Topographische Karte der Schweiz

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Hochfelden auf der Dufourkarte, Blatt 3 «Liestal, Schaffhausen», Datenstand 1869

Die Topographische Karte der Schweiz, auch Dufourkarte, ist das älteste amtliche Kartenwerk der Schweiz. Die vom Eidgenössischen Topographischen Bureau unter der Leitung von Guillaume-Henri Dufour von 1845 bis 1864 herausgegebene topographische Karte der Schweizerischen Eidgenossenschaft im Massstab 1:100'000 stellte das erste geometrisch korrekte Bild der Schweiz dar.[1] Die Dufourkarte entstand parallel zum modernen Bundesstaat von 1848, half symbolisch der Zusammenführung der Kantone im Sinne des Eidgenossen Dufours und gilt somit als Werk von nationaler Bedeutung.

Vorgeschichte

Während der Grenzbesetzung 1809, die wegen der nationalen Erhebungen gegen Napoleon einberufen wurde, liess Oberst Hans Conrad Finsler durch Ingenieur Johannes Feer und einige Stabsoffiziere die östliche Schweiz triangulieren. Der Astronom Johann Kaspar Horner und Stabshauptmann Heinrich Pestalozzi verbanden das entstandene Dreiecksnetz mit den Vermessungen der Kantone Basel und Bern. Bis 1822 entstand zusammen mit Pestalozzis Winkelmessungen in der Westschweiz die Triangulation erster Ordnung für das Mittelland. Die noch fehlende Triangulation der Alpen war wegen der gefährlichen Bergbesteigungen und der schlechten Witterung ohne Fernsicht eine schwierigere Aufgabe. Finslers Bemühungen führten dazu, dass die Tagsatzung von 1822 die Landesvermessung zum eidgenössischen Werk erklärte und sie der eidgenössischen Militäraufsichtsbehörde unterstellte. 1829 misslang der Versuch der schweizerischen naturforschenden Gesellschaft, das ganze Werk selber an die Hand zu nehmen und durch private Gönner zu finanzieren.

1832 übernahm Guillaume-Henri Dufour die Leitung der eidgenössischen Triangulation und Landesvermessung, die zu seinen Aufgaben als Oberstquartiermeister gehörte. Er hatte bereits in der französischen Kriegsschule topografische Arbeiten durchgeführt. Dufour sollte die bereits vorhandenen Dreiecksmessungen und Kartierungen auf eidgenössischer Ebene vereinheitlichen, die Lücken schliessen, die Triangulation durch die Ingenieure überprüfen und ergänzen lassen sowie einheitliche eidgenössische Richtlinien herausgeben. So hatten zum Beispiel die Kantone das Gebirge im Massstab 1:50'000, Jura und Mittelland 1:25'000 aufzunehmen.

Der Atlas Suisse als Vorgänger

Zwischen 1796 und 1802 entstanden die 16 Kartenblätter des "Atlas Suisse", welcher die ganze Schweiz im Maßstab (Kartografie) ca.1:120'000 abbildete und ab 1803 zum Verkauf gelangte. "Atlas Suisse levé et dessiné par J.H. Weiss aux frais de J.R. Meyer à Aarau dans les Années 1786-1802, gravé par Guérin, Eichler et Scheuermann"

Die Dufour-Karte

Triangulation primordiale 1826–1837
Triangulationspunkt auf dem Chasseral

Geodätische Grundlagen

Der Astronom und Geodät Johannes Eschmann (1808–1852) erstellte zwischen 1834 und 1837 aufgrund bereits vorhandener kantonaler Netze und der Basislinie die «Triangulation primordiale», das erste landesweite Dreiecksnetz. Die von Eschmann 1840 publizierten «Ergebnisse der trigonometrischen Vermessungen in der Schweiz» dienten der Dufourkarte als geodätisches Bezugssystem.

Die 13 km lange Strecke im Grossen Moos zwischen Walperswil BE und Sugiez FR bildete die Basis oder Grundlinie für die Dufourkarte. Sie wurde 1791, 1797 und 1834 (unter Dufour) aufwändig mit Messketten und Eisenstangen vermessen. Um die Länge der Basis auf das Triangulationsnetz übertragen zu können, mussten auf deren Endpunkten und weiteren benachbarten Punkten Winkel gemessen werden. Von Walperswil aus wurden in der Ära Dufour der Endpunkt in Sugiez, der Chasseral und der Montoz angezielt. Eine weitere Station auf dem Frienisberg diente zur Berechnung der Distanz zwischen dem Chasseral und der Rötifluh.

Mit diesen Abständen (Seitenlängen) zwischen den Triangulationspunkten konnten dann mit Hilfe der Orientierungselemente, ausgehend vom Fundamentalpunkt, die Koordinaten der Hauptpunkte abgeleitet werden. Die Basisendpunkte von Walperswil und Sugiez wurden an ein Dreiecksnetz (Basisvergrösserungsnetz der Triangulation Primordiale[2]) angeschlossen, welches zum ersten Mal die ganze Schweiz abdeckte und die nördlich der Alpen gelegenen Landesteile mit den südlichen verband. Die 13 km lange Basisstrecke diente als Massstab des Netzes. In der alten Sternwarte Bern (1812–1876; Fundamentalpunkt der Schweizer Landeskoordinaten: 600000 / 200000) wurden Länge und Breite des Fundamentalpunktes astronomisch bestimmt und damit die Schweiz korrekt auf dem Globus positioniert. An den in Bern astronomisch bestimmten Azimuten der Punkte Rötifluh/Weissenstein SO und Chasseral wurde das Netz orientiert.

Topografische Grundlagen

Parallel zu den geodätischen Grundlagen nahm Dufour die topografischen Aufnahmen in Angriff. Mangels guter Zeichner und Kupferstecher in der Schweiz richtete Dufour 1838 – zuerst auf eigene Kosten – ein Zeichnerbüro in Carouge ein, das nun als Eidgenössisches Topographisches Bureau figurierte und auch als Sammelstelle für alle trigonometrischen und topographischen Arbeiten diente. Dufour und seine Mitarbeiter stellten zuerst mit grosser Sorgfalt vier Musterblätter 1:50'000 her, die nachher als Vorlagen für das Musterblatt 1:100'000 dienten. 1842 gab Dufour auf Kosten des Kantons Genfs die Genferkarte heraus, die gewissermassen als Probestück für die Dufourkarte diente.

Die Bonnesche Projektion diente als Grundlage für die Dufourkarte. Als Höhenausgangspunkt bei der Entwicklung der Dufourkarten von 1845 und 1864 verwendete Dufour den Felsen Repère Pierre du Niton im Hafen von Genf. Die Originalaufnahmen für die Dufourkarte wurden im Massstab 1:25 000 (im Flachland und Jura) und 1:50 000 (im Gebirge) erstellt.

Das Gelände (welches in der Schweiz meist hügelig und gebirgig ist) wird auf der Dufourkarte mit Schattenschraffen unter der Annahme einer Nordwest-Beleuchtung dargestellt, wodurch die Reliefwirkung und die Felszeichnung besonders plastisch erscheinen. Diese so genannte «Schweizer Manier» erntete viel Lob und brachte dem Topographischen Bureau mehrere internationale Auszeichnungen ein.

Triangulation des Kantons Bern 1811
Triangulationspunkt erster Ordnung von 1860 auf dem Napf

Die Mitarbeit der Kantone am Beispiel des Kantons Bern

Etliche Kantone nahmen ihre Gebiete nach eidgenössischen Vorschriften selber auf und erhielten dafür von der Eidgenossenschaft einen vertraglich vereinbarten Betrag. Die Grundlagen ihrer Kartenwerke stellten sie dem Eidgenössischen Topographischen Bureau für die Umarbeitung in die eidgenössische Karte zur Verfügung.

1853 kam es zum Abschluss eines Vertrages zwischen der Eidgenossenschaft und dem Kanton Bern. Der Berner Regierungsrat setzte darauf hin eine Kartierungskommission ein. Diese wählte den Zürcher Geodäten und Topographen Hans Heinrich Denzler zum verantwortlichen Oberingenieur mit den folgenden Aufgaben:

  • Winkelmessung und Berechnung einer genügenden Anzahl von Dreiecken erster und zweiter Ordnung
  • Berechnung der rechtwinkligen Koordinaten der Dreieckspunkte, bezogen auf Meridian und Breitenkreis der Berner Sternwarte
  • Trigonometrische Höhenbestimmung der Dreieckspunkte
  • Versicherung der Signalpunkte «durch Eingrabung von Steinen, wo dieselbe notwendig sein sollten»
  • Entwurf einer Instruktion für die Ingenieure und
  • Mitarbeit an der topographischen Aufnahme nach Möglichkeit.

Die bisherigen eidgenössischen Punkte erster und zweiter Ordnung im bernischen Teil waren nicht mehr zu gebrauchen und Denzler muss daher an die entfernten Punkte erster Ordnung Rötifluh und Chasseral anknüpfen.

Zur Erstellung eines neuen Netzes erster Ordnung wählte die Kommission die Punkte Napf, Niesen, Berra, Rigi Kulm, Lägern, Schwarzhorn und Gurten, wovon die ersten fünf zum eidgenössischen Netz gehörten.[3]

Blatteinteilung

Als äusseren Rahmen für das Kartenwerk legte Dufour einen Raster (Blatteinteilung) von fünf mal fünf Blättern fest. Jedes Blatt umfasste 70 km in West-Ost- und 48 km in Nord-Süd-Richtung. Das gesamte Kartenwerk deckte eine Fläche von 350 x 240 km ab. Für die Originalaufnahmen im Massstab 1:50 000 wurde ein Blatt in 16 Sektionen (jede 17.5 x 12 km) unterteilt. Für den Massstab 1:25 000 wurde jede Sektion nochmals in vier Teile (8.75 x 6 km) zerlegt.

Reproduktion und Publikation

Die dem topographischen Bureau abgelieferten Originalaufnahmen wurden von Dufour persönlich kontrolliert. Anschliessend erfolgte die Reinzeichnung (Reduktion) in den Publikationsmassstab 1:100 000 sowie die Übertragung über eine Stecherpause auf die Kupferplatte. Mit Sticheln wurde das Kartenbild in Kupfer gestochen. Nach Abschluss des Stichs erfolge der Kupferdruck. Die Geländeformen wurden mittels Schattenschraffen dargestellt, um einen plastischen Raumeindruck zu vermitteln. Die Publikation des Kartenwerks in 25 Blättern (je 70 x 48 cm) im Massstab 1:100 000 erfolgte zwischen 1845 und 1865. Bis 1939 erschienen überarbeitete Neuauflagen dieser Blätter. Karten im Massstab der Originalaufnahmen wurden ab 1870 unter der Bezeichnung «Siegfriedkarte» herausgegeben.

Würdigung und Auszeichnungen

Das Werk Dufours und seiner Mitarbeiter begründete den Weltruf der Schweizer Kartografie und wurde mit mehreren internationalen Auszeichnungen geehrt.

Der zeitgenössische Geograph August Petermann beurteilte die Dufourkarte in seinen Mitteilungen:

Die Dufour’sche Karte in 25 Blättern vereinigt eine genaue Aufnahme mit meisterhafter naturgemässer Zeichnung und schönem geschmackvollem Stich in so ausgezeichneter Weise, in einem so harmonischen Ganzen, und gibt ein so naturnahes Bild der imposanten Alpennatur, dass wir sie unbedingt als die vorzüglichste Karte der Welt ansehen.“

Petermann

Historiker haben die politisch-kulturhistorische Dimension der Dufourkarte untersucht und dargestellt: Das Kartenwerk stellt das erste geometrisch korrekte und ästhetisch schöne Bild des jungen Bundesstaates von 1848 dar, ein Bild sowohl der nationalen Einheit als auch der kantonalen Vielfalt.

Literatur

  • Guillaume-Henri Dufour: Die Schweizerische Landesvermessung, 1832–1864. Geschichte der Dufourkarte, etc. Stämpfli, Bern 1896. British Library, Historical Print Editions, London 2011, ISBN 1-241-38017-1.
  • Thomas Klöti: Denzler, Hans Heinrich. In: Historisches Lexikon der Schweiz..
  • Madlena und Alfons Cavelti: Der Weg zur modernen Landkarte 1750–1865. Die Schweiz und ihre Nachbarländer im Landkartenbild. Von Cassini bis Dufour. Ausstellungskatalog Kornhaus Bern und ETH Zürich. Plepp, Horw/Köniz 1989.
  • Originalzeichnung 1:25′000 für die Dufourkarte (1846/51). In: Zürich einst und jetzt – ein Blick in die Vergangenheit. Neujahrsblatt 2009. Matthieu, Zürich 2009.
  • David Gugerli und Daniel Speich: Topografien der Nation. Politik, kartografische Ordnung und Landschaft im 19. Jahrhundert. Chronos, Zürich 2002.
  • Gerhard Ammann: 200 Jahre «Atlas Suisse». Aarau 2003.

Weblinks

Commons: Topographische Karte der Schweiz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Triangulationspunkte – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Schlussbericht des Herrn General Dufour über die topographische Karte der Schweiz vom 31. Dezember 1864. Bundesblatt der schweizerischen Eidgenossenschaft, 1865
  2. Triangulation Primordiale von 1838, welche die geometrische Grundlage der Dufourkarte bildete. Swisstopo Geodäsie-Archiv 191/6
  3. Universität Bern 1954: Bernische Kartierung zur Zeit der Dufourkarte und Vorarbeiten zum bernischen Kataster (PDF; 4,8 MB)