Monotheismus

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Der Begriff Monotheismus (griechisch μόνος mónos „allein“ und θεός theós „Gott“) bezeichnet Religionen bzw. philosophische Lehren, die einen allumfassenden Gott kennen und anerkennen. Damit werden diese in der Religionswissenschaft vom Polytheismus unterschieden, der viele Götter kennt und verehrt. Religionen, die viele Götter kennen, aber einem von diesen den Vorrang (als allein zu verehrenden Gott) einräumen, bezeichnet der Begriff Henotheismus.

Jerusalem: Schnittpunkt dreier monotheistischer Weltreligionen

Beispiele und Ausprägungen

Zeitgenössische monotheistische Religionen sind das Judentum, das Christentum, der Islam, der Sikhismus, das Bahaitum, das Jesidentum sowie der Zoroastrismus. Teils finden in historischer Betrachtung der Zoroastrismus als eine dualistische und die Anfänge des jüdischen Glaubens als eine henotheistische Religion Berücksichtigung. Nach Ansicht der meisten Ägyptologen finden sich nachweisbare geschichtliche Vorformen des Monotheismus im 14. Jahrhundert v. Chr. im Alten Ägypten unter der Regentschaft von Pharao Echnaton (Amenophis IV.). Er erhob Aton zum alleinigen Gott. Da er jedoch die Existenz der traditionellen Gottheiten nicht bestritt und deren Kult nur teilweise verbieten ließ, bewerten andere Ägyptologen diese Frühformen als temporären Henotheismus, der jedoch einen vorübergehenden Einschnitt in den Polytheismus darstellte.[1] Jan Assmann bezeichnet diesen Einschnitt als „implizierten Monotheismus“, der aber noch nicht die vollständige Definition des späteren Monotheismus erfülle.[1] Eine weitere monotheistische Religionsgemeinschaft sind die Mandäer.

Der Monotheismus ist eine Form des Theismus.

Begriff und Theorien zur Genese des Monotheismus

Der Gebrauch des Begriffs „Monotheismus“ wurde erstmals bei dem englischen Theologen und Philosophen Henry More nachgewiesen.[2] Er findet sich auch bei Herbert von Cherbury.[3] Dort steht er im Kontext eines frühaufklärerischen Modells der natürlichen Religion, das von einem Urmonotheimus ausgeht; der Polytheismus habe sich erst später entwickelt.

Paul Radin kritisierte in den 1920er Jahren die seit dem 19. Jahrhundert verbreitete, durch den Kolonialismus und Darwinismus geförderte evolutionistische Anschauung, wonach sich der Monotheismus aus dem Polytheismus und dieser mit seinem Glauben an personalisierte Gottheiten aus dem Animismus, also dem Glauben an die Allbeseeltheit der Natur, entwickelt habe. Radin zufolge könne niemand bezweifeln, dass der Monotheismus oder zumindest die Monolatrie auch in ursprünglichen Stammesgesellschaften verbreitet sei. Der Monotheismus erfordere jedoch eine permanente Devotion und setze im Unterschied zu „intermittierenden“ Kulten mit ihren situationsspezifischen Ritualen ein eher kontemplativ-philosophisches Temperament der Menschen voraus. Als Beispiel führt er die Muttergottheit Gauteovan der Kagaba in Kolumbien an, die nicht direkt im Gebet angesprochen und nicht durch Kulte verehrt wird.[4] Allerdings liegt der Einwand nahe, dass bei vielen Stämmen der Einfluss von Missionaren den Zustand einer permanenten Devotion herbeigeführt hat.

Der Ethnologe Wilhelm Schmidt sprach hingegen von einem weltweit verbreiteten „ursprünglichen Monotheismus“ und versuchte, diese Idee in seinem zwölfbändigen Werk Der Ursprung der Gottesidee[5] bzw. in Ursprung und Werden der Religion (1930) zu untermauern. Diese These ist empirisch kaum haltbar. Nicht alle Religionen enthalten den Glauben an ein höchstes Wesen. In vielen afrikanischen Religionen, in denen heute ein solches eine Rolle spielt, deutet nicht nur das Fehlen eines Kultes auf den Einfluss christlicher Missionare hin, sondern auch der Vergleich historischer Zeugnisse kann dies im Einzelnen belegen. Ein Beispiel für eine monotheistische afrikanische Religion (gepaart mit Ahnenkult) findet sich bei den Kikuyu in Kenia.

In der Praxis ist die Unterscheidung zwischen Monotheismus und Polytheismus nicht immer einfach. Anhänger polytheistischer Religionen sind oft de facto Monotheisten, da sie nur einen der Götter ihres Glaubenssystems verehren. Man spricht in diesem Falle von Henotheismus. Andererseits gibt es auch monotheistische Religionen mit polytheistischen Elementen.

Bernhard Lang geht davon aus, dass es sich bei der exklusiven Verehrung eines Gottes (Monolatrie) um ein temporäres, durch existenzbedrohende Krisen ausgelöstes Phänomen in einer polytheistischen Gesellschaft handeln kann. So erklärt das babylonische Atramchasis-Epos die zeitweise exklusive Verehrung des Regengottes Adad durch die von den Göttern beschlossene Trockenheit. In Ri 10,16 wird beschrieben, dass die in Israel lebenden Stämme im Krieg nur JHWH als Kriegsgott huldigen, nach dem Krieg aber zur Verehrung der Ortsgötter zurückkehren. In den politischen Krisenzeiten des zunehmenden assyrischen Drucks im 8. und 7. Jahrhundert v. Chr. habe sich daraus der Monotheismus der Hebräer entwickelt.[6]

Unterscheidungen

Die neuere Forschung unterscheidet exklusiven und inklusiven[7] sowie universalen und partikularen Monotheismus.[8] Der exklusive Monotheismus betont den Absolutheitsanspruch eines Gottes gegenüber anderen Göttern, deren Existenz der inklusive Monotheismus duldet. Der universale Monotheismus betont den allumfassenden, nicht nur für eine partikulare Gruppe gültigen Anspruch auf Anerkennung.

Verwandte Bezeichnungen

  • Abrahamitische Religionen: Gemeint sind diejenigen monotheistischen Religionen, die auf Abraham als Stammvater aufbauen (Judentum, Christentum, Islam, Bahai).
  • Eingottglaube: deutsch für Monotheismus
  • Offenbarungsreligionen: Dieser Begriff leitet sich daraus ab, dass die Lehre der monotheistischen Religionen (nach der Überzeugung ihrer Anhänger) im Laufe der Geschichte durch Gesandte Gottes offenbart wurde.
  • Buchreligionen: Im Judentum, Christentum, Zoroastrismus, Islam und der Religion der Bahai gibt es heilige Schriften, die als Gottes Wort gelten. Daher werden sie manchmal als Buch- oder Schriftreligionen bezeichnet.
  • Monolatrie: Verehrung einer Gottheit bei Anerkennung der Existenz anderer.

Literatur

  • Jan Assmann: Die mosaische Unterscheidung oder: Der Preis des Monotheismus. Carl Hanser Verlag, München 2003, ISBN 3-446-20367-2.
  • Claus Bachmann: Vom unsichtbaren zum gekreuzigten Gott. Die Karriere des biblischen Bilderverbots im Protestantismus. In: Zeitschrift für Systematische Theologie und Religionsphilosophie Band 47 (2005), S. 1–34.
  • Rainer Albertz: Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit. 2. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1996/97
  1. Von den Anfängen bis zum Ende der Königszeit. 1996, ISBN 3-525-51671-1.
  2. Vom Exil bis zu den Makkabäern. 1997, ISBN 3-525-51675-4.
  • Walter Brugger (Hrsg.): Philosophisches Wörterbuch. 23. Auflage. Herder, Freiburg/B. 1998, ISBN 3-451-20410-X.
  • Othmar Keel, Christoph Uehlinger: Göttinnen, Götter und Gottessymbole. Neue Erkenntnisse zur Religionsgeschichte Kanaans und Israels aufgrund bislang unerschlossener ikonographischer Quellen. 5. Auflage. Herder, Freiburg/B. 2001, ISBN 3-451-02134-X (Quaestiones disputatae; 134).
  • Oswald Loretz: Des Gottes Einzigkeit. Ein altorientalisches Argumentationsmodell zum „Schma Jisrael“. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1997, ISBN 3-534-13276-9 (siehe auch das reichhaltige Literaturverzeichnis im Anhang).
  • Walter Simonis: Über Gott und die Welt. Gottes- und Schöpfungslehre. Patmos-Verlag, Düsseldorf 2004, ISBN 3-491-70375-1.
  • Fritz Stolz: Einführung in den biblischen Monotheismus. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1996, ISBN 3-534-18967-1.
  • Thomas Assheuer: Streit um Moses: Wie gefährlich ist der Monotheismus? In: Die Zeit, Nr. 51/2002 (Buchbesprechung)
  • Thomas Römer: Die Erfindung Gottes. Eine Reise zu den Quellen des Monotheismus (Aus dem Französischen übersetzt von Annette Jucknat), Darmstadt 2018.

Weblinks

Wiktionary: Monotheismus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. a b Gerhard Krause: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 27. 1997, ISBN 3-11-015435-8, S. 37–38.
  2. In An Explanation of the Grand Mystery of Godliness, London 1660, siehe R. Hülsenwiesche: Monotheismus. In: HWPh 6, Sp. 142.
  3. Edward Lord Herbert of Cherbury: De religione gentilium, Amsterdam 1663. Reprint 1967 (dt.-lateinisch). ISBN 978-3-7728-0201-0.
  4. Paul Radin: Monotheism among primitive peoples. London 1924.
  5. Wilhelm Schmidt: Der Ursprung der Gottesidee. Eine historisch-kritische und positive Studie. Band 1–12 (1912–1955). Aschendorff, Münster.
  6. Bernhard Lang: Jahwe. Der biblische Gott. Paderborn 2002, S. 229 f.
  7. Klaus Koch: Der Gott Israels und die Götter des Orients. Religionsgeschichtliche Studien II. (=Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments 216). Hrsg.: F. Hartenstein, M. Rösel, Göttingen 2007.
  8. Othmar Keel: Die Geschichte Jerusalems und die Entstehung des Monotheismus. (=Orte und Landschaften der Bibel: Band 4/1. Ein Handbuch und Studienreiseführer zum Heiligen Land. Göttingen 2007. 755f.)