Fensterschürze

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Steingraeber-Haus in Bayreuth nach Plänen von Joseph Saint-Pierre mit einfachen Fensterschürzen am ersten Obergeschoss

Die Fensterschürze ist ein Verzierungselement eines Fensters im unteren Brüstungsfeld. Sie gehört zu den Schmuckelementen an Steinhäusern des barocken und klassizistischen Baustils, um die Gebäudefassade zusammen mit fein profilierten Gesimsen, Traufen, Fensterrahmung und aufwändigen Portalen zu gestalten. Diesen Baustil findet man im 18. und 19. Jahrhundert fast ausschließlich an Herrschaftsbauten und hochbürgerlichen Stadthäusern.

Regionale Besonderheit

Bürgerhaus in Weidenberg mit barocken Ornamenten (z. B. Fensterschürzen)

Es gibt auch eine regionale Besonderheit im Landkreis Bayreuth. Hier entwickelten sich auch bei ländlichen Bürger- und Bauernhäusern viele Spielformen von Fensterschürzen:

Im Markt Weidenberg gab es in den Jahren 1750 und 1770 zwei große Brände, bei denen große Teile des Marktes zerstört wurden. Der Bayreuther Markgraf Friedrich beauftragte seinen Bauinspektor Johann Gottlieb Riedel mit dem Wiederaufbau. Dieser nahm sich Bürgerhäuser der Stadt, die dem französischen Baumeister Joseph Saint-Pierre zugeschrieben werden, zum Vorbild. Aus Gründen des Brandschutzes wurde als Baumaterial der feine Sandstein aus dem Bayreuther Umland verwendet. Dieser war preisgünstig und verhältnismäßig leicht zu bearbeiten. Er gestattete den Steinmetzen auch feinste Zierformen.

Bauernhaus in Heßlach mit Fensterschürzen

Der Übergang von den Fachwerkhäusern zu den brandsicheren Steinhäusern wurde auch dadurch begünstigt, dass im Jahre 1769 der Regierungssitz des Markgraftums von Bayreuth nach Ansbach verlegt wurde. Das bedeutete das Ende des künstlerischen Hochbetriebs, der unter dem Markgrafen Friedrich und seiner Gattin, der preußischen Königstochter Wilhelmine einen kulturellen Höhepunkt erlebte. Die Folge war, dass sich die Handwerker, insbesondere die Maurer und Steinmetze, neue Tätigkeitsfelder suchen mussten und sich deshalb dem profanen Hausbau zuwandten. So wurden barocke Stilelemente der Bayreuther Bürgerhäuser auf dem Umweg über die Weidenberger Steinhäuser auf die Bauernhäuser des Landkreises weiter getragen. Dieser Fassadenschmuck an bäuerlichen Steinhäusern ist wohl einmalig und in dieser ausgeprägten Form nur im Bayreuther Umland vorzufinden. Gelegentlich und regional unterschiedlich wird dieser Baustil auch mit dem Oberbegriff Bauernbarock bezeichnet.

Betrachtet man die Fensterschürzenornamente im Zeitraum von 1750 bis 1860, so lässt sich eine Entwicklung der Motive von anfänglich einfachen Formen bis hin zu plastisch hervortretenden Schmuckelementen feststellen. Es sieht so aus, als ob sich ein Wettbewerb der Bauherren um die schönste Fensterschürze entwickelt hatte.

In dem Buch Phänomen Fensterschürzen von Fritz Angerer und Richard Zühlcke werden die Zeitschritte in der Entwicklung der Fensterschürzen an Bauernhäusern im Landkreis aufgezeigt.

Galerie

Spielformen von Fensterschürzen an Bürger- und Bauernhäusern in Weidenberg, Görschnitz, Lessau, Glotzdorf, Seulbitz, Bindlach, Kottersreuth aus den Jahren 1750–1860:

Literatur

  • Fritz Angerer, Richard Zühlcke: Phänomen Fensterschürzen. Schmuckformen an Bauernhäusern im Landkreis Bayreuth, Schriftenreihe des Landkreises Bayreuth, Band 9, Bayreuth 1995.