Vermögen (Recht)

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Das Vermögen im rechtlichen Sinne umfasst alle geldwerten Rechte, die einem Rechtssubjekt, also einem Menschen oder einer Organisation, durch die Rechtsordnung zugewiesen sind.[1]

Der rechtliche und der wirtschaftliche Vermögensbegriff unterscheiden sich voneinander. Nach herkömmlicher Auffassung zählen nicht die Rechtsgegenstände selbst zum Vermögen, sondern nur die Rechte an den Gegenständen. Deshalb gehören beispielsweise nicht die Sachen selbst, die einer Person gehören, zum Vermögen im Rechtssinne, sondern nur die Rechte, die an diesen Sachen bestehen, also z. B das Eigentum, das wiederum verwertet werden kann[2] . Dabei bildet der aufsummierte Wert der Forderungen und Eigentumsrechte (Aktiva) das Bruttovermögen. Das Bruttovermögen abzüglich der Schulden (Passiva) bildet das Nettovermögen.[3]

Der Schuldner haftet für seine Verbindlichkeiten mit seinem gesamten Vermögen gegenüber dem Gläubiger.

Zivilrecht

Das Vermögen ist im deutschen Recht grundsätzlich nicht als solches geschützt, man kann es deshalb nur ausnahmsweise „verletzen“ oder beschädigen. Es fällt nicht unter den Schutz des „besonderen Rechts“ im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB.[4] Bloße Vermögensschäden sind aus § 826 BGB[5] sowie aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263, § 266 StGB als Schutzgesetze ersatzfähig.[6]

Nach dem Grundsatz der Singularsukzession müssen alle Vermögensgegenstände einzeln übertragen werden. Über sein Vermögen kann man also nicht im ganzen verfügen.

Der Vermögensbegriff wird im Bürgerlichen Gesetzbuch selbst nicht definiert, obwohl es ihn vielfach verwendet.[1] Insbesondere ist er von zentraler Bedeutung für den Schadensersatz, wo vorwiegend die unfreiwillige Einbuße an Vermögensgütern ausgeglichen werden soll. Im Erbrecht tritt der Erbe grundsätzlich die Rechtsnachfolge in das gesamte Vermögen des Erblassers an, § 1922 BGB.

Im Insolvenzrecht richtet sich die Abwicklung auf das Vermögen des Schuldners, § 35 InsO.

In das Schuldnerverzeichnis sind alle körperlichen Gegenstände im Eigentum des Schuldners sowie Forderungen aufzunehmen (§ 802c Abs. 2 ZPO).

Strafrecht

Der strafrechtliche Vermögensbegriff ist umstritten.

Sozialrecht

Bei Prüfung der Hilfebedürftigkeit werden Einkommen und Vermögen des Leistungsberechtigten berücksichtigt. Die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen erfolgt nach ständiger Rechtsprechung dadurch, dass das Vermögen das ist, was ein Leistungsbezieher in seiner Bedarfszeit bereits besitzt, während das Einkommen das ist, was der Leistungsbezieher in seiner Bedarfszeit wertmäßig dazu erhält. Hierbei ist auf den Zeitpunkt des Zuflusses abzustellen,[7] es sei denn, aus Rechtsnormen ergibt sich eine anderslautende Regelung, etwa bei einer Erbschaft, die nach § 1922 BGB mit dem Zeitpunkt des Erbfalls auf die Erben übergeht und damit sozialhilferechtlich als Einkommen gilt, wenn der Erbfall während des Leistungsbezugs eintritt.[8]

Als Vermögen gelten unter anderem Geld und Geldeswerte wie Bargeld oder Schecks,[9] bewegliche und unbewegliche Sachen wie Grundstücke oder Schmuck[10] und sonstige Rechte wie Forderungen, Wertpapiere, Bankguthaben, Nießbrauch, Dienstbarkeiten etc.[11] Einzusetzen ist jedoch sowohl im SGB II (§ 12 Abs. 1 SGB II) als auch im SGB XII (§ 90 Abs. 1 SGB XII) nur das verwertbare Vermögen. Vermögen ist verwertbar, wenn seine Gegenstände verbraucht, übertragen und belastet werden können.[12] Die Verwertung muss für den Betroffenen einen Ertrag bringen, durch den er, wenn auch nur kurzzeitig, seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Nicht verwertbar ist Vermögen, wenn in absehbarer Zeit kein Käufer zu finden sein wird, etwa weil Gegenstände dieser Art nicht (mehr) marktgängig sind oder weil sie, wie beispielsweise Grundstücke in Folge sinkender Immobilienpreise, über den Marktwert hinaus belastet sind.[13] Vermögen ist auch dann nicht verwertbar, wenn dem tatsächliche oder rechtliche Hindernisse entgegenstehen, etwa wenn die Verwertung eines Nachlasses von der Zustimmung des Miterben abhängt, der aber die Auseinandersetzung auf unbestimmte Zeit verweigert.[14] Ist das Vermögen zwar nicht sofort, aber in absehbarer Zeit verwertbar, sind Sozialleistungen als Darlehen zu gewähren. (§ 24 Abs. 5 SGB II, § 91 SGB XII)

Ein Vermögen gilt, zumindest im SGB II, auch dann nicht als verwertbar, wenn die Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich wäre. (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Punkt 6 SGB II) Hierbei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen Kontrolle durch die Gerichte unterliegt und stets im Einzelfall entschieden werden muss.[15] Inwieweit dies auch im SGB XII gilt, wurde bisher von den Gerichten offengelassen.[16]

Nicht verwertet werden muss Vermögen, sofern es zum sogenannten Schonvermögen gehört. Welche Gegenstände konkret zum Schonvermögen zu zählen sind, wird in den jeweiligen Gesetzen geregelt, insbesondere die § 12 Abs. 3 SGB II, § 90 Abs. 2 SGB XII und die hierzu erlassenen Verordnungen wie die Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung und den Verordnungen zur Durchführung des § 82 und des § 90 Abs. 2 Nr. 9 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch.[17][18]

Einzelnachweise

  1. a b Karl Larenz: Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts. 7., neubearbeitete Auflage. München. 1989. ISBN 3-406-33414-8. § 17, S. 304ff.
  2. Karl Larenz: Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts. 7., neubearbeitete Auflage. München. 1989. ISBN 3-406-33414-8, S. 306: "Das Vermögen ist eine Summe, eine Zusammenfassung von Rechten und Rechtsverhältnissen, und zwar im Hinblick auf eine bestimmte Person, der sie zustehen. Auch hier begegnet uns wieder die Gleichsetzung der Sache mit dem Eigentum an der Sache; so, wenn in einer Vermögensaufstellung nacheinander angeführt werden: Grundstücke, bewegliche Sachen, Forderungen und andere Vermögensrechte. Rechtlich gesehen sind Sachen, als Rechtsgegenstände erster Ordnung, nicht mit Rechten als Rechtsgegenständen zweiter Ordnung auf den gleichen Nenner zu bringen. Es müßte daher heißen: Eigentumsrechte an Grundstücken, Eigentumsrechte an beweglichen Sachen, Forderungen und sonstige Rechte. Mit Recht sagt v. Tuhr: "Keine unmittelbaren Bestandteile des Vermögens sind die Objekte der zum Vermögen gehörenden Rechte; das Vermögen besteht aus dem Eigentum an den Sachen, die dem Berechtigten gehören, nicht aus den Sachen selbst, aus den Forderungen, nicht aus den Leistungsgegenständen, die vermöge der Forderung verlangt werden können."
  3. Karl Larenz: Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts. 7., neubearbeitete Auflage. München. 1989. ISBN 3-406-33414-8, S. 307: "Nur die Rechte, nicht auch die Verbindlichkeiten einer Person bilden ihr Vermögen im Sinne des privatrechtlichen (haftungsrechtlichen) Vermögensbegriffs. Der im BGB, aber auch im Vollstreckungs- und Konkursrecht zugrunde gelegte Vermögensbegriff umfaßt also, anders als ein rein wirtschaftlich gedachter Vermögensbegriff, nur die sogenannten "Aktiva", nicht auch die "Passiva". Das Vermögen im juristischen Sinne ist das "Bruttovermögen", nicht das "Nettovermögen", wenn man unter diesem die Differenz zwischen den Aktiven und den Passiven versteht."
  4. Arndt Teichmann. In: Othmar Jauernig (Hrsg). BGB. 11., neubearbeitete Auflage. München. 2004. ISBN 3-406-51820-6. § 823 BGB Rn. 19.
  5. Arndt Teichmann. In: Othmar Jauernig (Hrsg). BGB. 11., neubearbeitete Auflage. München. 2004. ISBN 3-406-51820-6. § 826 BGB Rn. 5.
  6. Hartwig Sprau. In: Palandt. BGB. 67., neubearbeitete Aufl. München. 2008. ISBN 978-3406565915. § 823 BGB Rn. 69 mit weiteren Nachweisen.
  7. BSG, 30. Juli 2008, AZ B 14 AS 26/07 R
  8. BSG, 25. Januar 2012, AZ B 14 AS 101/11 R
  9. Brühl/Geiger in LPK-SGB XII, 8. Aufl., § 90 Rn 6
  10. Brühl/Geiger in LPK-SGB XII, 8. Aufl., § 90 Rn 7
  11. Brühl/Geiger in LPK-SGB XII, 8. Aufl., § 90 Rn 8
  12. BSG, 22. März 2012, AZ B 4 AS 99/11 R
  13. BSG, 6. Dezember 2007, AZ B 14/7b AS 46/06 R
  14. BSG, 27. Januar 2009, AZ B 14 AS 42/07 R
  15. BSG, 20. Februar 2014, AZ B 14 AS 10/13 R
  16. BSG, 25. August 2011, AZ B 8 SO 19/10 R
  17. Verordnung zur Durchführung des § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes zur Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3022)
  18. Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 11. Februar 1988 (BGBl. I S. 150), die durch Artikel 15 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3022) geändert worden ist