Verdichtete Mathematik

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Verdichtete Mathematik (englisch condensed mathematics, gelegentlich deutsch auch Kondensierte Mathematik genannt)[1] ist ein Gebiet der Mathematik, das sich zum Ziel setzt, topologische algebraische Strukturen so auszudrücken, dass sie für Anwendungen in Algebra und Zahlentheorie besser handhabbar sind. Die Theorie basiert auf sogenannten verdichteten Mengen, die als Ersatz für topologische Räume verstanden werden können.

Grundbegriffe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stone-Räume (d. h. kompakte und total unzusammenhängende Hausdorff-Räume) sind die Grundbausteine der verdichteten Mathematik. Beispiele sind der Ring der -adischen ganzen Zahlen für jede Primzahl .

Eine verdichtete Menge ist eine Garbe (englisch sheaf) auf einer Kategorie von Stone-Räumen.[2]

Zwischenziele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Teile des genannten Vereinheitlichungsprogramms bestehen darin, topologische Räume durch solche „verdichteten Mengen“ zu ersetzen,[3] die Funktionalanalysis in einen Zweig der kommutativen Algebra zu verwandeln und verschiedene Arten der analytischen Geometrie in die algebraische Geometrie zu überführen.[4] „Verdichtete abelsche Gruppen“ bilden eine Abelsche Kategorie, die somit den Gesetzen der homologischen Algebra genügt.[3]

Grob gesagt wird ein topologischer Raum durch den Funktor ersetzt, der eine proendliche Menge auf die Menge der stetigen Abbildungen von nach abbildet. Für jeden kompakten Hausdorff-Raum gibt es eine Surjektion von einer proendlichen Menge auf Eine solche Surjektion ist beispielsweise die Dezimaldarstellung, d. h. die Abbildung (englisch decimal expansion) von der proendlichen Menge der Folgen in {0,1,2,3,4,5,6,7,8,9} auf das Intervall [0, 1].[3]

Forschungsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahr 2018 erkannten der deutsche Zahlentheoretiker und Fields-Medaillenträger Peter Scholze und Dustin Clausen, dass die herkömmliche Topologie zu Inkompatibilitäten zwischen Geometrie, Funktionalanalysis und p-adischen Zahlen führt – und waren überzeugt, dass eine veränderte Vorgehensweise diese Lücken schließen könnte. Die beiden kündigten 2019 an, dass sie die Mathematik in dieser Weise neu aufbauen wollen.[5]

Scholze bat 2020 in einem Blog-Post die Community des Beweisassistenten Lean um eine Formalisierung des Beweises eines Theorems, dessen Richtigkeit entscheidend für die Anwendung von Konzepten der verdichteten Mathematik in der Funktionalanalysis sei.[6] Stand Juni 2021 gelang die Verifizierung eines signifikanten Abschnittes des Beweises, über welchen Scholze zuvor leichte Bedenken geäußert hatte.[7][6]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Davide Castelvecchi: Der Umbau der Mathematik mit Computerunterstützung. In: Spektrum Magazin. Oktober 2021, S. 21–22, online vom 15. September 2021.
  2. Definition 1.2; Definition 2.1; Definition 2.11. In: Dustin Clausen, Peter Scholze: Lectures on Condensed Mathematics. Universität Bonn 2019. Auf Uni-Bonn.de (PDF; 638,9 kB, englisch), abgerufen am 17. Juni 2023.
  3. a b c Steffen Kionke: Condensed mathematics – SPP 2026. 17. Dezember 2020, abgerufen am 6. Dezember 2021 (englisch).
  4. condensed mathematics in nLab. In: ncatlab.org. Abgerufen am 21. Juni 2021 (englisch).
  5. Davide Castelvecchi: Mathematicians welcome computer-assisted proof in ‘grand unification’ theory. In: Nature. 18. Juni 2021, doi:10.1038/d41586-021-01627-2 (englisch, nature.com).
  6. a b Peter Scholze: Liquid tensor experiment. In: Xena-Project blog. 5. Dezember 2020, abgerufen am 29. Mai 2022 (englisch).
  7. Peter Scholze: Half a year of the Liquid Tensor Experiment: Amazing developments. In: Xena Project blog. 5. Juni 2021, abgerufen am 29. Mai 2022 (englisch).