten Treppen und Stufen eingefasstes quadratisches oder rechteckiges Becken (z. B. Chand Baori in Abhaneri, Rajasthan).

Auffällig ist die Tatsache, dass nahezu alle Brunnenschächte zwar regelmäßig rund angelegt sind, jedoch keine runden oder ovalen Stufenbrunnen bekannt sind. Ein oktogonales Exemplar befindet sich bei der Freitagsmoschee von Champaner.

Bilder

Literatur

  • Morna Livingston, Milo Beach: Steps to Water. The Ancient Stepwells of India. Princeton Architectural Press, 2002, ISBN 1-56898-324-7.
  • Jutta Jain Neubauer: The Stepwells of Gujarat. An Art-historical Perspective. Abhinav Publications, 1981, ISBN 0-39102-284-9.

Weblinks

Commons: Stufenbrunnen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Vorlage:Welterbe