Zunderschwamm

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Zunderschwamm

Zunderschwamm (Fomes fomentarius)

Systematik
Klasse: Agaricomycetes
Unterklasse: unsichere Stellung (incertae sedis)
Ordnung: Stielporlingsartige (Polyporales)
Familie: Stielporlingsverwandte (Polyporaceae)
Gattung: Zunderschwämme (Fomes)
Art: Zunderschwamm
Wissenschaftlicher Name
Fomes fomentarius
(L. : Fr.) J.J. Kickx

Der Zunderschwamm (Fomes fomentarius) ist eine Pilzart aus der Familie der Stielporlingsverwandten (Polyporaceae). Er befällt geschwächte Laubbäume, vor allem Buchen und Birken, und bildet an den Stämmen dicke, invers konsolenförmige Fruchtkörper. Die mehrjährigen Gebilde können im Durchmesser bis zu 30 cm erreichen. Die krustige Oberseite ist hellgrau oder blass bräunlich gefärbt und fein zoniert. Die Röhren auf der Unterseite haben eine braune Farbe und sind oft mehrfach geschichtet.

Der Name des Porlings entstand aus der früheren Verwendung als Zunder. Baumpilze werden aufgrund ihrer Eigenschaft, Wasser zu binden, zudem als Schwämme bezeichnet. Außerdem wurden aus ihm bis ins 19. Jahrhundert blutstillende sowie desinfizierende Wundauflagen hergestellt. Ferner kamen alkoholische Flüssigextrakte u. a. bei Blasenleiden, Magenverstimmungen und Menstruationsbeschwerden zum Einsatz.[1]

In Rumänien wird heute noch die Trama zu einem lederartigen Material verarbeitet, aus dem für den Touristenmarkt kunstvolle Hüte, Taschen und Ähnliches gefertigt werden. Ansonsten hat der Zunderschwamm wirtschaftlich weitestgehend keine Bedeutung mehr.

Das wissenschaftliche Interesse am Zunderschwamm hingegen ist in jüngerer Zeit ansteigend und auch in der Mykologie ist der Zunderschwamm als sogenannter Vitalpilz populär.

Merkmale

Schnitt durch einen Fruchtkörper mit den beschrifteten Bestandteilen. Üblicherweise nimmt der Myzelialkern jedoch die gesamte obere Wulst ein.
Junge Exemplare des Zunderschwamms mit frischeren Zuwachskanten
Fruchtkörper an Birke
Der Drehwuchs des Zunderschwamms resultiert aus dem Umkippen des Baums (Gravitropismus bzw. Geotropismus).

Makroskopische Merkmale

Der Zunderschwamm bildet mehrjährige, konsolenförmige Fruchtkörper, die bis zu 30 Jahre alt werden können. Sie erreichen eine Breite von 10 bis 30 Zentimetern, in Ausnahmefällen auch bis 60 Zentimeter Breite und bis 20 Zentimeter Dicke und Höhe. An Birken ist er jedoch meist deutlich kleiner. Mit zunehmendem Alter und bei Verbrauch des besiedelten Substrates wird der jährliche Zuwachs geringer, so dass relativ hohe, hufförmige Fruchtkörper entstehen. Eine ähnliche Beobachtung lässt sich bei Fruchtkörpern mit zunehmender Höhe am Substrat machen.

Die Fruchtkörper sind oberseits hell- bis dunkelgrau, ältere Fruchtkörper können fast schwarz werden. Junge, noch nicht überwinterte Fruchtkörper sind wie die Zuwachszone älterer Exemplare gelb bis rostbraun gefärbt. Die Oberfläche der Fruchtkörper ist konzentrisch rillig bis gefurcht und mit einer harten Kruste bedeckt, die sich mit Kaliumhydroxid durch den Farbstoff Fomentariol blutrot verfärbt.

Die oft leicht nach innen gewölbte Unterseite des Zunderschwammes besteht aus einer glatten, grau- bis ockerbraunen Porenschicht. Die Poren sind dickwandig und rundlich; in einem Abschnitt von einem Millimeter befinden sich zwei bis vier Poren. Auf Druck verfärben sie sich leicht braun. Die Röhren sind in Schichten angeordnet. Diese Zonen entsprechen – wie auch die Wachstumszonen der Oberfläche – den Wachstumsschüben des Pilzes. Da mehrere solche Schübe pro Jahr auftreten können (oft zwei pro Jahr), kann aus der Zahl der Schichten nicht auf das Alter des Fruchtkörpers geschlossen werden.

Im Innern des Pilzes befindet sich das weiche Pilzgeflecht des Myzelialkerns. Dieser wird von einer verhältnismäßig dünnen Tramaschicht umgeben, die sich außerdem über den gesamten Bereich unter der Kruste erstreckt. Die Trama färbt sich mit Kaliumhydroxid schwarz. Wie andere baumbewohnende Pilzarten zeigt auch der Zunderschwamm den Geotropismus, das heißt, neu zuwachsende Fruchtschichten werden mit der Unterseite zum Erdboden ausgerichtet. Bildet ein Fruchtkörper nach dem Umstürzen des Wirtsbaumes neue Fruchtschichten, werden diese um etwa 90° gegenüber den schon vorhandenen ausgebildet.

Mikroskopische Merkmale

Der Zunderschwamm besitzt eine aus drei Formen bestehendes Hyphensystem (trimitisch), bestehend aus generativen Hyphen, Skeletthyphen und Bindehyphen. Erstere sind zylindrisch, dünnwandig und hyalin; die Septen (Trennwände der Hyphen) besitzen Schnallen. Die Binde- und Skeletthyphen sind hingegen dickwandig und gelb- bis hellgoldbraun gefärbt. Die Bindehyphen sind verzweigt und Skeletthyphen nicht oder kaum vorhanden. Es existieren keine Zystiden.

Die Basidien haben eine keulige Form sowie eine Schnalle an der Basis. Sie sind hyalin und besitzen vier Sporen. Diese sind zylindrisch bis lang ellipsoid geformt und 15–22 × 4,4–7 Mikrometer groß. Sie sind hyalin, inamyloid und besitzen eine glatte Oberfläche. Das Sporenpulver ist weiß.

Artabgrenzung

Der Zunderschwamm kann mit Arten der Gattung Lackporlinge verwechselt werden. Diese besitzen jedoch oft eine kräftig braun gefärbte Hutoberseite; die Poren färben sich auf Druck dunkelbraun. Ein sicheres Unterscheidungsmerkmal sind die warzigen Sporen gegenüber den glatten beim Zunderschwamm. Auch die Feuerschwämme können ihm ähnlich sehen. Sie unterscheiden sich durch ihre feste, holzartige Konsistenz mit nicht eindrückbarer Hutkruste. Darüber hinaus besteht eine Ähnlichkeit mit dem Rotrandigen Baumschwamm, der allerdings meist an Nadelholz zu finden ist und eine hellere Trama und nicht verfärbende Poren aufweist.[2]

Ökologie

Zahlreiche Fruchtkörper des Zunderschwamms besiedeln einen toten, teils noch stehenden Buchenstamm.

Der Zunderschwamm ist ein Schwächeparasit und Saprobiont an Laubhölzern, sehr selten auch an Nadelbäumen. Hauptsubstrat des Zunderschwammes in Mitteleuropa ist die Rotbuche, daneben werden Birken und Pappeln besiedelt, er kann aber auch an anderen Laubgehölzen vorkommen. In Europa gibt es eine Süd-Nord-Verteilung des Hauptsubstrates, im Süden des Kontinentes wird Fagus als Hauptwirt gefunden, im Norden Birkenarten, diese Substratgrenze fällt in Deutschland in etwa mit dem Nordrand der Mittelgebirge zusammen. Fruchtkörper werden in allen Phasen der Holzzersetzung des Pilzes gebildet.

Der Zunderschwamm ist ein typischer Bewohner älterer Bestände. Bevorzugte Waldarten sind Buchen-, Tannen-Buchen- und buchenreiche Hainbuchen-Eichen-Wälder. Auch in Mooren, Heiden und alten Birkenbeständen ist er zu finden. Weniger häufig ist der Pilz dagegen an beschatteten Hängen und Erlen-Auwäldern.

Der Zunderschwamm dringt in seine Wirtsbäume über Ast- und Stammwunden ein, und verursacht im Kernholz eine intensive Weißfäule, die den befallenen Baum häufig in mehreren Metern Höhe abbrechen lässt. Der Zunderschwamm kann am abgestorbenen Substrat noch längere Zeit als Saprobiont weiterleben.

Verbreitung

Der Zunderschwamm ist neben Indien und Pakistan vor allem holarktisch verbreitet, wo er meridional bis boreal vorkommt. In Asien, Nordamerika und Europa ist der Pilz weit verbreitet. Außerdem ist er in Nordafrika und auf den Kanarischen Inseln anzutreffen. In Europa ist der Zunderschwamm überall zu finden.

Über die Häufigkeit und die Gefährdung des Zunderschwammes gehen die Ansichten in der Literatur auseinander, während Krieglsteiner ihn in die Gefährdungsgruppe G 3 (noch häufig, aber mit starker Rückgangstendenz) einordnet, wird er in anderen Publikationen als gemein beschrieben. Als Grund für den Rückgang wird von Krieglsteiner vor allem die starke forstwirtschaftliche Verjüngung der Wälder gesehen. Hinzu kommen die Abnahme alter und kranker Laubbäume, die aufgrund ihres schwachen Zustandes entfernt werden, sowie das Umforsten in Nadelholzbestände, das Absenken des Grundwassers, eine Intensivierung der Landwirtschaft und die Urbanisierung. In Süddeutschland ist er in unbewirtschafteten Wäldern der häufigste Pilz, in intensiv bewirtschafteten Waldgebieten fehlt er hingegen ganz.[3]

Bedeutung

Schon im Neolithikum wurde die locker-filzige Mittelschicht des Pilzes, die so genannte Trama, zu Zunder verarbeitet. Durch diesen Verwendungszweck hat der Pilz seinen Namen erhalten. Zunderschwämme wurden etwa in dem Pfahlbau von Alvastra und der Schussenrieder Feuchtbodensiedlung Ehrenstein bei Ulm gefunden.

Aus der Trama von Fomes fomentarius in Rumänien hergestellte Kappe

In der Neuzeit wurde in einem aufwändigen Verfahren diese Hyphenschicht eingeweicht, gekocht, geklopft, in Salpeterlösung oder Urin eingelegt und getrocknet. Dabei erhielt man eine rehbraune filzartige Masse, die durch auftreffende Funken sofort zu glimmen anfing.

Unbehandelten Zunder verarbeitete man im Mittelalter und der Neuzeit auch zu Westen und Kappen. Außerdem wurde er bis ins 19. Jahrhundert in Apotheken als blutstillende Wundauflage unter der Bezeichnung Fungus chirurgorum (sog. Wundschwamm) verkauft. Die Nachfrage nach den Zunderschwämmen war in dieser Zeit so hoch, dass der Pilz zeitweise aus Skandinavien, Böhmen und Ungarn importiert wurde und in einigen Gebieten Deutschlands zur Rarität wurde. Im Jahr 1842 wurden beispielsweise in Neustadt am Rennsteig 21,5 Tonnen Zunderschwamm verarbeitet. 1872 wurde eine gesonderte Fabrik errichtet, die im gleichen Jahr 6 Tonnen verarbeiteten Zunderschwamm vermarktet hatte.[4]

Heute ist das wirtschaftliche Interesse am Zunderschwamm weitestgehend gering. Er findet u. a. dekorative Verwendung in Blumengestecken, Kränzen und Pflanzschalen. In Rumänien werden für Touristenmärkte Kappen, Hüte, Taschen, Untersetz-Deckchen und weitere Objekte hergestellt.

In jüngerer Zeit beschäftigen sich forschende Einrichtungen zusehends mit dem Zunderschwamm. Mit der Veröffentlichung der analytischen Zusammensetzung 2006/2007 durch das Forschungsinstitut Biopol e. V. wurde der Beta1,3/1,6 D-Glucan-Melanin-Chitin-Komplex[5] identifiziert und wurde Gegenstand von Produktentwicklungen für verschiedene Wirtschaftsbranchen[6].

Der Zunderschwamm als einer der wichtigsten und häufigsten Weißfäuleerreger an Buchen ist von forstwirtschaftlicher Bedeutung.

Der Zunderschwamm war Pilz des Jahres 1995.

Zur analytischen Zusammensetzung

Der Zunderschwamm besteht bis ca. 87 % aus dem Beta 1,3/1,6 D- Glucan-Melanin-Chitin -Komplex[5] sowie Proteinen, Lipiden, Mineralien, Vitamine u. a. m. Dabei sind die einzelnen Komponenten des Komplexes ineinander so verwoben, dass sie eine Hohlfaser bilden. Dieser Komplex ist als Hohlfaser ein unikaler Naturbaustein. Nachfolgend die Bestimmung der Polysaccharid- Zusammensetzung des Beta 1,3 /1,6 D-Glucan-Melanin-Chitin -Komplex[7] mit den Bestandteilen:

  • Glucan ca. 40 %
  • Chitin/Chitosan 5,0/ 3,9 %
  • Glukoronsäure 1 %
  • Hydrolyserückstand 21 %
  • Asche 1,8 %
  • Extrahierbares 9,5 %
  • Stickstoff 1,1 %
  • Stickstoff im Hydrolyse- Rückstand 1,7 %
  • Der Melaninanteil ist mit ca.19-23 % im Komplex determiniert.

Durch verschiedene Technologien der Aufreinigung des Beta 1,3/1,6 D-Glucan-Melanin-Chitin-Komplexes als Hohlfaser, kann diese für verschiedene Verwendungszwecke in den Bereichen Umweltschutz (Dekontaminationen), Nahrungsergänzung, Kosmetik und Medizin modifiziert werden. Der Hohlraum der Faser bleibt dabei stets erhalten.

Die durchschnittliche Zusammensetzung dieser aufgereinigten Hohlfaser wird wie folgt angegeben:[8]

  • Beta 1,3/1,6 D-Glucan 40-46 %
  • Melanin > 20 %
  • Chitin < 10 %

Literatur

  • Heinz Butin: Krankheiten der Wald- und Parkbäume. Diagnose, Biologie, Bekämpfung. 2 Sporentafeln. 3., neubearbeitete und erweiterte Auflage, Thieme, Stuttgart und New York 1996, ISBN 3-13-639003-2
  • P. Schütt, H. J. Schuck und B. Stimm: Lexikon der Baum- und Straucharten. Nikol-Verlagsgesellschaft mbH, Hamburg 2002
  • German J. Krieglsteiner: Die Großpilze Baden-Württembergs. Band 1: Allgemeiner Teil. Ständerpilze: Gallert-, Rinden-, Stachel- und Porenpilze. Ulmer, Stuttgart 2000, ISBN 3-8001-3528-0
  • H. Dörfelt und G. Jetschke: Wörterbuch der Mycologie. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg-Berlin 2001, ISBN 3-8274-0920-9

Weblinks

Commons: Fomes fomentarius – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. G. Frerichs, G. Ahrend, H. Zurnig (Hrsg.): Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis. Springer Verlag, Berlin, Göttingen, Heidelberg 1949, S. 1324.
  2. Ewald Gerhardt: BLV Handbuch Pilze. BLV, München 2006, ISBN 3-8354-0053-3. S. 462. (für den gesamten Absatz)
  3. Jörg Müller, Heinz Engel, Markus Blaschke: Assemblages of wood-inhabiting fungi related to silvicultural management intensity in beech forests in southern Germany. In: European Journal of Forest Research. Band 126, Nr. 4, Oktober 2007, S. 513–527.
  4. Wilfried Rühle: Traditionspflege Zunderschwamm: Herr Schaub und das Rennsteigmuseum in Neustadt. Forschungsinstitut BIOPOL, 1. August 2015, abgerufen am 11. April 2016.
  5. a b Wilfried Rühle: [www.forschungsinstitut-biopol.de Fragen zum Beta 1,3/1,6D-Glucan- Naturkomplex.] In: Zunderschwamm Der Trüffel unter den Heilpilzen. Forschungsinstitut Biopol e. V., Dezember 2014, abgerufen am 1. Dezember 2014 (deutsch).
  6. Wilfried Rühle: Produktentwicklungen. Forschungsinstitut Biopol e. V., 2005, abgerufen am 9. Oktober 2006 (deutsch).
  7. Hendrik Wetzel: 8.Berlin-Brandenburgisches Forschungssymposium, Polysaccharid – Zusammensetzung des Betaglucan-Naturkomplexes aus dem Zunderschwamm (Fomes fomentarius). Abgerufen am 30. Oktober 2014.
  8. Wilfried Rühle: ...bitte ein Pil(z)s! epubli GmbH, Berlin 2014, ISBN 978-3-7375-1062-2, S. 44.