Wüstenschloss

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Der Qasr Kharana weist sehr deutliche Anleihen an die spätantiken Quadriburga auf
Karte einiger noch existierender Wüstenschlösser in Jordanien

Der Begriff Wüstenschloss ist eine behelfsmäßige Bezeichnung für frühislamische Scheinkastelle im Nahen Osten. Äußerlich wurden sie meist aus einem Baumuster spätantiker Wehrbauten heraus entwickelt und weisen damit einerseits zwar einen deutlichen Verteidigungscharakter auf, erfüllen aber andererseits hauptsächlich repräsentative Zwecke, was sich an weniger massiven Umfassungsmauern und teils fehlenden Wehrtürmen, aber einer umso prunkvolleren Innenausstattung widerspiegelt. Unterkünfte für Soldaten sind hingegen nicht zu verzeichnen. Oft werden nur mehrere Bauten, die über die Wüste im Osten Jordaniens, östlich der Hauptstadt Amman verstreut sind, als Wüstenschlösser bezeichnet – wohl deswegen, weil der jordanische Staat sie zu Tourismuszwecken aktiv vermarktet.[1] Typologisch können aber auch einige Bauten in Syrien sowie Israel und Palästina zu den Wüstenschlössern gezählt werden.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Burgen wurden zwischen dem 7. und 8. Jahrhundert, hauptsächlich zwischen 650 und 750 während der Herrschaft der Kalifen der Umayyaden-Dynastie, die 661 Damaskus zu ihrer Hauptstadt gemacht hatten, durch den Umbau römisch-byzantinischer Kastelle entwickelt oder aus dem Schema des spätantiken Bautypus des Quadriburgus beziehungsweise der Zentralhofkastelle heraus neu errichtet. Das Beispiel des Qusair ʿAmra zeigt, dass sogar römische Badehäuser als Vorbild dienen konnten. Der Begriff „Wüstenschloss“ ist etwas irreführend, manche der Bauten befinden sich in semiariden Gegenden oder sogar in bzw. nahe bei Städten. Ab 750 wurde die Hauptstadt jedoch nach Bagdad verlegt und die Region, in der die Wüstenschlösser lagen, verlor an Wichtigkeit. Viele von ihnen scheinen nie ganz fertiggestellt worden zu sein.[2]

Ähnliche säkulare Gebäude finden sich auch in Palästina und Syrien, etwa der Palast des Hischam nahe Jericho, die Anlage Chirbat al-Minya am See Genezareth sowie Qasr al-Heir asch-Scharqi in der syrischen Wüste. Die umayyadischen Palastanlagen, die vielfach reich mit Mosaiken ausgestattet sind, stellen beeindruckende Beispiele früher islamischer Kunst und Architektur dar.

Funktion der Wüstenschlösser[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Funktion und Zweck sind bis heute nicht endgültig geklärt und unterschieden sich vermutlich von Fall zu Fall: Die Qusur (Singular Qasr) dienten vermutlich teils (eher selten) der Verteidigung, teils landwirtschaftlichen Zwecken, teils als Treffpunkte der Beduinen (untereinander und mit dem Repräsentanten der Umayyaden), als Badiyas (Landsitze von Adligen) oder als Karawansereien (Parallel zum Aufkommen der Wüstenschlösser kam es auch zu einer deutlichen Steigerung des Karawanenhandels). Die Anlagen wurden teilweise durch den Umbau älterer Gebäude – insbesondere römischer Grenzkastelle, seltener ghassanidische Bauten – errichtet, teilweise neu erbaut.[3] Alle Wüstenschlösser liegen auf eine gewisse Art strategisch günstig, nahe an wichtigen Straßen, Kontrollpunkten oder Wasserressourcen. Es liegt nahe, dass sie den Umayyaden nicht nur als aristokratisches Vergnügen, sondern zur Demonstration und Festigung ihrer Macht in bedeutenden Gegenden dienten. Nicht zuletzt dürfte die monumentale Architektur mit Gärten und Teichen inmitten einer hochgradig ariden Gegend auch einen psychologischen Effekt ausgeübt haben.[4]

Liste sogenannter Wüstenschlösser[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Qusair ʿAmra wurde äußerlich ganz im Stil römischer Badeanlagen errichtet

Da der Begriff Wüstenschloss nicht einheitlich definiert ist lässt sich keine abgeschlossene Aufzählung erstellen.[5] Viele der Bauwerke sind heute zerstört, überwiegend infolge der häufigen Erdbeben. Zu den am besten erhaltenen oder restaurierten gehören:

In Jordanien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Syrien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Israel/Palästina[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • M. B. A. Alhasanat: The spatial analysis of a historical phenomenon: using GIS to demonstrate the strategic placement of the Umayyad "desert palaces". Masterarbeit, Universiti Sains Malaysia 2009 (PDF)
  • H.Glaube: The syrian desert castles: Some economic and political perspectives on their genesis. In: F.M. Donner (Hrsg.): The Articulation of Early Islamic State Structures (= The Formation of the Classical Islamic World 6). Routledge, Abingdon-onThames 2012, S. 337–368, ISBN 978-0860787211.
  • D. Kennedy, D. Riley: Rome’s desert frontier from the air. Batsford, London 1990, ISBN 0-7134-6262-0.
  • R. G. Khouri: The desert Castles: A Guide to the Antiquities. Al Kutba, Amman 1988.
  • F. R. Scheck: Jordanien. Völker und Kulturen zwischen Jordan und Rotem Meer. 6. Aufl. DuMont Reiseverlag, Ostfildern 2011, ISBN 3-7701-3979-8

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. The Desert Castle Loop auf den offiziellen Seiten des The Royal Hashemite Court (englisch)
  2. R. G. Khouri, The desert Castles: A Guide to the Antiquities. Al Kutba, Amman 1988, S. 4 f.
  3. H.Glaube: The syrian desert castles: Some economic and political perspectives on their genesis. In: F.M. Donner (Hrsg.): The Articulation of Early Islamic State Structures (= The Formation of the Classical Islamic World 6). Routledge, Abingdon-onThames 2012, S. 369 f.
  4. M. B. A. Alhasanat: The spatial analysis of a historical phenomenon: using GIS to demonstrate the strategic placement of the Umayyad "desert palaces". Masterarbeit, Universiti Sains Malaysia 2009, S. 120 f.
  5. Für einen breiteren Überblick vgl. die Liste bei D. Kennedy, D. Riley: Rome’s desert frontier from the air. Batsford, London 1990, S. 8 f.