Wendezug

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Doppelstock-Wendezug in Calau

Als Wendezug (Schweiz: Pendelzug) werden Züge bezeichnet, bei denen bei einem Fahrtrichtungswechsel das Triebfahrzeug (die Lokomotive oder der Triebwagen) nicht umgesetzt werden muss.

  • Entweder es befindet sich an beiden Zugenden ein Triebfahrzeug (umgangssprachlich auch Sandwich genannt), und beide können vom jeweils vorderen Triebfahrzeug aus gesteuert werden,
  • oder es befindet sich an einem Zugende ein Triebfahrzeug und am anderen Ende ein Steuerwagen, mit dem das Triebfahrzeug ferngesteuert werden kann. Der Zug wird dann in der einen Richtung mit dem Steuerwagen voraus geschoben.
  • oder es befindet sich an beiden Zugenden ein Steuerwagen, mit dem das im Zug mitlaufende Triebfahrzeug ferngesteuert werden kann.

Mit Wendezügen kann der Einsatz von Reisezügen effizienter und schneller gestaltet werden, da die Lokomotive am jeweiligen Zugende verbleiben kann, wenn der Zug in Kopf- oder Wendebahnhöfen die Fahrtrichtung ändert.

Für die Fernsteuerung mit einem Steuerwagen muss das Triebfahrzeug entsprechend ausgerüstet sein, außerdem muss die gleiche Wendezugsteuerung beziehungsweise Vielfachsteuerung (Schweiz) verwendet werden.

Vorteil des Wendezugs oder Pendelzugs gegenüber dem Triebzug ist die Möglichkeit, normale Wagen als Zwischenwagen zu verwenden, wenn sie mit den erforderlichen Leitungen ausgerüstet sind. Umgekehrt können die meisten Zwischenwagen auch als Wagen in herkömmlichen Zuggarnituren verwendet werden.

Waren früher in Deutschland vorwiegend Nahverkehrszüge Wendezüge, so sind heute auch Züge im Fernverkehr als Wendezüge verbreitet. Es kann so mit weniger Zügen eine höhere Fahrtenanzahl erreicht werden. Des Weiteren entfällt das Vorhalten eines Rangiergleises sowie zusätzlichen Personals (Rangierer).

Geschichte

CityShuttle-Wendezug der ÖBB in Michelhausen, Niederösterreich (2004)

Pendelzüge und die dazu benötigte Vielfachsteuerung haben vor allem in der Schweiz eine lange Tradition. Dies hat auch damit zu tun, dass die Wendezug- bzw. Pendelzugsteuerung auf die elektrische Signalübertragung angewiesen ist. Das Vorhandensein einer elektrischen Ansteuerung des Fahrantriebes ist auf einem elektrischen Fahrzeug eher gegeben, als auf anderen Fahrzeugtypen. Somit konnte bei elektrischen Fahrzeugen schon früh und oft mit wenig Mehraufwand eine direkte elektrische Fernsteuerung eingebaut werden.

Die ersten Steuerwagen für Pendelzüge in der Schweiz beschaffte die Martigny–Châtelard-Bahn (MC, heute TMR) 1906. Die SBB bestellten 1921 die ersten Triebwagen Ce 4/6 mit der Absicht, diese zu zweit oder zusammen mit einem Steuerwagen als Pendelzüge einzusetzen. Nach erfolgreichen Versuchen nach der Ablieferung 1923 wurden ab 1927 zusätzlich Gepäcktriebwagen Fe 4/4 mit identischer Vielfachsteuerung in Betrieb genommen. Heute sind in der Schweiz fast alle Reisezüge Pendelzüge oder Triebzüge.

In Deutschland wurden spezielle Wendezüge vermutlich erstmals bei der Lübeck-Büchener Eisenbahn im Mai 1936 als Städteschnellverkehrszüge mit Doppelstockwagen eingesetzt. Die speziell für diesen Zug gebauten Dampflokomotiven waren Tender-Dampflokomotiven mit Stromlinienverkleidung, die vom anderen Zugende aus vom Lokführer ferngesteuert werden konnte.

Die Elektrolokomotive E 04 23 wurde 1939 für den Wendezugbetrieb ausgerüstet und bis 1945 auf den Münchener Vorortbahnen erprobt.

In den 1950er Jahren baute die Deutsche Bundesbahn mehrere Dampflokomotiven der Baureihe 78 und Baureihe 38 für den Wendezugverkehr z. B. zwischen Frankfurt und Wiesbaden um. Der Lokomotivführer hatte direkt nur Zugriff zur Bremse. Die Befehle zum Beschleunigen oder Beibehalten der Geschwindigkeit gab er an einen besonders geschulten Heizer weiter, der den Regler und die Steuerung bediente (indirekte Wendezugsteuerung).

Details zur Geschichte der ersten Wendezüge in Deutschland siehe Doppelstock-Stromlinien-Wendezug der LBE.

Das Aufkommen der leistungsabhängigen und somit indirekten Fahrstufenansteuerung in den 1950er bei den Elektrotriebfahrzeugen ermöglichte eine neue Generation von Fernsteuerungen. Hier wurde eine Vereinfachung möglich, da nur noch Aufträge an das Triebfahrzeug gesendet werden müssen. Diese Art der Fernsteuerung muss nicht mehr zwingend auf alle fahrzeugspezifische Besonderheiten eingehen, da der effektive Aufschaltvorgang nicht mehr direkt am Befehl der Fernsteuerung hängt. Es wird nicht mehr die exakte Stellung des Stufenschalters vorgeben, sondern ob dieser eine Stufe auf- oder abschalten soll, sobald die Spezifikationen es zulassen. Es wurde somit auch eher möglich, von einem Steuerwagen verschiedene Fahrzeugtypen anzusteuern, da dieser Art der Steuerung nicht mehr an die Anzahl der Fahrstufen gebunden ist, sondern nur an die Art der Ansteuerung. Die Signalübertragung war zwar noch immer analog, trotzdem konnte die Anzahl der Adern im Kabelstrang reduziert werden oder für andere Zwecke freigegeben werden.

Die nächste Generation Fernsteuerung hängt mit der Einführung der Leistungselektronik zusammen. Wenn ein Triebfahrzeug über einen Computer gesteuert wird, kann dieser logischerweise auch zur Fernsteuerung verwendet werden. Der Aufwand des Einrichtens so einer Fernsteuerung auf dem Fahrzeug selbst ist relativ gering. Mit einem zusätzlichen Computer ist auch ein Übersetzen „fremder“ Fernsteuerbefehle möglich. Heute ausgelieferte Triebfahrzeuge sind in der Regel fernsteuerbar oder darauf vorbereitet. In der Regel wird bei Wendezügen die elektrische Datenübertragung im Multiplexverfahren angewendet, bei Triebzügen kann ein Teil der Daten auch per Lichtwellenleiter übertragen werden.

Eine Spezialform ist die Fernsteuerung per Funk, die bei Wendezügen eher selten verwendet wird.

Alternativen

Bei Triebfahrzeugen ist es heute üblich, diese als vollwertige Zweirichtungsfahrzeuge auszubilden. Bei solchen macht es, im Gegensatz zu Dampflokomotiven mit Schlepptender, keinen Unterschied, ob sie vorwärts oder rückwärts fahren. Wenn diese Triebfahrzeuge als Personentriebwagen ausgebildet sind und ohne Zusatzwagen verkehren, sind sie betrieblich wie Wendezüge einsetzbar. Der Übergang zwischen Triebfahrzeug und Wendezug kann somit fließend sein, und für den Laien ist es nicht immer erkennbar, ob es sich um einen mehrteiligen Triebzug oder einen Wendezug handelt. Denn der Unterschied ist heute nur noch die Frage, ob der Zug im Regelbetrieb getrennt werden kann oder nicht.

Um ein Umfahren des Triebfahrzeuges an Endbahnhöfen zu umgehen, ist die Anlage einer Wendeschleife möglich. Diese wird vor allem bei Straßenbahnen angewendet, wobei oft Einrichtungsfahrzeuge verwendet werden, die nur auf einer Seite Türen haben.

Gerade in Amerika sind auch Wendedreiecke üblich, womit der gesamte Zug gedreht wird. Denn so kann die Wagenreihenfolge ab der Spitze beibehalten werden und der Schlusswagen bleibt Schlusswagen.

Siehe auch