Thomas Mergel

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Thomas Mergel (* 1960 in Regensburg) ist ein deutscher Historiker und Professor für Europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Mergel studierte Geschichte, Soziologie und Pädagogik in Regensburg und Bielefeld. 1992/93 wurde er in Bielefeld promoviert. Er war von 1992 bis 2000 Wissenschaftlicher Assistent bei Lucian Hölscher an der Ruhr-Universität Bochum. Nach einem Forschungsaufenthalt am Minda de Gunzburg Center for European Studies an der Harvard University (1994–1995) nahm er 2000 eine Gastprofessur für Moderne Europäische Geschichte an der University of Chicago an und habilitierte sich im gleichen Jahr in Bochum.

Zwischen 2001 und 2005 war er Leiter des Forschungsprojektes Kulturgeschichte des Wahlkampfs in der Bundesrepublik 1949–1983 in Bochum. 2003 war er Gastprofessor für Sozialgeschichte an der Humboldt-Universität Berlin und 2003 bis 2004 DAAD-Gastprofessor für Deutsche Geschichte an der Karls-Universität Prag. 2006 wurde er Projektbereichsleiter am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam und 2007 Lehrstuhlinhaber für Neuere Allgemeine Geschichte an der Universität Basel. Seit Februar 2008 ist er Professor für Europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Mergel wurde bei Josef Mooser und Hans-Ulrich Wehler an der Universität Bielefeld im Rahmen des dortigen Projekts zur Bürgertumsforschung promoviert. Trotz (oder gerade wegen) dieser Prägung durch die Bielefelder Schule der Sozialgeschichte beteiligte sich Mergel in den 1990er Jahren an der Debatte um eine Neue Kulturgeschichte, die er seitdem prominent vertritt. Seine Beiträge hierzu lagen insbesondere im Bereich der – theoretischen und empirischen – Übertragung der kulturgeschichtlichen Methoden und Zugänge auf den Bereich der Politikgeschichte in einer innovativen Kulturgeschichte der Politik.[1] Hierfür nutzte Mergel einerseits mediengeschichtliche Zugänge, indem er Politik in der Moderne als fundamental durch die Massenmedien geprägt darstellte.[2] Andererseits wendete er neuere Ansätze der Mikrosoziologie, insbesondere der Praxeologie an, mit denen er Politik als ein durch symbolisches Handeln und Kommunizieren geprägtes Feld beschrieb.[3] Er trug auch zur kritischen Diskussion der von der Historischen Sozialwissenschaft auf die Geschichte angewandten Modernisierungstheorie und damit auch der daraus abgeleiteten These vom Deutschen Sonderweg bei.[4] Darüber hinaus hat er u. a. zur Etablierung von Ansätzen der transnationalen Geschichte beigetragen, insbesondere der Geschichte der Migration.[5] Ein weiteres Forschungs- und Interessengebiet ist die Verbindung von Sozial- und Religionsgeschichte, die er schon in seiner Dissertation über das katholische Bürgertum im Rheinland im 19. Jahrhundert verfolgte.[6]

Derzeit (2016) arbeitet Mergel, der sich schon seit längerem für Phänomene der Stadt- und Urbanitätsgeschichte interessiert, an einer Geschichte der Stadt Köln im Kaiserreich. Sie soll im Rahmen der von der Historischen Gesellschaft Köln herausgegebenen Reihe zur Geschichte Kölns seit der Antike erscheinen.

Schriften

  • Zwischen Klasse und Konfession. Katholisches Bürgertum im Rheinland 1794–1914 (= Bürgertum. Band 9). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1994, ISBN 3-525-35674-9 (zugleich: phil. Dissertation, Universität Bielefeld 1992/1993).
  • Parlamentarische Kultur in der Weimarer Republik. Politische Kommunikation, symbolische Politik und Öffentlichkeit im Reichstag (= Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. Band 135). Droste, Düsseldorf 2002, ISBN 3-7700-5249-8 (zugleich: Habilitations-Schrift, Ruhr-Universität Bochum 2000; 2., unveränderte Auflage. ebenda 2005, ISBN 3-7700-5266-8; 3., überarbeitete Auflage. ebenda 2012, ISBN 978-3-7700-5315-5).
  • Großbritannien seit 1945 (= UTB. 2656 Geschichte, Zeitgeschichte. = Europäische Zeitgeschichte. Band 1). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2005, ISBN 3-8252-2656-5.
  • Propaganda nach Hitler. Eine Kulturgeschichte des Wahlkampfs in der Bundesrepublik. 1949–1990. Wallstein, Göttingen 2010, ISBN 978-3-8353-0779-7.

als Herausgeber

  • mit Thomas Welskopp: Geschichte zwischen Kultur und Gesellschaft. Beiträge zur Theoriedebatte (= Beck'sche Reihe. 1211). Beck, München 1997, ISBN 3-406-42011-7.
  • mit Christian Jansen: Die Revolutionen von 1848/49. Erfahrung – Verarbeitung – Deutung. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1998, ISBN 3-525-01364-7.
  • mit Benjamin Ziemann: European Political History 1870–1913 (= The International Library of Essays on Political History). Ashgate, Aldershot u. a. 2007, ISBN 978-0-7546-2630-5.
  • mit Pascal Maeder und Barbara Lüthi: Wozu noch Sozialgeschichte? Eine Disziplin im Umbruch. Festschrift für Josef Mooser zum 65. Geburtstag.. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen u. a. 2012, ISBN 978-3-525-30034-3.
  • mit Christiane Reinecke: Das Soziale ordnen. Sozialwissenschaften und gesellschaftliche Ungleichheit im 20. Jahrhundert (= Eigene und fremde Welten. Band 27). Campus, Frankfurt am Main u. a. 2012, ISBN 978-3-593-39787-0.
  • Krisen verstehen. Historische und kulturwissenschaftliche Annäherungen (= Eigene und fremde Welten. Band 21). Campus, Frankfurt am Main u. a. 2012, ISBN 978-3-593-39787-0.

Weblinks

Anmerkungen

  1. Thomas Mergel: Überlegungen zu einer Kulturgeschichte der Politik. In: Geschichte und Gesellschaft. Band 28, 2002, S. 574–606; Thomas Mergel: Kulturgeschichte der Politik. Version: 2.0. In: Docupedia-Zeitgeschichte, 22. Oktober 2012. Empirische Ergebnisse vor allem in Thomas Mergel: Parlamentarische Kultur in der Weimarer Republik. Politische Kommunikation, symbolische Politik und Öffentlichkeit im Reichstag. Düsseldorf 2002; Thomas Mergel: Propaganda nach Hitler. Eine Kulturgeschichte des Wahlkampfs in der Bundesrepublik 1949–1990. Göttingen 2010.
  2. Vgl. vor allem Thomas Mergel: Propaganda nach Hitler. Eine Kulturgeschichte des Wahlkampfs in der Bundesrepublik 1949–1990. Göttingen 2010. Theoretisch auch: Thomas Mergel: Politisierte Medien und medialisierte Politik. Strukturelle Koppelungen zwischen zwei sozialen Systemen. In: Klaus Arnold, Christoph Classen, Susanne Kinnebrock, Edgar Lersch, Hans-Ulrich Wagner (Hrsg.): Von der Politisierung der Medien zur Medialisierung des Politischen? Zum Verhältnis von Medien, Öffentlichkeiten und Politik im 20. Jahrhundert. Leipziger Universitäts-Verlag, Leipzig 2010, ISBN 978-3-86583-497-3, S. 29–50.
  3. Erläutert v. a. in Thomas Mergel: Parlamentarische Kultur in der Weimarer Republik. Politische Kommunikation, symbolische Politik und Öffentlichkeit im Reichstag. Düsseldorf 2002, S. 17–26.
  4. Thomas Mergel: Geht es weiterhin voran? Die Modernisierungstheorie auf dem Weg zu einer Theorie der Moderne. In: Thomas Mergel, Thomas Welskopp (Hrsg.): Geschichte zwischen Kultur und Gesellschaft. Beiträge zur Theoriedebatte. München 1997, S. 203–232; Thomas Mergel: Modernisierung. In: Europäische Geschichte Online. (EGO). Herausgegeben vom Institut für Europäische Geschichte (IEG), Mainz, 27. April 2011.
  5. Thomas Mergel: Democracy and Dictatorship 1918–1939. In: Helmut Walser Smith (Hrsg.): The Oxford Handbook of Modern German History. Oxford University Press, Oxford u. a. 2011, ISBN 978-0-19-923739-5, S. 423–452, (der Band bemüht sich insgesamt um transnationale Zugänge zur deutschen Geschichte); Thomas Mergel: Das Kaiserreich als Migrationsgesellschaft. In: Sven Oliver Müller, Cornelius Torp (Hrsg.): Das Kaiserreich in der Kontroverse. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2009, ISBN 978-3-525-36752-0, S. 374–391; Thomas Mergel: Transnationale Mobilität, Integration und Herkunftsbewußtsein: Migration und europäisches Selbstverständnis im 19. und 20. Jahrhundert. In: Hartmut Kaelble, Martin Kirsch (Hrsg.): Selbstverständnis und Gesellschaft der Europäer. Aspekte der sozialen und kulturellen Europäisierung im späten 19. und 20. Jahrhundert (= Komparatistische Bibliothek. 16). Lang, Frankfurt am Main u. a. 2008, ISBN 978-3-631-56008-2, S. 251–297.
  6. Thomas Mergel: Zwischen Klasse und Konfession. Katholisches Bürgertum im Rheinland 1794–1914. Göttingen 1994; vgl. auch Thomas Mergel: Religionsgeschichte als Sozialgeschichte. Zu einem schwierigen Verhältnis. In: Thomas Mergel, Pascal Maeder, Barbara Lüthi (Hrsg.): Wozu noch Sozialgeschichte? Eine Disziplin im Umbruch. Göttingen 2012, S. 211–239.