„Esra (Roman)“ – Versionsunterschied

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Ende 2005 legte der Verlag [[Verfassungsbeschwerde]] gegen das Verbot ein. Das Bundesverfassungsgericht wies diese Klage jedoch im Oktober 2007 ab, so dass der Roman weiterhin verboten bleibt.<ref>[http://www.spiegel.de/kultur/literatur/0,1518,511018,00.html Bericht über das Urteil bei Spiegel Online]</ref>
Ende 2005 legte der Verlag [[Verfassungsbeschwerde]] gegen das Verbot ein. Das Bundesverfassungsgericht wies diese Klage jedoch im Oktober 2007 ab, so dass der Roman weiterhin verboten bleibt.<ref>[http://www.spiegel.de/kultur/literatur/0,1518,511018,00.html Bericht über das Urteil bei Spiegel Online]</ref>

===Bundesverfassungsgerichtshof===

Am 12. Oktobe 2007 lehnte das [[Bundesverfassungsgericht]] die Beschwerde mit fünf zu drei Stimmen ab.<ref>[http://www.spiegel.de/kultur/literatur/0,1518,511018,00.html Urteil aus Karlsruhe: Roman "Esra" bleibt verboten, Spiegel Online vom 12. Oktober 2007]</ref> Zur Begründung hieß es, dass der Roman die Persönlichkeitsrechte der Ex-Geliebten Billers mit seiner detallierten Beschreibung einer Liebesbeziehung verletze. Im Unterschied zu vorhergehenden Instanzen wurde allerdings gleichzeitig betont, dass die Mutter der Geliebten, die sich ebenfalls in einer Figur des Romans wiedererkannte, keinen Unterlassungsanspruch habe. Kritiker werteten das Urteil als Schwächung der Kunstfreiheit und befürchten einen Präzedenzfall für zukünftige, ähnlich gelagerte Fälle.


===Auswirkungen===
===Auswirkungen===

Version vom 12. Oktober 2007, 10:43 Uhr

Esra ist ein autobiografischer Liebesroman von Maxim Biller. Das 2003 bei Kiepenheuer & Witsch erschienene Werk, das intime Details der unglücklichen Liebe des Autoren zu einer in Deutschland lebenden Türkin enthält, war Ausgangspunkt einer juristischen Auseinandersetzung, die letztendlich zum Verbot des Romans führte.

Inhalt

Der Roman befasst sich mit einer komplizierten Liebesgeschichte der Hauptantagonisten, dem jüdischstämmigen „Adam“ und der türkischstämmigen „Esra“. Die Beziehung der beiden ist geprägt von Eifersucht und Argwohn bis hin zum Verfolgungswahn. Beide trennen sich und kommen wieder zusammen. Schließlich scheitert die Beziehung an der Schwangerschaft Esras. Neben den komplizierten Persönlichkeiten wird die Beziehung auch durch den jeweiligen kulturellen Hintergrund und das verwandtschaftliche Umfeld der beiden Hauptfiguren geprägt. Eine besondere Rolle nimmt hierbei die Hassbeziehung „Adams“ zur Mutter „Esras“ ein.

Der Roman greift eine Vielzahl von Details aus dem Leben der am Rechtsstreit später beteiligten realen Personen in dem Roman auf so zum Beispiel hochrangige tatsächlich verliehene Preise. Hierdurch machte er „Esra“ und ihre Mutter identifizierbar. Dabei greift der Roman gleichzeitig seine eigene Wirkung auf, etwa wenn „Esra“ „Adam“ erklärt, dass sie sich eben nicht mit intimen Details in seinen Kolumnen oder Büchern wiederfinden möchte. Dies kann man durchaus im Zusammenhang mit Billers Literaturkonzept sehen, dass die Literatur das Leben widerspiegeln solle.[1] Allerdings weist der Roman in nicht unwichtigen Schlüsselszenen Abweichungen, auch solche, die ihrerseits ehrenrührig sind, zu den realen Vorbildern auf. Für den Leser ist so nicht erkennbar, wo tatsächlich reale Gesichtspunkte realer Figuren beschrieben werden und wo dies nicht der Fall ist und die Fiktion beginnt.[2]

Gerichtliche Auseinandersetzung

Erste Instanzen

Die Veröffentlichung des Werkes wurde 2003 kurz nach seinem Erscheinen untersagt, da das Landgericht München[3] die Persönlichkeitsrechte der „Esra“, in Wahrheit eine andersnamige deutschsprachige Schauspielerin, und ihrer ebenfalls in der Öffentlichkeit stehenden Mutter verletzt sahen. Auch eine Fassung, in der jegliche Hinweise auf die wahre Identität der Protagonisten gestrichen wurde, durfte später nicht verkauft werden, da durch die Medienaufmerksamkeit um das Buch und sein Verbot die hinter den geänderten Namen stehenden Persönlichkeiten auch ohne eindeutige Hinweise z.B. auf bestimmte Leistungen der Betroffenen für jedermann entschlüsselbar geworden waren.

Auch das Oberlandesgericht München bestätigte im Berufungsverfahren die Entscheidung des Landesgerichtes.

Bundesgerichtshof

Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte das durch die Revision angegriffene Urteil des Oberlandesgerichtes München.[4] Der BGH führte aus, dass die Klage zulässig sei, obwohl der Beklagte eine Unterlassungserklärung abgegeben habe. Im Falle der Verletzung des Persönlichkeitsrechtes sei es hierbei notwendig, dass eine derartige Erklärung alle möglichen Aspekte einer Persönlichkeitsrechtsverletzung abdecke, damit hierdurch die Klage unzulässig werde.

In der Sache wägte der BGH die durch Art. 5 Abs. 3 GG gewährte Kunstfreiheit des Autors gegen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1 GG) der als „Esra“ dargestellten Schauspielerin und ihrer Mutter ab. Es kam hierbei zum Schluss, dass im konkreten Fall das Persönlichkeitsrecht der Schauspielerin schwerer wiege. Es sei nicht erforderlich, dass (wie noch in der Mephisto-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes für entscheidend erklärt) die dargestellten Personen „von einem nicht unbedeutenden Leserkreis unschwer“ als Vorbild der Romanfigur erkannt werden könnten. Vielmehr sei für eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrecht ausreichend, dass der Betroffene „erkennbar zum Gegenstand einer medialen Darstellung“ werde. Hierfür genüge es, wenn die Person ohne namentliche Nennung zumindest für einen Teil des Leser- und Adressatenkreises aufgrund der mitgeteilten Umstände hinreichend erkennbar werde. Hierfür könne die Wiedergabe von Teilinformationen ausreichen, aus denen sich die Identität für die sachlich interessierte Leserschaft ohne weiteres ergebe oder mühelos ermitteln lasse.

Das Urteil des Bundesgerichtshofes wurde gerügt, da es zu einer Einschränkung der Kunstfreiheit führe und letztlich die gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG abgeschaffte Zensur wieder eingeführt würde. Letztlich würde das Grundrecht der Kunstfreiheit unzulässig eingeschränkt, da die Inspiration des Künstlers durch die Wirklichkeit nicht hinreichend berücksichtigt würde. Bereits die Mephisto-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes ginge hierbei zu weit, das BGH-Urteil schränke die Kunstfreiheit aber noch weiter ein.[5][6] [7]

Ende 2005 legte der Verlag Verfassungsbeschwerde gegen das Verbot ein. Das Bundesverfassungsgericht wies diese Klage jedoch im Oktober 2007 ab, so dass der Roman weiterhin verboten bleibt.[8]

Bundesverfassungsgerichtshof

Am 12. Oktobe 2007 lehnte das Bundesverfassungsgericht die Beschwerde mit fünf zu drei Stimmen ab.[9] Zur Begründung hieß es, dass der Roman die Persönlichkeitsrechte der Ex-Geliebten Billers mit seiner detallierten Beschreibung einer Liebesbeziehung verletze. Im Unterschied zu vorhergehenden Instanzen wurde allerdings gleichzeitig betont, dass die Mutter der Geliebten, die sich ebenfalls in einer Figur des Romans wiedererkannte, keinen Unterlassungsanspruch habe. Kritiker werteten das Urteil als Schwächung der Kunstfreiheit und befürchten einen Präzedenzfall für zukünftige, ähnlich gelagerte Fälle.

Auswirkungen

Die Untersagung der Veröffentlichung des Romanes führte zu einer Solidaritätserklärung zahlreicher Künstler. Unter anderem die Autoren Günter Grass, Elfriede Jelinek und Feridun Zaimoglu, die Regisseure Peter Zadek, Luc Bondy und Helmut Dietl die Schauspielerinnen Iris Berben, Senta Berger und Idil Üner unterzeichneten den Aufruf.[10] In der Diskussion wurde auch geäußert, dass der Schutz der Intimsphäre eines der verletzlichsten Güter sei und der Roman letztlich nicht auf Ähnlichkeiten sondern auf bewusste Entblößung und Verletzung auch der Intimsphäre ziele.[11][12]

Einzelnachweise

  1. Richard Kämmerlings, Kann Dichtung dem Leben schaden?, FAZ.net vom 4. Januar 2007
  2. Richard Kämmerlings, Kunstperson - Was den Fall Maxim Biller so kompliziert macht, FAZ.net vom 28. April 2003
  3. Abgedruckt in ZUM 2004, 234
  4. BGH, Urteil vom 21. Juni 2005, Az. VI ZR 122/04, abgedruckt in ZUM 2005, 735
  5. Wenn Richter über Romane richten, Welt-Online vom 14. Juni 2007
  6. Daniel Kehlmann, Ein Autor wird vernichtet, FAZ.net vom 24. Juli 2006 (Kommentar)
  7. York-Gothart Mix/Christian Eichner, Ein Fehlurteil als Maßstab? Ein Lackmustest für das Problem der Kunstfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland: Zu Maxim Billers "Esra" und Klaus Manns "Mephisto", Gutachten zur Vorlage vor dem Bundesverfassungsgerichtes (PDF-Datei)
  8. Bericht über das Urteil bei Spiegel Online
  9. Urteil aus Karlsruhe: Roman "Esra" bleibt verboten, Spiegel Online vom 12. Oktober 2007
  10. Solidarität mit Maxim Biller, FAZ.net vom 22. Juli 2006
  11. Ulrich Greiner, Die Rechte der Person, Die Zeit vom 27. Juli 2006
  12. Andreas Zielcke, Denn sie wissen genau, was sie tun, Sueddeutsche Zeitung vom 16. Oktober 2003

Weblinks

Quelle

  • Rainer Schmitz : Was geschah mit Schillers Schädel? Alles was Sie über Literatur nicht wissen ; Frankfurt am Main 2006