Verkehrsstau

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 15. Oktober 2016 um 16:37 Uhr durch 109.91.63.37 (Diskussion) (Das "T" in ITS steht nicht für "Traffic", sondern für "Transportation". https://en.wikipedia.org/wiki/Intelligent_transportation_system). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Der Begriff Verkehrsstau (kurz Stau) bezeichnet einen stark stockenden oder zum Stillstand gekommenen Verkehrsfluss auf einer Straße. Als einer der Gründe dafür gilt eine zu hohe Anzahl von Fahrzeugen pro Zeiteinheit (oder pro Streckenlänge). Die Ursachen für einen Verkehrsstau sind damit allein jedoch nicht erklärbar. Im Gegensatz zum Halten zählt der Verkehrsstau zum Fließenden Verkehr.

Zeichen 124 des Staus (Deutschland)

Staus – auch solche auf Wasserstraßen, Eisenbahnschienen, auf Flughäfen oder im Luftraum („Warteschleife“) – sind ein Forschungsgegenstand der Verkehrswissenschaften. Fluchtwege für Fußgänger in Gebäuden und bei Großveranstaltungen werden zur Reduktion von Staugefahr breit und flüssig gestaltet und Besucherzahlen begrenzt.

Verkehrsexperten unterscheiden zwischen „Stau“ und „stockendem Verkehr“. In der Schweiz wird beispielsweise „fachlich“ von einem Stau gesprochen, wenn der Straßenverkehr mindestens für eine Minute mit weniger als 10 km/h fließt. Liegt die Geschwindigkeit im Bereich zwischen 10 und 30 km/h, spricht man von stockendem Verkehr.[1]

Zusammenbruch des Verkehrsflusses

Ursachen

Stau-Ursachen auf deutschen Autobahnen[2]

Typischerweise liegt die Kapazität einer Straße bei 1500 bis 2500 Fahrzeugen pro Stunde und Spur. Herabgesetzt werden kann die Kapazität z. B. durch ungünstige Witterung wie Regen, Schnee- oder Glatteis sowie ineffektives Verhalten der Verkehrsteilnehmer, zum Beispiel durch Schaulust. Dadurch können Staus aus dem Nichts entstehen, bei denen den Verkehrsteilnehmern auch nach Ende des Staus die Ursache verborgen bleibt (im Gegensatz zu Unfällen, bei denen die Unfallstelle bei der Vorbeifahrt als Ursache erkannt werden kann).

Eine lokal verringerte Kapazität des Verkehrswegs durch Ereignisse wie Spursperrungen aufgrund von Baustellen oder Unfällen sowie Fahrbahnverengungen zum Beispiel vor Tunneln begünstigen die Stauentstehung ebenfalls. Eine solche kapazitätslimitierende Verengung des Verkehrsweges wird auch Nadelöhr genannt.

Auch ein erhöhtes Verkehrsaufkommen kann für Staus verantwortlich sein. Gründe dafür können Berufsverkehr, Reiseverkehr (besonders zu Beginn und am Ende von Ferien sowie samstäglicher „Bettenwechsel“ in Urlaubsgebieten) und Großveranstaltungen sein.

Stau-Erkennung

Visuelle Beobachtung

Über freiwillige Staumelder, Polizeistreifen, Kameras und Hubschrauber werden Straßen und Verkehrsknotenpunkte visuell beobachtet.

Stationäres Erfassungs-System

Verkehrsflusssensor an der Bundesautobahn 5

Mittels fest montierter Sensoren an der Autobahn wird der Verkehrsfluss objektiv gemessen. Hierbei wird nur die linke Fahrspur überwacht, da über die Parameter Abstand und Geschwindigkeit auf der linken Spur auf die Verkehrsdichte der anderen Spuren geschlossen werden kann. Auf deutschen Autobahnen befindet sich im Schnitt alle 4 Kilometer ein Sensor, so dass hier insgesamt ca. 4000 Sensoren im Einsatz sind.

Floating Car Data (FCD) / Floating Phone Data (FPD)

Bei diesem modernen Verfahren werden in Fahrzeugen mitgeführte Mobiltelefone oder eingebaute Geräte (i. d. R. mit einem Sender ausgerüstete GPS-Empfänger) zur Messung der Verkehrsgeschwindigkeit und der Reisezeit verwendet. Das Verfahren Floating Cellular Data mit den Mobiltelefonen ist unpräziser als GPS, jedoch um vieles günstiger, da keine zusätzliche Hardware (Mobiltelefone), Infrastruktur (Antennen) oder Netzbelastung (Senden von Daten) notwendig ist und für allgemeine Aussagen genügend präzise.

Die Netzwerk-Betreiber anonymisieren die Signale der Mobiltelefone und lassen sie durch Spezialfirmen auf Geschwindigkeit analysieren. Diese Daten sind nützlich und Basis für die meisten Intelligent Transportation Systems (ITS), wie aktive Verkehrsführung, Notfall- und Evakuationsmanagement, Stau-Umfahrung, Zeitschätzung. Es bietet ein Echtzeit-Bild des aktuellen Verkehrsgeschehens; fortgeschrittene Software wird auf Grund der Echtzeit-Daten auch Verkehrsbelastung und Staus voraussagen (predictive).

FCD-Verfahren mittels Handys haben gegenüber herkömmlichen Systemen (Sensoren, Kameras, etc.) große Vorteile:

  • Kostengünstiger, da keine zusätzlichen Geräte oder Netzwerke erforderlich sind
  • Nicht nur Autobahnen, sondern auch Nebenstraßen werden erfasst
  • Keine Installationen an der Trasse.

Es gibt bezüglich der Nutzung dieser Daten datenschutzrechtliche Bedenken.

Staumeldung

Stauwarnanlage

Wechselverkehrszeichen an einer Schilderbrücke

Warnung der Verkehrsteilnehmer können mit Hilfe von entsprechenden Gefahrzeichen oder durch die Anzeige von Texten geschehen. Zusätzlich können Geschwindigkeitsbeschränkungen angeordnet werden oder Ausweichrouten vorgeschlagen werden. Bei Gotthardstau beispielsweise wird die San Bernardino-Route vorgeschlagen. Stauwarnanlagen verfügen meistens über eine automatische Erkennung und kommen an Schilderbrücken in Form von Wechselverkehrszeichen zum Einsatz.

Radio

Staumeldungen werden im Verkehrsfunk vorgelesen und über TMC (Traffic Message Channel) im nichthörbaren Bereich des UKW-Signals in digitaler Form gesendet. Allerdings ist der TMC-Bereich sehr schmal, so dass sämtliche Meldungen nur etwa alle fünfzehn Minuten übertragen werden. Da es außerdem häufig vorkommt, dass ein Empfänger eine Meldung verpasst, kann der Empfang der TMC-Meldung sich erheblich verzögern. Staumeldungen über TMC können von Navigationssystemen empfangen und verarbeitet werden.

Weitere Infokanäle

Staumeldungen werden im Videotext und im Internet von verschiedenen Anbietern veröffentlicht. Des Weiteren können sie individuell über Mobiltelefone abgefragt werden. Hierzu wird die Position des Anfragenden automatisch lokalisiert und weitere Information zur Fahrtroute abgefragt.

Verhalten im Verkehrsstau

Da ein Stau neben Verzögerungen auch Unfallrisiken birgt, gibt es vom ADAC, ASTRA[3] oder anderen Interessengruppen Hinweise zum Fahrverhalten, die meistens wie folgt lauten:

  • Auf der Autobahn die Warnblinkanlage einschalten und den Verkehr beobachten.
  • Gleitend bremsen, um ein Auffahren des folgenden Fahrzeugs zu vermeiden.
  • Beim „Auffahren“ auf den Stau Sicherheitsabstand einhalten.
  • Bei absehbar längeren Wartezeiten Motor abstellen, in Tunneln unverzüglich.
  • Beim Annähern und Passieren gesicherter Unfallstellen nicht bremsen.

Auf Autobahnen ist im Stau in Deutschland, Österreich, Tschechien und Ungarn eine Rettungsgasse in der Mitte der zwei Fahrstreifen freizulassen, bei drei- oder mehrstreifigen Fahrbahnen ist national unterschiedlich geregelt, zwischen welchen Fahrstreifen die Rettungsgasse gebildet werden muss. Blockiert ein Fahrzeug die Standspur, muss ca. 4 Meter vor und hinter dem Hindernis im rechten Fahrstreifen eine Lücke gelassen werden. In der Schweiz und in Slowenien wird die Bildung einer solchen Gasse ausdrücklich empfohlen.

Bei noch fließendem Verkehr sollte jegliches Kolonnenspringen unterlassen werden. Die Standspur darf nur auf polizeiliche Anweisung als Fahrstreifen benutzt werden (etwa um zur nächsten Autobahnausfahrt zu gelangen). In Ausnahmefällen (z. B. A99 Ring München oder A1 Morges–Ecublens[4]) kann durch entsprechende Beschilderung der Standstreifen bzw. Pannenstreifen für den Verkehr freigegeben werden.

Folgen

Für direkt betroffene Stauteilnehmer können bezifferbare Schäden durch den Zeitverlust eintreten. Volkswirtschaftlich rechnet man Stau-Schäden in Milliardenhöhe hoch. Arbeitszeit, staubedingte Unfallkosten und Kraftstoffverbrauch werden dazu abgeschätzt. In Deutschland erreichen solche Schätzwerte bis zu 100 Milliarden Euro. Im Durchschnitt verbringt nach diesen Schätzungen jeder Bundesbürger fünfzig Stunden pro Jahr im Stau.

Psychologische Ansätze in der Stau-Forschung

Gängige Erklärungen von Verkehrs-Lehrstuhlinhabern, wie etwa die der Physiker Michael Schreckenberg und Martin Treiber, gehen von physikalischen Wirkparametern aus, deren Interpretation darauf hinausläuft, dass „falsches“ Fahrverhalten und hohe Fahrgeschwindigkeit Stauursache sind.

Demgegenüber ist seit Jahrzehnten nicht mehr umstritten, dass das Fahrerverhalten wesentlich auf der Wahrnehmung von Fahrbahn und Peripherie beruht. Verhaltensbestimmende Wahrnehmungsinhalte im Blickfeld des Fahrers sind beispielsweise Tiefe und Breite des Blickfeldes. So führen Blickfeldverkürzungen zu spontaner Verlangsamung, während umgekehrt eine Ausweitung des Blickfeldes zu Beschleunigung führt. Geschwindigkeitsverändernde Parameter sind auch Helligkeits- und Farbkontraste, Dichte und abrupte Wechsel im Blickfeld. Diese Parameter sind nicht nur in Straßenführung und Peripherie nachgewiesen, sondern werden auch durch das Eintreten richtungsgleicher Fahrzeuge in das Blickfeld erwartet.

Die von Seiten der Physik geforderte Fähigkeit des Fahrers, einen definierten Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug einzuhalten, geht schon deswegen ins Leere, weil der Wahrnehmungs- und Reaktionsapparat des Menschen eine solche Fahrleistung nicht vorsieht. Von der Strömungsphysik abgeleitete Verkehrsmodelle kranken durchwegs daran, dass sich der Mensch anders als eine physikalische Strömungseinheit bewegt.[5]

Superlative

Das Guinness-Buch der Rekorde verzeichnet den längsten Stau der Welt 1980 zwischen Paris und Lyon mit 176 km Länge. Betrachtet man auch Verkehrsstaus in einem zusammenhängenden Streckennetz und nicht nur auf einer Einzelstrecke, so wurde dies inzwischen überboten. Am 11. Juni 2009 gab es in São Paulo gegen 19 Uhr Ortszeit im Streckennetz des Großraumes Stau auf insgesamt 293 km Länge.[6]

Ein Stau in Russland am 2. Dezember 2012 hatte nach Medienberichten eine Länge von 200 km, wurde offiziell aber mit 20 km angegeben.[7]

Siehe auch

Literarische Verarbeitung

Weblinks

Commons: Verkehrsstau – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Stau – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Quellen

  1. Staudefinition vom schweizerischen Bundesamt für Straßen
  2. Institut f. Verkehrswesen (Hrsg.): Von den Anfängen bis zur Gegenwart Verkehrstechnik an der Universität Kassel, Kassel University Press, 2005, ISBN 3-89958-303-5, Seite 15
  3. Verhalten im Stau, ASTRA
  4. Achtung Stau: Die Wächter über den Verkehr, swissinfo, abgerufen am 18. April 2014
  5. siehe schon Leutzbach & Papavasiliou, 1988! sowie Brackstone, 2000.
  6. Der längste Stau der Welt war 293 Kilometer lang, mz-web.de
  7. Russian drivers trapped in 'monster' traffic jam, abgerufen am 2. Dezember 2012.