William Hilsley

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William Hilsley, geborener William Josef Hildesheimer (* 15. Dezember 1911 in London; † 12. Januar 2003 auf Schloss Beverweerd in der Provinz Utrecht, Niederlande) war deutsch-britischer Komponist, Musiker und Musikpädagoge. Er wuchs in Deutschland auf, emigiriete dann in die Niederlande, wo er auch – nach seiner Internierung in Deutschland – weiterhin lebte. Bekannt geworden ist er vor allem durch seine in den Internierungslagern komponierten und dort auch aufgeführten Werke.

Leben

Schulzeit und Studium in Deutschland

William (Billy) Hilsley, der Name, unter dem er bis heute als Musiker und Komponist in Erinnerung geblieben ist, wurde 1911 als William Josef Hildesheimer in London geboren.[1] Seine jüdischen Eltern, die sich kurz nach seiner Geburt scheiden ließen, waren Adolf Hildesheimer (geboren 1860) und seine Frau Frida (1875–1952), geborene Heimann. Aus der Ehe stammt mindestens noch der 1901 geborene Sohn Kurt.[2]

1914 verließ Frida Hildesheimer mit den Söhnen Kurt und William England und zog nach Berlin. Hier besuchte William später das Hohenzollerngymnasium, wo er in den Inflationsjahren auch in den Genuss der Quäkerspeisung kam und damit zu seiner „ersten und lebensverändernde Begegnung mit den Quäkern“.[3] Eine weitere „lebensverändernde“ Begegnung fand ebenfalls in diesen Jahren statt. Wolfgang Frommel „lernte den 13jährigen Billy und dessen Mutter Frida Hildesheimer durch das mit ihnen befreundete Schauspielerehepaar Paul und Lotte Bildt in Berlin kennen“.[4] Und Wolfgang Frommel dazu am 17. 2. 24 in einem Briefan seine Eltern: „So bin ich heuer täglich fast mit dem kleinen Billi Hildesheimer zusammen, arbeite mit ihm Französisch und erlebe menschlich die unerhörtesten Wunder.“[5] William Hilsley lebte damals mit seiner Mutter im Bayrischen Viertel von Berlin, in dem viele prominente Juden lebten. „Die Mutter hatte bei einem Schüler von Liszt studiert; Menschen aus dem Stefan-George-Kreis oder der Kulturminister Becker gingen im Haus ein und aus.“[6] „Frida liebte ihren Sohn und seinen Erzieher Wolfgang [Frommel] mit gleicher Heftigkeit und Hingabe.“[7] Friedrich W. Buri, der 1937 für einige Zeit bei Frida Hildesheimer wohnte, schreibt, dass sie eine begehrte Englischlehrerin gewesen sei: „Sie gab Privatstunden und Kurse für kleine Gruppen von jüdischen Menschen, die so bald wie möglich Deutschland verlassen wollten, um in ein Land auszuwandern, wo sie Englisch würden sprechen müssen. Fridas Schnellkurse waren im Berliner Westen berühmt, es drängten zu ihnen mehr Schüler, als sie unterbringen konnte.“[8]

Die Lebenswege von Wolfgang Frommel und William Hilsley sind von da an eng miteinander verbunden, so eng, dass ihre Beziehung oft mit denen innerhalb des George-Kreises verglichen wird: „Darüber hinaus scharten Gothein u. F. einen bünd. Kreis um sich, der dem George’schen im Ansatz ähnelte (mit Achim und Hasso Akermann, Cyril Hildesheimer u. a.).“[9]

Hilsley geht jedoch zunächst weg aus Berlin[10] und auf die Schule Schloss Salem[11], wo er 1930 das Abitur ablegte. Anschließend kehrte er wieder nach Berlin zurück und studierte an der Staatlichen Akademie für Kirchen- und Schulmusik. Spätestens jetzt ist Hilsley fest in den Kreis um Wolfgang Frommel, der 1934 bei Frida Hildesheimer wohnte[12] fest integriert und gehörte zu Frommels ständigen Begleitern.[13] Auch die Freundschaft zu Adolf Wongtschowski ('Buri', 1919–1999)[14] muss in dieser Zeit entstanden sein, denn „neben Billy Hildesheimer, den er [Frommel] als Hauslehrer noch in den 20er Jahren unterrichtete, wurde Buri der aufmerksamste jüdische Zögling dieser Zeit“.[15] Später „the painter Buri worked as a teacher of textile arts in Ommen“.[16]

Die Jahre in Eerde

Der im Jahre 2002 von seinen ehemaligen Schülerinnen und Schülern immer noch „verehrte 91jährige Musiklehrer Billy Hilsley“[17] verließ im Jahr 1935 Deutschland und ging als Musiklehrer an die Quäkerschule Eerde. Am 28. Januar 1935 kam er an, und was Katharina Petersen, die damalige Schulleiterin, ihm anbieten konnte, war nicht umwerfend: „No salary, but pocket money, a room of his own, food and laundry. [..] We have a piano and a grand piano. [..] How the school will survive financially is quite uncertain, but if you have the courage to join us, please do.“[18] Der junge Flüchtling aus Nazi-Deutschland blieb.

1962 erinnert sich Katharina Petersen noch immer mit sehr viel Enthusiasmus an Billy Hilsley:

„Und dann stand eines Tages ein sehr junger, schlanker, hochaufgeschossener Mann da, dessen Gesicht zeigte, daß er seelisch und geistig über seine Jahre hinaus gereift war. Das war Billy. Wir hielten ihn fest. Und was für einen herrlichen Sauerteig hatten wir für den ja manchmal etwas zähen Schulteig mit ihm gewonnen. Wie lockerte er den Alltag auf, wie abwechslungsreich leitete er montags die Schulwoche ein, was für Höhepunkte waren die von ihm gestalteten Feste! Jung wie er war, noch ohne Erfahrung in Schulen, – er hielt neben so begabten Regisseuren, wie Kurt Neuse und Max Warburg es waren, von vornherein mit Leichtigkeit seinen Platz. [..] O edle Musica, o lieber Lehrer Billy![19]

Schloss Eerde, ehemals Sitz der Quäkerschule Eerde

Katharina Petersen legte 1938 die Schulleitung nieder und kehrte nach Deutschland zurück. Ihr Nachfolger als Schulleiter wurde Kurt Neuse, doch wurde er es nur kommissarisch, und dieser provisorische Status wurde nie geändert. Hans A. Schmitt, früher selber Schüller in Eerde und später deutsch amerikanischer Historiker, vermutet, was der Grund dafür gewesen sein könnte:

„One reason may have been his conflict with Dutch Friends resulting from development that began with the arrival of William Hilsley. This talented teacher had a number of friends who belonged to the circle of the poet Stefan George, a group noted not only for its elitist views but also its homoerotic preferences. Some of these men, notably the peripatetic poet Wolfgang Frommel, visited Eerde, and in Frommel’s case attracted some of the older students to their brillant lectures. Piet Kappers and his Dutch confreres had nightmares of Eerde becoming a hangout for homosexual intelletuals, and Kappers asked Kurt Neuse to forbid Frommel access to school grounds. Neuse refused, holding that an individual’s sexual preferences, as long as they did not involve students, were his own business.[20]

Dank dieser Haltung[21] von Kurt Neuse blieben Billy Hilsley noch zwei Jahre Zeit bis „fears of war susperseded fears of moral contamination“[22] Er konnte weiterhin seine Gabe entfalten, „Musik nicht zum Spiel werden zu lassen, sondern so zu lehren, daß ernste und gründliche Arbeit geleistet wurde, sowohl für den Hausgebrauch wie für Konzerte, zu denen Gäste eingeladen wurden, wie für die kleinen Kammermusiken, zu denen Laienmusizierende, Klavier- und Geigenspieler aus der Umgegend magnetisch von ihm angezogen, kamen. Das Allerschönste war, daß neben dem Ästhetischen seines Musizierens und Lehrens auch heilende Kräfte entbunden wurden. Er fand heraus, was in den Jungen und Mädchen steckte, regte an, gab Selbstvertrauen wieder, wo sie zerstört waren.“[23]

Nicht weniger beeindruckt und beeindruckend beschreibt Buri das Wirken seines Freundes Hilsley („Cyril“):

„Cyril kam mir vor wie der ungekrönte König des Schlosses. Obgleich er in seinem Kellerverlies nicht viel geräumiger hauste, als ich in der Dachkammer, liefen in seiner Klause alle Fäden der Parzen zusammen. Hier plante und entwarf er die ernsten Feuerstunden und heiteren Feste, die nicht nur für die Erwachsenen und Schüler die festen Höhepunkte bildeten, nach denen sich die fliehende Zeit gliederte; auch für Besucher von draussen bestimmte sich das Gesicht der Schlossgemeinschaft durch Cyrils Tätigkeiten.[24]

Die Zeit der Internierung

Nach der deutschen Besetzung im Jahre 1940 versuchten William Hilsley, Wolfgang Frommel und Friedrich W. Buri von Scheveningen aus nach England zu fliehen. Sie verwarfen den Plan und tauchten in Amsterdam unter, wo Frommel Selbstmordgedanken äußerte. Nachdem die Freunde ihm das ausgeredet hatten, gingen sie nach Eerde zurück. Hier wird der britische Staatsbürger William Hilsley am 25. Juli 1940 verhaftet. Er beschreibt das wie folgt:

„v. W. H. aus dem Musikpavillon geholt. Rad nach O. Baronin v. P. imVorzimmer. Verhaftung durch den Bürgermeister. Telefon mit Buri. Zelle bei Marechaussée. Zelle bei Polizei. Abends spät Buri mit Koffern.[25]

Hilsley wurde zunächst im niederländischen Lager Schoorl interniert, bevor er zusammen mit anderen britischen Nicht-Kombattanten in ein ziviles Internierungslager im Deutschen Reich verlegt wurde.[26] Dieses Lager befand sich bei Tost in Oberschlesien[27], wo er bis zum Frühjahr 1942 blieb.

Hilsley, der seine musikalische Prägung auf seine Schulzeit in Salem zurückführte[28], begann seine „Karriere“ als Lagermusiker zunächst mit der Aufführung von klassischer Musik. Nach einem heftigen Streit mit anderen Mitgefangenen versuchte er sich dann an anderen Sachen: Pantomimen, Märchenaufführungen mit Musik und Kostümem, Kabarett, Musical. Er sah seine Aufgabe darin, die anderen Internierten durch Musik in eine fröhliche Stimmung zu bringen. Und er begann zu komponieren.[28]

Sein Status als Zivil-Internierter gewährte ihm einen gewissen Schutz und auch größere Bewegungsfreiheit. Das Lager wurde von Hilfsorganisationen aus neutralen Ländern überwacht und die Gefangenen „were encouraged to develop leisure activities including a variety of educational, theatrical, and musical Programs“.[29] Hilsley machte von den Möglichkeiten regen Gebrauch und saß regelmäßig hinter dem Klavier. In vier verschiedenen Lagern baute er eine blühende Musikszene mit anderen Internierten auf.[28] „Since Hilsley was adept at various aspects of musical production and staging, he immediatly became involved in preparing concerts an staged cabaret shows.“[29]

Im Lager Tost scheinen relativ humane Verhältnisse geherrscht zu haben, was Hilsley in erster Linie auf den Lagerkommandanten[30], Oberstleutnant Buchert[31], zurückführt, „einen Mann mit guter deutscher Mentalität, die irgendwie immer noch existierte. Er war ein echter Gentleman.“[28] Und so kann man auch die nächste von Hilsley erzählte Episode nur staunend zur Kenntnis nehmen. „Im Lager Tost hatten wir zunächst kein Instrument. Der Oberstleutnant schlug vor, in der in der Nähe gelegenen Stadt Gleiwitz Instrumente zu kaufen oder zu mieten. Wie es bezahlt wurde, weiß ich nicht. Wir hatten unser Geld abgeben müssen und bekamen stattdessen Lagergeld, einen Zehner die Woche. Vielleicht war es dieses eingezogene Geld, von dem der Flügel bezahlt wurde. Die Deutschen waren froh, dass wir musikalische Darbietungen geben wollten. Sie wollten vor allem, dass die Angelegenheiten des Lagers ruhig und glatt verliefen. Es sollte keine Revolte geben. So nahm der Oberstleutnant mich in seinem Auto nach Gleiwitz mit. Er musste auch für sich selbst einiges einkaufen, und so saß ich zu einem bestimmten Zeitpunkt allein in seinem Auto. Ich hätte weggehen können. Ich hatte keinen Pass, aber immerhin, ich sprach fließend Deutsch. Ich würde weit gekommen sein. Trotzdem blieb ich im Auto. Der Oberstleutnant war so ein anständiger Mensch, ein Freund beinahe, ich war ihm verpflichtet.“[28]

Als wäre dies nicht schon absurd genug, nahm die Geschichte einen weiteren irrealen Fortgang: „Der erste Flügel, der kam, war nicht gut, er war auf eine für uns unbrauchbare Höhe gestimmt. Ich schickte ihn zurück und wir bekamen einen anderen. Das war das zentrale Instrument für unserer Aufführungen. Wir hatten einen guten Cellisten, der sein Instrument in das Lager mitgebracht hatte, einen Oboisten, Sänger, Schauspieler, Tänzer. Notenpapier bekamen wir über die YMCA, die alle Internierungslager inspizierte.“[28] Die Arbeit des YMCA hatte für Hilsley und seine Mitgefangenen eine immense Bedeutung.

Dem YMCA und dessen Mitarbeiter Henry Söderberg[32] ist es auch zu verdanken, dass sich Hilsleys musikalisches Engagement im Lager entfalten konnte und seine Musik über den Stacheldraht hinaus bekannt wurde und für die Nachwelt erhalten blieb.

Mitte 1942 wurde Hilsley als Internierter jüdischen Glaubens von Tost nach Kreuzburg (Oberschlesien) verlegt. „Im Juni 1942 war es soweit. Alle Juden und Halbjuden mussten ins Lager Kreuzburg, dreißig Kilometer nördlich von Auschwitz. Zufälligerweise waren alle Pianisten Juden, und das bedeutete für Tost das Ende des Musiklebens. In Kreuzburg waren wir gerade mit Ghost Train beschäftigt, einer großen Produktion, für die ich die Klaviermusik komponiert hatte, als eines Tages unsere Freunde von Tost außerhalb der Stacheldraht standen und fragten, ob sie zu uns ins Lager durften. Sie waren alle Nicht-Juden, aber sie wollten mit uns zusammen sein. Dadurch war Kreuzburg sofort kein Judenlager mehr. Ghost Train haben wir auch in einem anderen Lager aufgeführt, Lamsdorf, ein Lager für britische Militärgefangene. Da waren wir durch die Lagerleitung hingebracht worden. Nach der Vorstellung gingen wir in unser eigenes Lager zurück.“[33] In einem Brief vom 26. Juli 1944 an die in Schweden lebende Krankenschwester Noni Warburg, eine ehemalige Schülerin aus Eerde, berichtet Hilsley über diesen ungewöhnlichen Ausflug in ein anderes Gefangenenlager:

„Wir hatten drei hochinteressante Wochen in dem POW Camp, spielten jeden Abend vor ca. 700 mit grösstem Erfolg unseren Ghost-Train und gaben eine Reihe klassisch leichter Konzerte. Wie Du Dir denken kannst, ist das Lager [Lamsdorf] riesenhaft und man kommt sich dort viel freier vor als in unserem ‚rabbit hole‘, aber die Lebensbedingungen in den dortigen Baracken sind sehr anders als in unseren Gebäuden hier. Man findet dort Menschen aus allen Teilen des Empire, und einige Baracken, wie die der Griechen, Südafrikaner, Palästinenser sind sehenswert. Der ‚spirit‘ ist bei denen ausgezeichnet und fast alle sehen gesund und nicht unterernährt aus.[34]

Zum Dank für die nicht-jüdischen Mitgefangenen, die freiwillig nach Kreuzburg gekommen waren und ihm als Juden damit einen größeren Schutz boten, und als Weihnachtsgeschenk komponierte Hilsley Missa für einen Männerchor ohne instrumentelle Begleitung. Für Patrick Henry ist dieses Stück ein Juwel, das völlig anders ist als jeder Art von Musik, die während des Krieges in einem deutschen Lager komponiert worden ist. Es verdeutliche Hilsley exquisite musikalische Rhetorik, die nicht einer bestimmten Zeit oder einem bestimmten nationalen, ethnischen oder religiösen Stil zugeordnet werden könne..[29] Doch das für die damaligen Verhältnisse unwahrscheinlichste Ereignis stand noch aus, eine Radioübertragun, „recorded by Swedish Radio for its internationally broadcast program ‚From behind Barbed Wire‘, which documented life in prisoner of war and civilian internment camps by means of recorded musical performances. For a broadcast from Kreuzburg in July 1944, William Hilsley and fellow inmate Geoffrey Lewis Navada performed an African-American spiritual: ‚Go down, Moses, way down in Egypt‘s land. Tell old Pharao to let my people go!‘“[35] Etwas anders akzentuiert hierzu die Erinnerung von Hilsley selber: „Der Vertreter des CVJM hatte die Partitur meiner Fantasie für Oboe nach Schweden mitgenommen. Eines Tages bekam ich einen Zeitungsschnipsel mit einer Ankündigung einer Radiosendung meiner Fantasie. Ich übergab den Ausschnitt an den damalige Lagerkommandant. Das war nicht Buchert, der war bereits weg. Zunerst war er dagegen, meinte, dass ich das nicht hören könne, aber später wurde ich in die Offizierabteilung gerufen. ‚Nummer 180, herkommen‘ klang es. Radio Stockholm hatten wir geradeso gefunden, als kurz vor der Übertragung der Strom ausging. Luftangriff. Es dauert in der Regel eine lange Zeit. Eine halbe Minute später blinzelten die Lichter wieder. Aus den Lautsprechern erklang meine Oboen-Fantasie. Eine schöne Leistung, aber ein bisschen zu langsam gespielt.“[28]

Hilsley hatte viel Glück im Unglück. Nach der Evakuierung des Lagers Kreuzburg am 19. Januar 1945 und einer gefährlichen Zugreise durch das kriegszerstörte und weiterhin Luftangriffen ausgesetzte Deutschland erreichte er zusammen mit seinen Kameraden am 29. Januar 1945 das Internierungslager in Spittal an der Drau. In einem Brief vom 5. Februar 1945 an seine schwedische Bekannte Noni Warburg scherzt er über diese Verlegung von Kreuzburg nach Spittal: „Ja Noni, nun müssen Deine Gedanken mich in einem anderen Teil Europas suchen. ‚Be an internee and see the world!‘“[36] Am 2. Mai verdichteten sich in Spittal die Gerüchte, dass der Krieg zu Ende gehe, und am 3. Mai 1945 erfolgte dann die Befreiung:

„3. Mai: Gehe um 6 morgens in den Festsaal, spiele Beethoven Andante op. 10 und zwei Choräle, lese Psalm 103 und Stern. – Mittlerweile ist Morgenappell von dem ich nichts weiss, alle stehen 1/2 Stunde weil einer fehlt! Geholt vom Oberfeldwebel. – Die Wachen stehen noch alle (zu unserem Schutz); die ganze Kommandantur noch hier. Büchsen werden ungeöffnet ausgegeben. Ein schweizer trifft als Vertreter der Schutzmacht ein und teilt uns mit, dass wir das Lager nicht verlassen dürfen, bis die Besatzungsarmee hier ist. Unser Kommandant übergibt das Lager einem Sergeant Major vom Westlager. Dieser sagt, dass er englische Wachen für unser Lager hat falls die deutschen Wachen gehen. Doctor Hayn übernimmt die Leitung unseres Lagers. Wir unterstehen somit den engl. Militärbehörden. Im Lager geht alles ordnungsgemäss mit noch zurückgehaltener Freude weiter. Wir erwarten die amerikan. Tanks stündlich. Radioapparate werden ins Lager gebracht. Es ist alles sehr unbegreiflich.
4th of May: We get our money, papers, documkents and – passports back. We get a wireless-set for our room, we hear the B.B.C. We hear armies in Holland have capitulated! Tommies from the Westlager here to guard the camp. Strict disciplinary orders from Cpt. Hayn, but nevertheless quite a number drunk.[37]

Henry Söderberg, der zwischenzeitlich in das Lager Spittal gekommen war und dort ebenfalls dessen Befreiung durch die 8. Britische Armee miterlebte, traf dort erneut mit Hilsley zusammen und erinnert sich:

„During the last hectic and chaotic weeks of the war I suddenly found myself among the crew of the former Silesian Kreuzburg camp, now far deep down in the Austrian Alps in the town of Spittal an the border to Italy! Here I met William [Hilsley] again. I became a voluntary inmate in his camp. I could stay inside the camp and witness its liberation by the 8th British Army during the first week of May 1945. Those days were exciting – to say the least. But William and his music-making friends, in spite of the chaos and unrest all around, continued to play and sing for us. They were a constant source of inspiration and encouragement to their fellow prisoners in the midst of a dissolving world on the verge of recreation. I said good-bye to William and his internment friends in Rome in the middle of May, then thinking we should never meet again. The ex-prisoners were soon repatriated to their home countries.[38]

Nichts kann den Bruch Hilsleys mit den zurückliegenden Jahren deutlicher markieren als sein Wechsel der Sprache. Ab dem 4. Mai erfolgen alle noch weiteren Tagebucheinträge bis zum Eintreffen in Schottland und dem Besteigen des Nachtzugs von Glasgow nach London am 11. Juni 1945 in englischer Sprache.[39] Über seine Zeit in den Lagern Tost und Kreuzburg resümierte er später: „Manche nannten unser Lager ein Paradies. Im Vergleich zu einem Konzentrationslager scheint das vielleicht so. Wir hatten Zigaretten aus den Rote-Kreuz-Paketen und guten Kaffee, mit dem wir die Wachen bestachen. Manchmal waren wir betrunken von dem selbstgebrannten Pflaumenschnaps, einer Idee der älteren Internierten, die im Ersten Weltkrieg mehr Erfahrung gewonnen hatten. Und wir hatten Instrumente, wir hatten Materialien, um eine Theaterbühne zu bauen. Aber wir wurden hinter Stacheldraht gefangen gehalten. Es gab die, die Selbstmord begingen. Das Essen war gerade so genug, um nicht zu sterben, und für große Esser war es wirklich viel zu wenig.“[28]

Wenn man bedenkt, was ihm als Juden und Homosexuellen in einem deutschen Lager noch alles hätte widerfahren können, dann muss Hilsley schon über einen sehr mächtigen Schutzengel verfügt haben, der ihn über fünf Lagerjahre hinweg beschützt hat.

Die späten Jahre

Schloss Beverweerd

Nach dem Krieg kehrte er in die Niederlanden zurück. Er änderte seinen Namen in Hilsley, weil ihm das für internationale Touren angebrachter schien. Hilsley reiste als Pianist mit dem Ballett von Kurt Jooss zwei Jahren durch Europa und Nordamerika herum und kehrte dann wieder in die Niederlande zurück. In der Zeit kam es auch wieder zur Begegnung mit den alten Freunden aus dem Kreis um Wolfgang Frommel, wie Friedrich W. Buri berichtet (der ihn weiterhin Cyril nennt):

„Die Reise mit dem Ballett Jooss durch deutsche Städte sollte ihn auch bald zu Tanzaufführungen nach Amsterdam führen. In Deutschland begleitete Cyril in englischer Uniform die Ballette, in Holland dagegen, und später auch bei der Tournée durch Amerika, sass er im Frack am Flügel. So sahen wir ihn wieder: die ganze Amsterdamer Freundesschar zog quer durch Holland von Aufführung zu Aufführung mit. Besonders das erschütternde Ballett ‚Der grüne Tisch‘ liessen wir kein einziges Mal aus, wobei wir im jedesmal vollbesetzten Haus nicht müde wurden, vor allem die beiden begleitenden Pianisten mit langem, lautstarkem Applaus zu belohnen.[40]

Hilsley unterrichtete von 1947 an wieder an der Schule in Eerde und ab 1959 an der Internationalen Schule Beverweerd, einer der beiden Nachfolgeeinrichtungen der Quäkerschule Eerde. Nach der Schließung der Schule im Jahre 1997 bleibt er der letzte Bewohner von Schloss Beverweerd und wohnt weiterhin in dem Turmzimmer, das er 1959 bezogen hatte. Hier hörte er nur der Wind und war doch mit sich im Reinen: "Ein idealer Lebensraum für einen Musiker." Er besaß einen Steinway-Flügel, den er sich von den 10.000 Mark Entschädigung kaufen konnte, die er nach dem Zweiten Weltkrieg als Wiedergutmachung für 5 Jahre Lager erhalten hatte.[28]

Hilsley leitete die niederländische Erstaufführung von Benjamin Brittens Let’s Make an Opera, und es entstand sein wichtigstes Werk, die Kantate Seasons, die er auf Wunsch von Henry Söderberg, der ihn als Angehöriger des schwedischen YMCA (Young Men’s Christian Association) seinerzeit in den Internierungslagern besucht und bei der künstlerischen Tätigkeit unterstützt hatte, zum fünfzigsten Jubiläum des YMCA-Sängerbundes 1992 komponierte. In dem von Hilsleys Freund Ian Gulliford verfassten Text steht der Winter für die Gefangenschaft im Krieg, Frühling für die Befreiung, Sommer für die Fülle des Lebens und der Liebe und Herbst für Gottergebenheit.[41] Hilsley und Henry Söderberg trafen sich nach 45 Jahren bei diesem Fest erstmals wieder. Für beide schloss sich damit ein nie gebrochener Kreis der Freundschaft, und Söderberg fasst das tief beeindruckt zusammen:

„Looking back over those years and recalling the sights of masses of people who were then in circulation – Soldiers, prisoners and refugees − and thinking of the cruel death which many of them met when the Nazis rolled over Europe, I Have always regarded it as a miracle that my Jewish friend William could live through those years without being touched or maltreated by the Germans. The same fate experienced many other prisoners of Jewish background. [..] What saved those people was not any feeling of special mercy from the side of the Germans. These survivors simply had the right passports and belonged to nations which in their turn honoured the Geneva Agreement.[42]

Das Leben in den Lagern hat Hilsley in einem Tagebuch festgehalten, das erstmals 1988 unter dem Titel When joy and pain entwine. Reminiscences veröffentlicht wurde. Es handelte sich dabeibei um eine bearbeitete, durch spätere Erinnerungen erweiterte Fassung, die sogenannte „Trevignano-Version“. Als Hilsley nach dieser Trevignano-Version in seinen Unterlagen suchte, um eine neue Ausgabe der Tagebücher vorzubereiten, „kamen auch die vergilbten Blätter der Originalfassung zutage, die zwar schlecht lesbar waren, aber durch ihren Telegrammstil, ihre Unmittelbarkeit und Patina den Eindruck der Authentizität vermittelten. [..] Der deutsche Musikwissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Osthoff riet uns, die ursprüngliche, von allen späteren Zutaten ledige Tagebuchfassung zu veröffentlichen, und diesem Rat sind wir gefolgt.“[43] Hilsley selbst hat 1998 den Unterschied zwischen den beiden Veröffentlichungen so beschrieben Hat: „Ich habe 1987 in Trevignano eine überarbeitete Fassung niedergeschrieben. Vergleicht man die beiden Fassungen, wird sofort deutlich, dass in der Originalfassung nichts geschrieben wurde, was den Gefangenen bei Entdeckung in grosse Schwierigkeiten hätte bringen können. So vermied ich die Beschreibung des schreirischen Tons bei der Ankunft im Lager Schnoorl, des höhnischen Abnehmens der Pässe, das erniedrigende ‚Du‘ in der Anrede, der Befehle: Koffer aufmachen, Mund halten, hier herrscht Ordnung; Taschenmesser, Federhalter, spitze Gegenstände, Schlagwaffen, Alkohol, Zwiebeln streng verboten. Es passte auch in den Plan der Demütigung, dass alle Internierten beim Abtransport nach Deutschland keine eigene Kleidung tragen durften: Mit der Einheitskleidung konnte man die Herde besser zusammenhalten.“[44] 1999 ist das Tagebuch in einer deutschen und in einer niederländischen Ausgabe erschienen, zusammen mit einer CD mit historischen Aufnahmen der während des Krieges entstandenen Kompositionen von Hilsley.

Hochbetagt trat er noch in öffentlichen Veranstaltungen auf: Er nahm am 12. Oktober 2000 an einem Gesprächskonzert in Berlin teil.[45] „Am Sonntagvormittag [17. Juni 2001] erzählte William Hilsley (Billy Hildesheimer), neunzigjähriger jüdischer Musikpädagoge aus dem Kreis um Wolfgang Frommel und der Zeitschrift CASTRUM PELLEGRINI (Amsterdam), aus seinem Leben und besonders aus seiner Zeit in deutschen Internierungslagern 1940 bis 1945.“[46] Und im Mai 2003 nahm er, einundneunzigjährig, am vierten Treffen der „Eerde Very Old Pupils (EVOPA)“ teil.[47]

William Hilsley starb am 12. Januar 2003 im Schloss Beverweerd.[48]

Werke

Musik (Auswahl)

Im Internierungslager Kreuzburg komponierte William Hilsley unter anderem

  • die Suite The Turning World for piano 4–hands
  • die Fantasie Dance Pieces for hautbois (or violin) and viola
  • die Fantasie On a provençal Christmas Carol for hautbois and strings quartet
  • die Messe Missa for a male choir
  • Verwehendes und Bleibendes for a mixed choir.

Nach dem Krieg entstanden ist:

  • die Kantate Seasons for soprano, bariton, choir and orchestra

Auf folgenden CDs sind Werke von William Hilsley veröffentlicht worden:

  • Vocal and instrumental music. Diese CD von 1996 vereint sechs Stücke von William Hilsley: On a provençal christmas carol, Fantasie für Oboe, Violine [2], Viola und Violoncello, Wilt heden nu treden, Improvisation für Klavier, Missa, Messe für Männerchor, Seasons, Stundenweiser, Verwehendes und Bleibendes
  • KZ Musik – Encyclopedia of Music Composed in Concentration Camps (1933-1945), Vol. 10, enthält neben Stücken anderer Komponisten von William Hilsley 6 Songs for Baritone and Piano und The Turning World

Im Internet ist ein Ausschnitt einer historischen Aufführung von The Turning World zu hören (mit niederländischer Einleitung).

Im Klavierduo mit Günther Louegk hat William Hilsley Partien aus Der grüne Tisch von Kurt Jooss eingespielt, mit dem er persönlich bekannt war.

Publikationen

  • William Hilsley: When joy and pain entwine. Reminiscences, Internationale School Beverweerd, Werkhoven, 1988. Für dieses Buch gibt es im WorldCat keinen deutschen Nachweis.
  • William Hilsley: Musik hinterm Stacheldraht. Tagebuch eines internierten Musikers 1940 - 1945, Ulrich Bornemann, Karlhans Kluncker, Rénald Ruiter (Hg.), Verlag für Berlin-Brandenburg, Potsdam, 1999, ISBN 3-932981-48-0. Zu diesem Buch gibt es auch eine CD mit dem Titel Musik hinterm Stacheldraht.
  • William Hilsley: Erfahrungen als Zivilinternierter unter dem NS-Regime, zusammengestellt von Gottfried Eberle, in: mr-Mitteilungen, Nr. 39, musica reanimata. Förderverein zur Wiederentdeckung NS-verfolgter Komponisten und ihrer Werke e. V., Berlin, 2001, S. 1–7
  • William Hilsley: Wohnort, Emigration, Exil: ein Zeitzeuge berichtet 1911-2001, Stichting Kasteelconcerten Beverweerd, Utrecht, 2001, ISBN 90-806818-1-4

Literatur

  • Berthold Hegner: Die internationale Quäkerschule Eerde – ein Schülertreffen 60 Jahre nach Einstellung des Schulbetriebs, in: Exil, Jahrgang 22, 2002, Heft 2, S. 73–77
  • Patrick Henry: Jewish Resistance Against the Nazis, The Catholic University of America Press, Washington, D.C., 2014, ISBN 978-0-8132-2589-0 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Claus Victor Bock: Wolfgang Frommel in seinen Briefen an die Eltern 1920-1959, Castrum Peregrini Presse, Amsterdam, 1997, ISBN 90-6034-098-1 und ISBN 978-3-8353-0373-7
  • Claus Victor Bock: Untergetaucht unter Freunden. Ein Bericht. Amsterdam 1942-1945, Castrum-Peregrini-Presse, Amsterdam, mehrere Auflagen, ISBN 90-6034-053-1. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Günter Baumann: Dichtung als Lebensform. Wolfgang Frommel zwischen George-Kreis und Castrum Peregrini, Königshausen & Neumann, Würzburg, 1995, ISBN 3-8260-1112-0
  • Peter Budde: Katharina Petersen und die Quäkerschule Eerde. Eine Dokumenbtationscollage, in: Monika Lehmann, Hermann Schnorbach (Hg.): Aufklärung als Lernprozess. Festschrift für Hildegard Feidel-Mertz, dipa-Verlag GmbH, Frankfurt am Main, 1992, ISBN 3-7638-0186-3, S. 86–101
  • Hans A. Schmitt: Quaker Efforts to Rescue Children from Nazi Education and Discrimination: The International Quakerschool Eerde, in: Quaker History, Vol. 85, No. 1 (Spring 1996), S. 45–57
  • Hans A. Schmitt: Quakers and Nazis. Inner Light in Outer Darkness, University of Missouri Press, Columbia and London, 1997, ISBN 0-8262-1134-8
  • Patrick Henry: Jewish Resistance Against the Nazis, The Catholic University of America Press, Washington, D.C., 2014, ISBN 978-0-8132-2589-0
  • Marita Keilson-Lauritz: Kentaurenliebe: Seitenwege der Männerliebe im 20. Jahrhunderts, Männerschwarm Verlag GmbH, Hamburg, 2013, ISBN 978-3-86300-143-8 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Nick Strimple: Choral Music in the Twentieth Century, Amadeus Press, 2005, ISBN 1-57467-074-3 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Friedrich W. Buri: Ich gab dir die Fackel im Sprunge. W. F. ein Erinnerungsbericht. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Stephan C. Bischoff. Verlag für Berlin-Brandenburg, Berlin 2009, ISBN 978-3-86650-068-6. Der Titel ist dem Gedicht „Die Fackel“ von Wolfgang Frommel entlehnt.
  • In memoriam William Hilsley, in: mr-Mitteilungen, Nr. 47, musica reanimata. Förderverein zur Wiederentdeckung NS-verfolgter Komponisten und ihrer Werke e. V., Berlin, 2003, S. 22–23

Weblinks

Einzelnachweise

  1. „Nach dem Krieg hörte ich von meiner Mutter, dass ich eigentlich Josef Ben Mendel Hallevi hätte heißen sollen.“ (zitiert nach Monic Slingerland: De oorlog achter de vleugel)
  2. Das hier referierte familiäre Umfeld wurde weitgehend aus genealogischen Datenbanken rekonstruiert. Danach wäre es möglich, dass aus der Ehe von Adolf und Frida Hildesheimer auch noch weitere Kinder hervorgegangen sind. Genannt werden neben Kurt noch die Töchter Meta (1894-1898) und Else. Kurt Hildesheimer wird von Wolfgang Frommel erwähnt, so in einem Brief vom 15. September 1925 aus Wijk-aan-Zee: „Einen schönen Abend verlebte ich im Zoo mit Billi – einen anderen bei Lotte Bildt. Durch Kurt Hildesheimer auf dem amerikanischen Konsulat war die Passfrage schnell erledigt. Am Sonntag den 30. August kam ich in Enschede bei dem Dichter Peter Endt an.“ (Claus Victor Bock: Wolfgang Frommel in seinen Briefen an die Eltern 1920-1959, S. 56). Einen Hinweis auf diese Tätigkeit von Kurt Hildesheimer im amerikanischen Konsulat findet sich auch im The News-Herald aus Franklin (Pennsylvania) vom 28. April 1924, S. 8, wo es heißt: „About 160 firms are manufacturing radio appartus in Germany, reports Kurt Hildesheimer, clerk to the American commercial .attache in Berlin.“ Bei dem in dem Brief von Wolfgang Frommel erwähnten „Billi“ handelt es sich um William Hilsley, worauf später noch zurückzukommen sein wird. Nicht geklärt ist, wie es zu der britischen Staatsbürgerschaft der Mutter kam, die Hilsley währen seiner Internierung in den 1940er Jahren von großem Nutzen war. In der Einleitung zu William Hilsley: Musik hinterm Stacheldraht, S. 9, wird der Wechsel der Staatsbürgerschaft in Zusammenhang mit seiner Übersiedlung in die Niederlande gebracht: „Die Geburt in London berechtigte ihn, die englische Staatsangehörigkeit anzunehmen. So erhielt er einen englischen Pass und war als JUde in Holland zunächst sicher.“ Unklar ist auch, wie eng die Verbindungen der deutsch-jüdischen Familie Hildesheimer zu den Quäkern waren.
  3. J. Harts: Heren en Vrouwen van Beverweerd en Odijk, S. 12. In anderen Quellen heißt es allerdings, er sei bereits in eine Quäkerfamilie hineingeboren worden.
  4. Claus Victor Bock: Wolfgang Frommel in seinen Briefen an die Eltern 1920-1959, S. 199
  5. Claus Victor Bock: Wolfgang Frommel in seinen Briefen an die Eltern 1920-1959, S. 49
  6. Biografische Notiz zu William Hilsley: Erfahrungen als Zivilinternierter unter dem NS-Regime, S. 1
  7. Friedrich W. Buri: Ich gab dir die Fackel im Sprunge. S. 70
  8. Friedrich W. Buri: Ich gab dir die Fackel im Sprunge. S. 79. Frida Hildesheimer emigrierte 1939 nach London und erlebte den Kriegsausbruch in der Schweiz, wo sie gerade ihren anderen Sohn und dessen Familie besuchte. Nach dem Krieg lebte sie mit William Hilsley in Eerde, wo sie 1952 starb. William Hilsley: Musik hinterm Stacheldraht, S. 23 (Anmerkung 13)
  9. Frommel, Wolfgang. In: Killy Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraums. Band 4: Fri Hap. Walter de Gruyter, Berlin 2009, ISBN 978-3-11-021389-8, S. 62 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche. Hildesheimer/Hilsley den Namen „Cyril“ zu geben, geht auf Frommel zurück).
  10. Das muss 1925 gewesen sein, denn in dem Artikel von Monic Slingerland: De oorlog achter de vleugel spricht er davon, dass er als vierzehnjähriger nach Salem gegangen sei.
  11. Die Vermittlung nach Salem erfolgte offenbar durch Wolfgang Frommel: Biografische Notiz zu William Hilsley: Erfahrungen als Zivilinternierter unter dem NS-Regime, S. 1. Aus der gemeinsamen Schulzeit in Salem rührt auch die Freundschaft zwischen Hilsley und Hellmut Becker. (William Hilsley: Musik hinterm Stacheldraht, S. 49, Anmerkung 53
  12. Günter Baumann: Dichtung als Lebensform, S. 198
  13. Günter Baumann, S. 198
  14. Zum Leben und Schicksal von Adolf Wongtschowski/Friedrich W. Buri vergleiche: Untergetaucht um aufzutauchen. „Obwohl im Freundeskreis von Frommel neu erfundene Namen vielfach ‚verliehen‘ wurden, stammt der Name ‚Buri‘ aus der jüdischen, aber eher deutschnational ausgerichteten Jugendbewegungsgruppe, der ‚Buri‘ und sein Bruder Kurt Wongtschowski (genannt ‚Arco‘) in Frankurt angehört hatten; in dieser Jugendgruppe hatte Wolfgang Frommel den damals 14-jährigen Buri kennengelernt [..].“ (Marita Keilson-Lauritz: Kentaurenliebe, S. 137, Anmerkung 2)
  15. Günter Baumann, S. 244
  16. Gays and Lesbians in war and resistance
  17. Berthold Hegner: Die internationale Quäkerschule Eerde, S. 73
  18. Zitate nach Hans A. Schmitt: Quakers and Nazis, S. 83
  19. Katharina Petersen, zitiert nach Peter Budde: Katharina Petersen und die Quäkerschule Eerde, S. 95–96
  20. Hans A. Schmitt: Quaker Efforts to Rescue Children from Nazi Education and Discrimination, S. 52
  21. Ob Neuse Recht hat, wenn er individuelle sexuelle Präferenzen von Lehrern verteidigt, so lange durch sie Schüler nicht tangiert werden, ist aus heutiger Sicht zu hinterfragen. Gerade die Missbrauchsfälle an der Odenwaldschule, die 2016 zu deren Insolvenz geführt haben, zeigen, wie unter dem Deckmantel des „pädagogischen Eros“ ein „quasi intimes Lehrer-Schüler-Verhältnis“ geschaffen wurde, das dafür sorgte, „dass die wahren Herrschaftsstrukturen zwischen Lehrer und Schüler verwischt wurden“ (Interview mit Oskar Negt in der Frankfurter Rundschau vom 18. März 2010, S. 20–21). Die Überschrift über dem Interview lautet: „Sie haben die Augen verschlossen – und es gewollt“. Was Neuse gewusst hat, ist schwer zu beurteilen. Sicher aber ist, dass nicht nur Hilsley und sein Freund Buri ihre „individual’s sexual preferences“ auf Eerde pflegten, sondern ihr „Ziehvater“ Wolfgang Frommel, der öfter Vorträge in der Schule hielt und auch mit weiteren Lehrern (Otto und Edith Reckendorf) befreundet war, eine homosexuelle Beziehung mindestens zu einem Schüler, Claus Victor Bock, unterhielt. Die folgende Szene spielt im Hause des Ehepaares Reckendorf, bei denen Frommel im April 1941 während eines Besuchs der Quäkerschule Eerde wohnte: „Wir stiegen hinauf zum steilen Arbeitszimmer, das der Hausherr dem Gast überlassen hatte. An der aus hölzernen Latten gefügten Wand hingen die Häute von Schlangen: regungslos, schon abgestreifte Formen. Wir standen uns gegenüber, keiner sprach. Ich war fest entschlossen, diesem ernsten, auf mich gerichteten Blick standzuhalten. Ich spürte, wie er bald forschend, bald fordernd in mich drang. Die Schlangen fielen mir ein und wie sie sich häuteten. Sah ich in zwei Augen oder in eines? Ich suchte das Feld zwischen den Augen. Da änderte Wolfgangs Gesicht seinen Ausdruck. Fremde Züge schienen sich seiner – dann auch meiner – zu bemächtigen. Ein neues, viel älteres Antlitz tauchte unheimlich nah vor mir auf. War noch jemand im Raum? War ein dritter bei uns, als unsere Lippen sich trafen und der Funke zeugerisch in mich übersprang? Was ich erlebt hatte, war ein Sieg, aber auch eine Verpflichtung, und die liess sich nicht deuten, nur verwirklichen.“ (Claus Victor Bock: Untergetaucht unter Freunden, S. 14–15)
  22. Hans A. Schmitt, S. 52
  23. Katharina Petersen, zitiert nach Peter Budde: Katharina Petersen und die Quäkerschule Eerde, S. 96
  24. Friedrich W. Buri: Ich gab dir die Fackel im Sprunge, S. 98
  25. William Hilsley: Musik hinterm Stacheldraht, S. 16. Bei „W. H.“ handelt es sich um Werner Hermanns, den Nachfolger von Kurt Neuse als Schulleiter, „O.“ steht für den Ort Ommen, zu dem Schloss Eerde gehörte, und die Baronin v. P war Frau van Pallandt, die Frau des Besitzers von Schloss Eerde.
  26. Der Hinweis auf Schoorl,stammt von Hilsley in dem Artikel von Monic Slingerland: De oorlog achter de vleugel. Auch Claus Victor Bock berichtet in Untergetaucht unter Freunden (S. 13) davon, dass Wolfgang Frommel Hilsley dort noch besucht habe.
  27. Toszek (Tost) wird im Internet wie auch in den beiden WIKIPEDIA-Artikeln überwiegend nur mit dem NKWD-Lager Toszek von 1945 in Verbindung gebracht. Auf der Seite Kriegsgefangenenlager: Liste finden sich aber mehrere Einträge, die belegen, dass in Tost bereits ab 1940 Lager existierten.
  28. a b c d e f g h i Monic Slingerland: De oorlog achter de vleugel
  29. a b c Patrick Henry: Jewish Resistance Against the Nazis, S. 330
  30. Was allerdings auch an den internationalen politischen Rahmenbedingungen lag, die Internierten aus westeuropäischen Ländern besseren Schutz garantierten als etwa russischen Kriegsgefangenen. Die deutschen Lager für die Internierten aus westeuropäischen Ländern und dem Commonwealth durften von zwei internationalen Organisationen inspiziert werden: vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK)/International Red Cross Committee (IRCC) und vom Christlicher Verein Junger Menschen (CVJM) / Young Men’s Christian Association (YMCA). „The basis for this were the rules of the Geneva Convention of 1929 regarding treatment of POWs, a matter of reciprocity. Prisoners kept by nations which had not ratified the Geneva Convention, mainly the Sovjet Union and Japan, could not benefit from the work of international organizations, neither could Russian and political prisoners in Hitler’s Germany including those in ‚concentration‘ camps. But Germany was a party to the Convention; work among POWs and civilian internees was allowed.“ (Henry Söderberg: My Friend William Who Made Music Behind Barbed Wire, in William Hilsley: Musik hinterm Stacheldraht, S. 107)
    Wie extrem unterschiedlich dazu die Bedingungen in den Lagern für sowjetische Kriegsgefangene waren, zeigen beispielsweise die Tagebuchaufzeichnungen des Kochs Franz H., der schildert, wie sowjetische Kriegsgefangene im Durchgangslager 150 in Dubowitzi bei Staraja Russa behandelt wurden: „13. Oktober 1941. Die Gefangenen sterben wie die Fliegen. Den Friedhof hat man verlegt. 12 Gefangene waren heute morgen wieder tot. Lieber tot als Gefangener sein. 18. Oktober. M. schlug 2–3 Gefangene wieder nieder. Leute, die in ihrem Leben kaum etwas zu sagen haben, entdecken hier ihr Talent, den rücksichtslosen Herrn zu spielen. Wie wird das später mal sein, alles rächt sich. 31. Oktober. Das Schicksal und die Tragödien nehmen ihren weiteren Verlauf. Die Kälte bestimmt, dass immer mehr Menschen sterben. Heute morgen liegen über 30 Tote dort. Wieder stehen sie [die Kriegsgefangenen] frierend vor dem Tore und warten auf Kleidungsstücke, welche die Toten nicht mehr brauchen. Man zieht sie nackt aus. Geduldig wie die Tiere, teilnahmslos und, wie man meint, ohne jede Regung nehmen sie das Leben hin. M. erzählte, beim Begraben bewegte sich ein angeblich Toter, man trat ihm auf den Leib u. Hals, dass er erstickte. Anderenfalls hätte man ihn ja wieder zurücktragen müssen. 5. November. 50 waren heute morgen wieder tot. Wie Mäuse liegen die Toten herum. 26. Januar 1942. Die Gefangenen, welche von uns hier zum weiteren Abtransport herausgesucht sind, leben in der primitivsten Weise. 200 sind bereits tot. Furchtbare Szenen spielen sich dort ab. Gegenseitig fressen sie sich auf. Tote, denen eine Stück Oberschenkel fehlt, findet man immer wieder. Selbst das Gehirn wird gefressen. Wäre ich doch bloß hier raus.“ (Klaus Michael Mallmann, Volker Rieß u. Wolfram Pyta (Hg.): Deutscher Osten 1939–1945. Der Weltanschauungskrieg in Photos und Texten, WBG Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 2003, ISBN 3-534-16023-1, Seite 164)
  31. Zu dem Namen gibt es unterschiedliche Angaben. In William Hilsley: Erfahrungen als Zivilinternierter unter dem NS-Regime, S. 3, ist von Oberstleutnant Puchelt statt von Oberstleutnant Buchert die Rede.
  32. Dessen Wirken wurde von dem amerikanischen Autor J. Frank Diggs, der selbst in Deutschland interniert war, gewürdigt: The Welcome Swede, Vantage Press, New York, 1988, ISBN 0533078180.
  33. Monic Slingerland: De oorlog achter de vleugel. Zu der schier unglaublichen Geschichte des freiwilligen Wechsels der nicht-jüdischen Gefangenen aus Tost in das Lager Kreuzburg vergleiche auch: Patrick Henry: Jewish Resistance Against the Nazis, S. 330
  34. William Hilsley: Musik hinterm Stacheldraht, S. 102
  35. Patrick Henry: Jewish Resistance Against the Nazis, S. 330–331. Siehe hierzu auch: Nick Strimple: Choral Music in the Twentieth Century, S. 43-44
  36. William Hilsley: Musik hinterm Stacheldraht, S. 103
  37. William Hilsley: Musik hinterm Stacheldraht, S. 82-83
  38. Henry Söderberg: My Friend William Who Made Music Behind Barbed Wire, in William Hilsley: Musik hinterm Stacheldraht, S. 108-109
  39. Das gilt auch für seine Korrespondenz. Seine Briefe an Noni Warburg aus der Zeit vor der Befreiung des Lagers sind in deutscher Sprache geschrieben, danach in englischer. Das kann natürlich auch damit zu tun haben, dass er nun mit deutschen Aufzeichnungen oder Briefen keinen Anstoß bei britischen oder amerikanischen Stellen erregen wollte.
  40. Friedrich W. Buri: Ich gab dir die Fackel im Sprunge, S. 186
  41. In memoriam William Hilsley, S. 23
  42. Henry Söderberg: My Friend William Who Made Music Behind Barbed Wire, in William Hilsley: Musik hinterm Stacheldraht, S. 109
  43. Rénald Ruiter, Vorsitzender der Stiftung Kasteelconcerten Beverweerd, in seinem Vorwort zu William Hilsley: Musik hinterm Stacheldraht, S.7
  44. Zitiert aus dem Vorwort zu William Hilsley: Musik hinterm Stacheldraht, S.7
  45. William Hilsley: Erfahrungen als Zivilinternierter unter dem NS-Regime, S. 7
  46. Sommertreffen des Mindener Kreises vom 14. bis zum 17. Juni 2001 in Halberstadt
  47. Berthold Hegner: Die internationale Quäkerschule Eerde, S. 73
  48. Schloss Beverweerd in der niederländischen Wikipedia