Benutzer:Minderbinder/Pöseldorf

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Pöseldorfs Grenzen lassen sich nur ungefähr bestimmen.

Pöseldorf ist eine Ortslage in Hamburg, westlich der Außenalster und überwiegend im Stadtteil Rotherbaum gelegen, zwischen Mittelweg und Harvestehuder Weg. Pöseldorf ist überwiegend mit Villen und Einzelhäusern bebaut, teils findet sich aber auch Blockrandbebauung. Als charakteristisch gilt die kleinteilige, verwinkelte Bebauung mit viel Grün.

Pöseldorf war nie ein historisches Dorf und auch kein Ortsteil mit Verwaltungsgrenzen, sondern eine erstmals 1825 belegte Bezeichnung für die Gegend vor dem Dammtor, in der sich auf ehemaligem Garten- und Ackerland Handwerker und Dienstboten ansiedelten. Diese Bezeichnung mag anfangs spöttisch gewesen sein, denn „pöseln“ stand im Hamburger Dialekt für ebenso fleißiges wie erfolgloses Vor-sich-hin-werkeln.[1] Da es nie eine offizielle Grenzziehung gab, ist der genaue Umriss des Gebiets nicht definiert. Gemeinhin wird das Karree Alte Rabenstraße – Mittelweg – Alsterchaussee – Harvestehuder Weg als Kernbereich von Pöseldorf betrachtet, wobei die herrschaftlichen Villen am Harvestehuder Weg selbst nicht zu Pöseldörf zählen, wohl jedoch deren rückwärtig gelegenen Ställe, Remisen und Nebengebäude für das Dienstpersonal.

Das Gebiet von Pöseldorf überstand den Zweiten Weltkrieg weitgehend unbeschädigt, allerdings wurden in den 1970er Jahren Teile der Altbauten zugunsten von Einkaufszentren abgerissen. Pöseldorf wird durch Gastronomie, Kunstgalerien und gehobenen Einzelhandel geprägt, der Ortsteil gilt als eine der teuren Lagen von Hamburg.

Lage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Pöseldorf liegt westlich der Außenalster. Eine offizielle Grenze existiert nicht, als Kernbereich wird weithin das von Harvestehuder Weg, Alte Rabenstraße, Mittelweg und Alsterchaussee umgrenzte Gebiet verstanden. [2]

Südlich die ehemalige Gartenhauskolonie Fontenay,

Westlich das Grindelviertel

Östlich der Alsterpark

Nördlich?

Auch der Pöseldorfer Weg https://philipp-immobilien.de/rotherbaum/poeseldorf-rotherbaum-hamburg/

[3]

Das 2020 eingeführte Bewohnerparkgebiet "Pöseldorf" folgt diesen Grenzen, rechnet aber im Westen noch das Gebiet bis zur Rothenbaumchaussee hinzu.[4]

Damit besteht Pöseldorf aus den statistischen Gebieten 36008 und 36004.

https://www.hamburg.de/contentblob/15711332/25f1e060abce6cf5f794d4197b3f9d2d/data/d-sozialmonitoring-2021-bericht-anhang.pdf

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vom Kloster Harvestehude zum Gartenbetrieb (1295 bis 1854)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Gärtnerfamilie Böckmann war ab 1640 in Hamburg ansässig und betrieb erfolgreich Baum- und Pflanzschulen. 1681 pachtete Böckmann Land an der Außenalster vom Kloster Harvestehude. 1788 erwarb die Firma Böckmann das Land, das ungefähr dem Karree Alte Rabenstraße, Mittelweg, Alsterchaussee, Harvestehuder Weg entsprach.[5]

Verwüstung des Vorfelds vor dem Alstertor 1813

1813 wurden unter französischer Besatzung die wenigen Häuser vor den Festungsmauern (also nördlich Kennedybrücke) abgebrannt und bis zur Höhe der Alsterchaussee alle Bäume gefällt, um freies Schussfeld zu schaffen.[6]

Der letzte Inhaber war Johann Hinrich Böckmann d.J. (1767-1854), nach dessen Tod das Gelände parzelliert wurde.[5]

Besiedlung von Pöseldorf (1855 bis 1959)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

wurden hier zwischen Pöseldorfer Weg und Magdalenenstraße Remisen und Häuser für Kutscher, Handwerker, Krämer und Dienstboten gebaut.

Mitte des 19. Jahrhunderts lebten etwa 5000 Menschen in Pöseldorf.[7]

1848 wurde der Bürgerverein vor dem Dammtor gegründet, heute Bürgerverein vor dem Dammtor / Pöseldorf r. V.[8]

Die Hamburger Strassen-Eisenbahn-Gesellschaft eröffnete 1881 die Linie Mittelweg, zunächst als Pferdebahn. Um 1890 wurden hier jährlich etwa eine Million Passagiere befördert.[9] Bis 1898 wurde die Strecke elektrifiziert.[10]

In Pöseldorf befand sich ein Postamt, das mehrfach umzog: von der Milchstraße 10 (Post-Expedition Nr. 7)[11] an den Mittelweg 31/32 (Postverwaltung Nr. 7),[12], dann an den Mittelweg 40 (Louisenallee)[13] Das Postamt Nr. 17 an der Louisenallee wurde um 1924 geschlossen.

Gentrifizierung und In-Viertel (ab 1959)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Nachkriegszeit galt das Viertel als Wohnort für Künstler und Studenten der nahegelegenen Universität.[14]

Der Hamburger Antiquitätenhändler Eduard Brinkama (1927-1978) erwarb 1959 für 100.000 D-Mark eine alte Wagenremise in der Milchstraße 11 und renovierte sie. In den folgenden Jahren erwarb er weitere der oft kleinen und verschachtelten Grundstücke in Pöseldorf mit Werkhöfen, Ställen, Häusern und ließ sie restaurieren. 1965 gehörten Brinkama schon zwölf Häuser, die er im Schnitt für 200.000 Mark gekauft hatte, um sie dann luxussaniert zu vermieten.[15] Er vermietete Gebäude vornehmlich an Künstler, Galeristen, Medienschaffende und Studenten. 1971 beantragte er für 37 seiner Häuser den Denkmalschutzliste. Insgesamt besaß er zu diesem Zeitpunkt rund 70 Häuser in und um Pöseldorf

Der Baunternehmer Hermann Friedrich Bruhn ließ zwischen Mittelweg, Milchstraße und Brodersweg das Pöseldorf Center errichten, ein Einkaufszentrum mit 4.500 Quadratmetern Einzelhandelsfläche, dazu 150 Mietwohnungen.[16] Der erste Entwurf von 1968 stammte von Werner Kallmorgen.[17] 60 Familien aus Wohnungen in Häusern, die dafür abgebrochen wurden, wurde gekündigt.[18] Im dafür aufgestellten Bebauungsplan wurde der Abriss der kleinteiligen Bebauung festgelegt.[19] Das Einkaufszentrum wurdee 1972 eingeweiht und 2005 modernisiert, es befindet sich immer noch im Besitz der Familie Bruhn.[16]

Modemacherin Jil Sander eröffnete 1968 ihre eigene Boutique an der Ecke Milchstraße/Magdalenenstraße.[20] Sander lebte auch in Pöseldorf, von 1978 bis 2000 in der Villa Milchstraße 9, [21] dann in der Villa Beit, Harvestehuder Weg 13 / Ecke Milchstraße.

1974 wurden die Fassaden von Häusern im Brodersweg von Hans-Gustel Agné mit Ansichten historischer Häuser bemalt.[22]

Ab 1974 ließ Eduard Brinkama als Bauherr ein kleineres Zentrum an der südlichen Ecke von Milchstraße und Mittelweg bauen (Anschrift Mittelweg 141), direkt gegenüber vom Pöseldorf Center. Geplant waren 2500 Quadratmeter Nutzfläche für Einzelhandel, Gastronomie und Büros. Der Entwurf für den sechsstöckigen Neubau mit der grünen Metallfassade stammte von Klaus-Peter Jebens-Friccius, die Innenarchitektur von Peter Preller.[23]

Brinkama und Bruhn wurden in der linken Zeitschrift konkret beschuldigt, die Grundstücke Pöseldorfs unter sich aufgeteilt zu haben. An der Außenalster solle so ein Luxus-Schwabing entstehen. „Vollgepfropft mit Boutiquen, Antiquitätenläden, knalligfarbenen Porsches und angesnobten Gesichtern, aus denen unverkennbar Langeweile trieft“, sei das Viertel jetzt schon.[24]

https://www.spiegel.de/politik/erwecker-im-dorf-a-e07d7c6c-0002-0001-0000-000046169203

Das Jazzlokal Onkel Pö an der Ecke Milchstraße / Mittelweg zog XXX nach Eppendorf um.

Im Mai 1980 stürmten hunderte Jugendliche, zumeist Punks, das als Popper-Viertel verpönte Pöseldorf und warfen dort Scheiben ein und kippten Autos um.[25]

Vom Platzen der Internet-Blase bis heute (seit 2000)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den 2000er Jahren kam das Quartier aus der Mode, viele Mode-Boutiqen zogen aus. Die Verlagsgruppe Milchstraße zog 2009 nach Übernahme durch Burda weg. Es gab zusehends Leerstand, so auch in Brinkamas Einkaufszentrum am Mittelweg 141.

Wirtschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Exklusive Marken mit Geschäften in der Milchstraße:

Jil Sander

Hermès

Chanel, 1983 eröffnet [26]

Rena Lange, 1985 eröffnet, 1997 an den Neuen Jungfernstieg verzogen https://www.abendblatt.de/archiv/1996/article201616625/Neue-Firmen-in-der-Innenstadt.html

Cartier

[27]

Bauwerke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

https://books.google.de/books?id=TrNKZxfO3g8C&pg=PA132&dq=P%C3%B6seldorf&hl=de&newbks=1&newbks_redir=0&sa=X&ved=2ahUKEwiD6JqXlaqAAxVP_7sIHcVUB_AQ6AF6BAgEEAI#v=onepage&q=P%C3%B6seldorf&f=false

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hamburg hat 104 Stadtteile. Unter diesen Stadtteilen lag Rotherbaum 2021 nach mittlerem Quadratmeterpreis für Eigentumswohnungen an dritter Stelle, nach Hafencity und Harvestehude. Da diese Statistik ohne Verkäufe von Neubauten erhoben wird, die Hafencity jedoch keinen nennenswerten Bestand an Wohnungen vor Baujahr 2009 aufweist, stehen bei Eigentumswohnungen im Bestand, wie sie für Pöseldorf charakteristisch sind, Harvestehude und Rotherbaum an erster und zweiter Stelle der Preisskala in ganz Hamburg.[28]

Der gängige Schmähname „Schnöseldorf“ bezieht sich nicht nur auf Einkommen und Vermögen der hier Lebenden, sondern auch ihren Lebensstil, der assoziativ auf das Quartier übertragen wird.[29]

In den 1970er Jahren stand "Pöseldorf" in Hamburg für die "Wiederbelebung und Aufwertung einer stark heruntergekommenen und fast vergessenen Ecke der Stadt, verband sich aber gleichzeitig auch stark mit negativen Schlagworten wie "Schicki-Micki" oder "Schnöseldorf". 1986 übersetzte der Soziologe Jürgen Friedrichs das damals nicht etablierte Wort "gentrification" in einem Brief an die Hamburger Baubehörde mit "Pöseldorferisierung", so sehr schien ihm die Entwicklung in Pöseldorf emblematisch zu sein.[30]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Bunsen, Gertrud: Erinnerungen an Pöseldorf, sechs Bände. Hamburg 1992–1999, PPN 216875285. (Gertrud Bunsen (1921-2016) gilt als Chronistin „ihres Stadtteils Rotherbaum“,[31] sie verfasste eine Reihe von Schriften zu Pöseldorf, die sie im Selbstverlag veröffentlichte.)
  • Gaedechens, C. F.: Pöseldorf. In: Mitteilungen des Vereins für Hamburgische Geschichte, 3. Jg. (1881), S. 74-79. (Volltext)
  • Hipp, Hermann: Harvestehude, Rotherbaum. Christians, Hamburg 1976, ISBN 3-7672-0425-8.
  • Wilhelm Melhop: Historische Topographie der Freien und Hansestadt Hamburg von 1880 bis 1895, nebst vielen Nachträgen aus älterer Zeit. Mauke, Hamburg 1880-1895, S. 275-288. (Volltext)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Pöseldorf – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. C. F. Gaedechens: Pöseldorf. In: Mittheilungen des Vereins für Hamburgische Geschichte. Hamburg 1878, S. 74–79.
  2. Pöseldorf ist für alle da, Text zu einer Anzeigenseite. In: Hamburger Abendblatt, 23. November 1972, S. 24. (Scan)
  3. Ascan Klee-Gobert: Pöseldorf]. In: Die Zeit, 4. April 1946 (S. 1 / S. 2.
  4. Bewohnerparken Rotherbaum (E302), LBV VE 2022
  5. a b Sylvia Butenschön: Frühe Baumschulen in Deutschland: zum Nutzen, zur Zierde und zum Besten des Landes. Univerlagtuberlin, Berin 2012, S. 25 ff. und 150 ff.
  6. C. F. Gaedechens: Pöseldorf. In: Mitteilungen des Vereins für Hamburgische Geschichte, 3. Jg. (1881), S. 74-79.
  7. Frische Austern in der Badewanneeseldorf-veraendern.html Ein Neubau soll das Gesicht von Pöseldorf verändern]. In: Hamburger Abendblatt, 13. Juni 1949, S. 3. (Scan)
  8. [http://bv-dammtor.de/index.html
  9. E. Meyer, Hamburg: Die Hamburg-Altonaer Pferdebahn-Gesellschaften. In: Zeitschrift für das gesammte Local- und Strassenbahnwesen, ZDB 2835815-6, X. Jahrgang (1891), S. 132-136. (Online)
  10. Max Meyer, Hamburg: Die Hamburg-Altonaer Strassenbahn-Gesellschaften. In: Zeitschrift für das gesammte Local- und Strassenbahnwesen, ZDB 2835815-6, XVII. Jahrgang (1898), S. 12-20. (Online)
  11. Hamburgisches Adressbuch für 1870, Verkehr und Kommunikation, Seite I/LVI.
  12. Hamburgisches Adressbuch für 1875, Verkehr und Kommunikation Seite I/LXXVI. ("Deutsches Reichspostwesen, I. Post-Anstalten", Online)
  13. Hamburger Adressbuch, Ausgabe Grossraum Hamburg. Hermanns Erben, Hamburg 1895, S. 72
  14. Rena Gralla: Schampus-seliger Schickimicki-Treff. In: Hamburger Abendblatt, 16. März 1985. (Online im Internet Archive)
  15. Erwecker im Dorf. In: Der Spiegel, Nr. 5/1965 (26. Januar 1965)
  16. a b Ulrich Gaßdorf: Pöseldorf Center: "HafenCity ist keine Konkurrenz für uns". In: Hamburger Abendblatt, 23. November 2022. (Basiert in Teilen auf der Pressemitteilung der Hermann Friedrich Bruhn GmbH & Co. KG, 24. November 2022.)
  17. Ein Neubau soll das Gesicht von Pöseldorf verändern. In: Hamburger Abendblatt, 4. Oktober 1968, S. 3. (Scan)
  18. Brinkama protestiert gegen Baupläne In: Hamburger Abendblatt, 5. September 1970.
  19. Bebauungsplan Rotherbaum 15, 6. Juli 1971.
  20. Horst Lietzberg: Jil hat viel Mut zum Risiko. In: Hamburger Abendblatt, 15. Februar 1969, S. 75. (Scan)
  21. Frühere Jil-Sander-Villa zu verkaufen. In: Hamburger Abendblatt, 11. Dezember 2016.
  22. Das Haus ohne Räume. In: Hamburger Abendblatt, 24. August 1974, S. 3. (Scan)
  23. Harald Naumann: Pöseldorf-Center bekommt Konkurrenz. In: Hamburger Abendblatt, 24. August 1974, S. 3. (Scan)
  24. Michael Krey: Kolonialismus in Pöseldorf. In: konkret extra, ISSN 0173-6000, Nr. 10, Mai 1971, S. 13 f.
  25. Als die Punks nach Pöseldorf kamen, NDR, Hamburg Journal, Erstausstrahlung 20. Juli 2014 und Hamburger Abendblatt, 5. Mai 1980, S. 3. (Scan)
  26. Inga Griese: Wie Chanel nach Hamburg kam. In: Die Welt, 26. Juli 2009.
  27. Alexandra Maschewski: Neues Leben in der Milchstraße. In: Die Welt, 20. Februar 2011.
  28. Mittlere Kaufpreise pro Quadratmeter Wohnfläche von Eigentumswohnungen (ohne Neubau) 2021 [in Euro / Quadratmeter]. In: Gutachterausschuss für Grundstückswerte in Hamburg (Hrsg.): Immobilienmarktbericht Hamburg 2022. Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung, Hamburg 2022, S. 44. (Berichtszeitraum 01.01. – 31.12.2021, Online)
  29. Marcus Kutscher: Segregationskonzept, Working Paper Nr. 8, S. 27. Münster 2020. (Online)
  30. Karl Christian Führer: Die Stadt, das Geld und der Markt: Immobilienspekulation in der Bundesrepublik 1960-1985. de Gruyter, Berlin 2015. (Kapitel 7, Sozialdemokratiosche Stadtplanung in Hamburg)
  31. Volker Reißmann: Familienarchiv Bunsen in scopeArchiv erfasst. In: Archivjournal - Neuigkeiten aus dem Staatsarchiv Hamburg, Ausgabe 01/2017, S. 4.

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