Tatis herrliche Zeiten
Film | |
Titel | Tatis herrliche Zeiten |
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Originaltitel | Playtime |
Produktionsland | Frankreich, Italien |
Originalsprache | Französisch, Englisch, Deutsch |
Erscheinungsjahr | 1967 |
Länge | 126 Minuten |
Altersfreigabe | |
Stab | |
Regie | Jacques Tati |
Drehbuch |
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Produktion | Bernard Maurice |
Musik | Francis Lemarque |
Kamera | |
Schnitt | Gérard Pollicand |
Besetzung | |
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Tatis herrliche Zeiten (Originaltitel: Playtime) ist ein französisch-italienischer Spielfilm des Regisseurs und Schauspielers Jacques Tati aus dem Jahr 1967. Im deutschsprachigen Raum ist er auch unter den Titeln Playtime – Tatis herrliche Zeiten und PlayTime gelaufen.
Handlung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Film spielt in einem für die 1960er-Jahre futuristisch wirkenden Paris, das nur noch aus einheitlichen Glas- und Stahlkonstruktionen zu bestehen scheint, ohne Bäume und Grünflächen. Den Eiffelturm sowie Sacré-Cœur de Montmartre sieht man nur wenige Sekunden als Spiegelung im Fenster und den Eiffelturm noch ein zweites Mal als verzerrtes Objekt in der Ferne.
Die Filmfigur Monsieur Hulot – wie in seinen anderen Filmen dargestellt durch Jacques Tati selbst – ist auf der Suche nach einem Monsieur Giffard. Er sucht ihn in seinem Büro auf, aber durch eine Vielzahl von Missgeschicken verpassen sie sich ständig. Hulots Weg kreuzt sich dabei immer wieder mit einer US-amerikanischen Busreisegruppe, die Paris besucht und dabei nur in dieser Hochhauswelt herumgeführt wird, die überall sonst auch nicht nur stehen könnte, sondern schon wirklich steht, wie in einem Reisebüro anhand der Werbefotografien zu erkennen ist: Jedes Reiseziel wirbt mit dem gleichen Hochhausfoto, das nur durch einige touristische Versatzstücke aufgehübscht wird. Die moderne Welt gleicht sich bis zur Austauschbarkeit.
Anmerkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Modernismuskritik ist ein immer wiederkehrendes Merkmal der Filme Tatis, in Playtime aber feiert sie einen Höhepunkt. Vor allem die Unpersönlichkeit, Konformität und Sterilität der Moderne wird kritisiert, etwa gleich am Anfang, wenn ein chromschimmerndes Gebäude einem Krankenhaus gleicht und erst später eindeutig als Flughafen zu identifizieren ist. Durch die Monotonie der Räume wird die Konzentration auf unvermeidliche Geräusche gelenkt. In der Gleichförmigkeit sind es vor allem die von den Menschen verursachten Töne, die den angestrebten Futurismus der Architektur durch die ihnen innewohnende Komik auflösen. Dass die Moderne wohl schließlich auch diesem Problem abhelfen wird, ist auf einer Möbelausstellung zu sehen. Das erste Unternehmen wirbt bereits mit einem Material, das keinerlei Geräusch mehr verursacht. Selbst wütendes Türenknallen bleibt so ungehört.
Auch die menschliche Rede ist in dem Film ein zumeist unverständliches Geräusch, das in den vielfältigsten Sprachen gemischt ist, aber gerade auch dadurch Persönlichkeit wiedergibt. Für die Handlung ist das Sprachverständnis zudem unwichtig, da durch Bewegung und pantomimische Ausdrücke der Sinn ohnehin klar ist.
Die Kritik der Moderne erscheint durch die Ironisierung und durch die Tückenanfälligkeit der Technik weniger apokalyptisch, dafür aber umso treffender. Die Humanität gewinnt auch in dieser Einheitlichkeit kleine Ecken der Gemeinsamkeit und der Individualität zurück. Im Abschlussbild gerät so der Ausdruck der Moderne schlechthin, die automobile Beweglichkeit, in einen Kreisverkehr, der einer nie enden wollenden Karussellfahrt gleicht.
Im Vergleich zum vorherigen Film Mein Onkel (1958) verstärkt Tati seine Kritik am Anglizismus bzw. die Kritik, dass alles moderne, neue, englische Namen haben müsse, so heißt das neue, moderne Restaurant „Royal Garden“, das Glace (Speiseeis) „Ice Cream“, die Pharmacie (Apotheke) „Drugstore“ oder der Fromage (Käse) jetzt „Cheese“, was zwei ältere Damen ratlos zurücklässt.
Jacques Tati hat für diesen Film eine eigene Kulissenstadt aufbauen lassen. Die Kosten dafür waren allerdings so hoch, dass der Film diese Ausgaben trotz großartiger Kritiken nicht an der Kinokasse einspielen konnte. Heute zählt Playtime zu den Klassikern.
Kritiken
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]„Ein von melancholischer Herzlichkeit geprägtes Welttheater, organisiert wie ein filmisches Ballett, das keiner Geschichte bedarf, sondern nur Bewegungen und Begegnungen als Initialzündung braucht. Ein bisweilen etwas betulicher, stets aber intelligent unterhaltender Spaß von hohem ästhetischem Reiz.“
„Playtime ist mit nichts zu vergleichen, was bereits im Kino zu sehen war. Ein Film von einem anderen Planeten, wo man andere Filme dreht.“
„Der […] Film von Jacques Tati bringt in satirischer Überbetonung sterile Erscheinungen der Zivilisation zu komischen Effekten. In der Durchdachtheit der Inszenierung und dem persönlichen Stil der verschiedenen Leitmotive ein Meisterwerk. Ab 14 zu empfehlen.“
Auszeichnungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Étoile de Cristal 1968 in der Kategorie Bester Film
- Bodil 1969 in der Kategorie Bester Europäischer Film
DVD- und Blu-ray-Veröffentlichungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Tatis herrliche Zeiten. Universum-Film, München 2005. (nur DVD)
- Playtime – Tatis herrliche Zeiten. Arthaus (Studiocanal), Leipzig 2015 (DVD und Blu-ray, enthalten neben dem restaurierten Film jeweils ein Interview mit Jacques Tati, eine Filmanalyse von Stéphane Goudet sowie Szenen mit Audiokommentar).
Soundtrack
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Francis Lemarque, James Campbell: Play Time. Extraits de la Bande Originale du Film. Auf: Extraits des Bandes Originales des Films de Jacques Tati. Philips/Polygram s.l.s.n. Tonträger-Nr. 836 983-2 – Auszüge (Suite) aus der Originalaufnahme der Filmmusik
Filmdokumentation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Playtime Story (Originaltitel: Playtime Story). Französische Fernsehdokumentation von François Ede aus dem Jahr 2002, 33 Minuten
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Jonathan Rosenbaum: Tati’s Democracy: An Interview and Introduction (Erstveröffentlichung: Film Comment 9, 3 (1973), S. 36–41).
- François Ede, Stéphane Goudet: „Playtime“. Un film de Jacques Tati. Cahiers du Cinéma, Paris 2002, ISBN 2-86642-333-X.
- Michael Glasmeier, Heike Klippel (Hrsg.): „Play Time“. Film interdisziplinär. Ein Film und acht Perspektiven. Lit Verlag, Münster 2002, ISBN 3-8258-8375-2 (Medien-Welten; 5).
- Nina Mayrhofer: Leben in Tativille. In: die tageszeitung (taz) vom 2. November 2002.
- Winfried Nerdinger (Hrsg.) Katrin Fischer (Übers.): Die Stadt des Monsieur Hulot. Jacques Tatis Blick auf die moderne Architektur. Architekturmuseum München, München 2004, 45 S., ISBN 3-9809263-1-1 (Katalog der gleichnamigen Ausstellung im Architekturmuseum der TU München in der Pinakothek der Moderne vom 19. Februar bis 2. Mai 2004).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Belege
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Freigabebescheinigung für Tatis herrliche Zeiten. Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft, März 2015 (PDF; Prüfnummer: 39 469 V).
- ↑ Tatis herrliche Zeiten. In: Lexikon des internationalen Films. Filmdienst, abgerufen am 18. Februar 2017.
- ↑ Evangelischer Presseverband München, Kritik Nr. 386/1968.