U61000

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Der 1-Megabit-Chip U61000D
Keramikausführung U61000C
Übergabe der ersten U61000 an Erich Honecker

U61000, in der Presse auch Megachip genannt, war ein 1-MBit-DRAM-Schaltkreis aus der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Er wurde ab 1986 im VEB Forschungszentrum Mikroelektronik Dresden (ZMD) des VEB Carl Zeiss Jena entwickelt und sollte 1990 in die Serienproduktion im Werk ESO III des VEB Mikroelektronik „Karl-Marx“ Erfurt (KME) überführt werden. Der U61000, der dem internationalen Typ 511000 entsprach, wurde in CMOS-Technologie mit 1,2 µm Strukturbreite hergestellt und in einem 18-poligen DIL-Plast- (U61000D) oder -Keramikgehäuse (U61000C) untergebracht. Intern war er mit 1024K × 1 Bit organisiert und hatte eine RAS-Zugriffszeit von 100 bis 120 ns. Der Speicherchip sollte vor allem in den Robotron-Computern K 1820, K 1840 sowie EC 1835 zum Einsatz kommen.

Geschichte

Mit dem Beschluss vom 11. Februar 1986 der SED-Führung zur weiteren Entwicklung der Mikroelektronik (Projekt „Mikron“) in der DDR wurde dem ZMD die Aufgabe gestellt, innerhalb von drei Jahren einen 1-MBit-Speicherschaltkreis zu entwickeln und 1990 in die Serienproduktion einzuführen. Aufbauend auf den Erfahrungen bei der Produktion von 64-kBit- (U6164) und 256-kBit- (U61256) DRAM-Schaltkreisen auf Basis einer Technologie von Toshiba wurde in Dresden mit der Entwicklung des 1-MBit-Speicherschaltkreis begonnen. Hierzu wurden durch die Abt. XIV (SWT) des Auslandsnachrichtendienstes der DDR im Ministerium für Staatssicherheit Dokumente zur notwendigen VLSI-Fertigungstechnologie bei Siemens beschafft.[1] Siemens hatte diese Technologie vorher von Toshiba für seine eigenen Produkte lizenziert. Bei deren Überführung in die Massenproduktion hatten die Siemens-Ingenieure große Schwierigkeiten zu überwinden.[2] Nach Aussagen der Entwickler bei ZMD wurden diese Unterlagen nicht verwendet, da diese Papiere „… nicht in unser Konzept passten, das stark auf die Jenaer Ausrüstungen zugeschnitten war …". Die Stasi war sehr enttäuscht, dass die Wissenschaftler ihren Einsatz so schnöde ignorierten.“[3] Nachträgliche Nachforschungen der CIA bei den Chip-Entwicklern von Siemens konnten den Verdacht nicht erhärten, dass der Dresdner Megabit-Chip mit Hilfe von Siemens-Unterlagen gebaut wurde.[4]

Wegen des CoCom-Technologieembargos konnten die zur Produktion notwendigen technischen Spezialausrüstungen (TSA) sowie die zur Entwicklung benötigte Computertechnik nicht legal auf dem Weltmarkt gekauft werden. Deshalb wurde ein Großteil der TSA wie Waferstepper, Elektronenstrahlschreiber, LPCVD-Beschichtungsanlagen, Ionenstrahlätzer sowie Montagelinien bei Carl Zeiss Jena und VEB Elektromat Dresden selbst entwickelt und gebaut. Andere wichtige TSA wie Plasmaätzer und Hochstromimplanter sollten ursprünglich im Rahmen eines Kooperationsvertrages aus der Sowjetunion bezogen werden.[5] Da die Sowjetunion aber die Anlagen nicht in der geforderten Qualität liefern konnte, wurde von der SED-Führung entschieden, diese TSA und leistungsfähige Computer zur Schaltkreisentwicklung entgegen den gesetzlichen Bestimmungen der Bundesrepublik Deutschland (Außenwirtschaftsgesetz, Militärregierungsgesetz Nr. 53 „Devisenbewirtschaftung und Kontrolle des Güterverkehrs“ der drei westlichen Besatzungsmächte) sowie anderer westlicher Staaten über den Bereich Kommerzielle Koordinierung (KoKo) des Ministeriums für Außenhandel zu importieren.[6] Diese importierten Anlagen mussten aber noch erheblich durch die Ingenieure des ZMD optimiert und technisch verändert werden, um sie für den geplanten Zweck einsetzen zu können.[7][8]

Am 10. August 1988 konnten durch die Testgeräte die ersten funktionsfähigen und fehlerfreien Entwicklungsmuster des 1-MBit-Speicherchips nachgewiesen werden.[9] Diese Muster wurden am 12. September 1988 öffentlichkeitswirksam an Erich Honecker übergeben (s. Bild). Für die Entwicklung des Speicherschaltkreises wurde das Kollektiv des Forschungszentrums 1988 mit dem Nationalpreis der DDR ausgezeichnet. Auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1989 erhielt der U61000 eine Goldmedaille.

Auf der ZMD-Pilotlinie wurden 1988 rund 5.000 Muster des U61000 gefertigt.[10] 1989 folgten weitere 30.000 Megabit-Schaltkreise,[10] die bei einer Ausbeute von bis zu 20 % hergestellt wurden.[11]

Die Entwicklungsarbeiten wurden im Frühjahr 1990 beendet, eine Überleitung in die Serienproduktion im neu gebauten Werk ESO III der KME Erfurt erfolgte nicht mehr, da die TSAs nicht in der notwendigen Anzahl zur Verfügung standen.[10][12] Eine schon geplante Entwicklung eines 4-MBit-Speicherschaltkreises wurde nicht mehr begonnen, weil ebenfalls kaum Voraussetzungen für eine spätere Massenproduktion zu schaffen waren.

Mit dem Wegfall des Technologieboykotts im Zuge der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion im Juli 1990 war eine wirtschaftliche Herstellung dieses Speicherschaltkreises nicht mehr möglich, da die Anwender aus der heimischen Computerindustrie die Äquivalenztypen auf dem Weltmarkt nun wesentlich preisgünstiger und in hohen Stückzahlen beziehen konnten.

Galerie

Literatur

  • Datenbuch Mikroelektronik Gesamtübersicht. Info-Verlag electronic, Berlin 1990, S. 257.
  • Autorenkollektiv: Nutzerhandbuch K 1821/K 1822. VEB Robotron-Elektronik Dresden, November 1989.
  • Autorenkollektiv: Technisches Handbuch Speichermodul MSC20. VEB Robotron-Elektronik Dresden, Dezember 1989.
  • Detlef Borchers: Hemmungslose Optimisten: 30 Jahre DDR-Chip U61000. heise.de, 12. September 2018.
Commons: U61000 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Horst Müller, Manfred Süß, Horst Vogel (Hrsg.): Die Industriespionage der DDR. edition ost, Berlin 2009, ISBN 978-3-360-01099-5.
  2. Siemens hinkt mit Megachip hinterher. In: Computerwoche, 13. Februar 1987.
  3. Silicon Saxony e. V. (Hrsg.): Silicon Saxony – die Story. edition Dresden 2006, ISBN 978-3-9808680-2-0, S. 73.
  4. Silicon Saxony e. V. (Hrsg.): Silicon Saxony – die Story. edition Dresden 2006, ISBN 978-3-9808680-2-0, S. 79.
  5. Silicon Saxony e. V. (Hrsg.): Silicon Saxony – die Story. edition Dresden 2006, ISBN 978-3-9808680-2-0, S. 75.
  6. Gerhardt Ronneberger: Deckname „Saale“, High-Tech-Schmuggler unter Schalck-Golodkowski. Dietz Verlag Berlin 1999, ISBN 3-320-01967-8.
  7. Silicon Saxony e. V. (Hrsg.): Silicon Saxony – die Story. edition Dresden 2006, ISBN 978-3-9808680-2-0, S. 76.
  8. Was aus Honeckers Megachip wurde. Sächsische Zeitung, 23. März 2015
  9. Wettlauf mit der Zeit (60) – Das Mega-Projekt oder die hemmungslosen Optimisten. Fernsehen der DDR, Sendung vom 16. September 1988.
  10. a b c Heiko Weckbrodt: Massenproduktion von DDR-Megabitchip war „gar nicht machbar“. Abgerufen am 11. September 2011.
  11. Hans W. Becker: Looking back: Artwork and mask making in Dresden for the East German megabit chip project. 20th European Conference on Mask Technology for Integrated Circuits and Microcomponents. Edited by Uwe Behringer. F. W. Proceedings of the SPIE, Volume 5504, 2004, ISBN 978-0-8194-5437-9, S. 75–85.
  12. Silicon Saxony e. V. (Hrsg.): Silicon Saxony – die Story. edition Dresden 2006, ISBN 978-3-9808680-2-0, S. 80.