Anton Graf von Arco auf Valley

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Anton von Arco als Soldat während des Ersten Weltkrieges

Anton Graf von Arco auf Valley (* 5. Februar 1897 in Sankt Martin im Innkreis; † 29. Juni 1945 in Salzburg) war ein deutscher Adliger. Er ermordete am 21. Februar 1919 den bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner.

Hintergrund des Attentats

Anton Graf von Arco auf Valley wurde als Sohn von Maximilian Graf Arco-Valley (1849–1911) und dessen Frau Emmy Freiin von Oppenheim (1869–1957) aus der Bankiersfamilie Oppenheim geboren. Er studierte Jura und stieg nach seinem Eintritt in die bayerische Armee zum Leutnant des bayerischen Leibregiments auf. Bekannt wurde er, als er am 21. Februar 1919 in München in einem antisemitisch aufgeheizten politischen Klima Kurt Eisner erschoss, der ebenfalls aus einer jüdischen Familie stammte.

Der pazifistische USPD-Politiker Eisner war der erste Ministerpräsident Bayerns nach dem Sturz der Monarchie. Er wurde auf dem Weg in den Landtag ermordet, wo er nach der verlorenen Landtagswahl seinen Rücktritt anbieten wollte.

Arco gehörte zum Umfeld der Thule-Gesellschaft, einer Keimzelle der NSDAP. In seiner Studie zu den okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus beschreibt der englische Historiker Nicholas Goodrick-Clarke Arco-Valley als „einen jungen Juden, der über seinen Ausschluss aus der Thule-Gesellschaft aufgebracht war und durch den Mord (an Kurt Eisner) seine nationale Gesinnung zeigen wollte.“[1] Graf von Arco auf Valley wurde wegen der jüdischen Herkunft seiner Mutter Emmy von Oppenheim aus der Thule-Gesellschaft ausgeschlossen.[2] Ferner war er Mitglied der Studentenverbindung K.B.St.V. Rhaetia München.

Alternativ wurden ihm Verbindungen zu den Monarchisten zugeschrieben, die König Ludwig III. wieder einsetzen wollten.

Folgen und Bestrafung

Unmittelbar nach dem Attentat wurde Arco durch Schüsse von Eisners Begleitern lebensgefährlich verletzt; wenig später stürzte der unabhängige Sozialist Alois Lindner in den bayerischen Landtag und schoss Innenminister Erhard Auer (SPD) nieder, den er der Urheberschaft des Mordes verdächtigte; beim folgenden Schusswechsel wurden darüber hinaus der konservative Abgeordnete Heinrich Osel und der Major Paul Ritter von Jahreiß tödlich getroffen. Knapp zwei Monate nach Eisners Tod kam es in Bayern zur Gründung einer linksradikalen Räterepublik, die Anfang Mai 1919 von Reichswehr und Freikorpsverbänden gewaltsam niedergeschlagen wurde.

Anfang 1920 wurde Arco-Valley vor einem Volksgericht, also einem Sondergericht, das noch durch die Regierung Eisner eingeführt worden war, um politische Gewalttäter zügiger aburteilen zu können, des Mordes angeklagt und am 16. Januar zunächst zum Tode verurteilt. Allerdings führte der politisch rechtsstehende Richter Georg Neithardt in seiner Urteilsbegründung bereits aus, dass die Tat seiner Meinung nach durchaus „nicht niederer Gesinnung, sondern glühender Liebe zum Vaterland“ entsprungen sei. Schon einen Tag später begnadigte der Justizminister Ernst Müller-Meiningen (DDP) Graf Arco aufgrund der genannten Motive; die Todesstrafe wurde umgewandelt in eine als ehrenvoll geltende Festungshaft. Der Attentäter saß seine Strafe ab Januar 1920 in der Festung Landsberg am Lech ab. Er durfte dabei nach Belieben ausgehen und Besuche empfangen, tagsüber arbeitete er als Praktikant auf einem benachbarten Gut[3]. Im Mai 1924 wurde Graf Arco vorzeitig auf Bewährung entlassen. 1925 veröffentlichte er in Regensburg sein Buch „Aus fünf Jahren Festungshaft“. 1927 folgte aus Anlass des 80. Geburtstags des Reichspräsidenten v. Hindenburg seine endgültige Amnestie.

Weiterer Lebenslauf

Graf von Arco spielte nach seinem Mord an Eisner in der öffentlichen Wahrnehmung der Weimarer Republik keine größere Rolle mehr. Zunächst war er als Redakteur der Zeitung „Bayerisches Vaterland“ tätig; später als Direktor der aus Reichsmitteln finanzierten Süddeutschen Lufthansa, aus der er jedoch schon Anfang 1930 wieder ausschied. Politisch gehörte Arco-Valley seit seiner Haft zu den radikalsten Mitgliedern des monarchistisch-föderalistischen Flügels der Bayerischen Volkspartei (BVP). Von der Ortsgruppe Straubing des Bayerischen Heimat- und Königsbundes wurde ihm die Ehrenmitgliedschaft verliehen.

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde Arco-Valley als Halbjude und überzeugter Föderalist im Ganzen eher misstrauisch betrachtet, obwohl man seine gegen die Linke gerichtete Tat von 1919 natürlich nach wie vor positiv bewertete. Am 13. März 1933 wurde er in „Schutzhaft“ genommen, weil er unter Bezugnahme auf Hitlers zentralistische Innenpolitik bemerkt hatte, ebenso gut wie Eisner könne er auch einen anderen erschießen. Die nationalsozialistische Parteipresse erging sich daraufhin in hasserfüllten Tiraden: „Wäre unserem Führer bei dem Mordversuch des Juden Graf Arco-Oppenheimer auch nur ein Haar gekrümmt worden - kein Jude in Deutschland hätte den anderen Tag überlebt.“[4] Letzten Endes wurde Arco-Valley auf Fürsprache des bayerischen Kronprinzen und gegen die Zusicherung, nichts gegen Hitler zu unternehmen, noch im gleichen Jahr wieder freigelassen, blieb jedoch unter Beobachtung[5]

Am 10. Juli 1934 heiratete Arco-Valley in München Maria-Gabrielle von Arco-Zinneberg (1910–1987). Das Paar bekam zwischen 1935 und 1943 fünf Kinder. Im Juni 1945 kam er bei einem Verkehrsunfall in Salzburg ums Leben. Sein Leichnam wurde in Sankt Martin im Innkreis in der Grablege der Grafen von Arco auf dem Kalvarienberg beigesetzt.

Veröffentlichungen

  • Aus fünf Jahren Festungshaft; Regensburg: G.J.Manz 1925

Literatur

  • Friedrich Hitzer: Anton Graf Arco, Verlag Knesebeck & Schuler, München 1988, ISBN 3926901012

Einzelnachweise

  1. Nicholas Goodrick-Clarke: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus. 3. Auflage, Marix-Verlag, Wiesbaden 2004. S. 131
  2. *Hermann Gilbhard: Die Thule-Gesellschaft. Vom okkulten Mummenschanz zum Hakenkreuz. Kiessling Verlag, München 1994. ISBN 3-930423-00-6
  3. Max Hirschberg: Jude und Demokrat: Erinnerungen eines Münchener Rechtsanwalts 1883 bis 1939 ISBN 348656367X S. 123
  4. Erhard R. Wiehn, Werner Simsohn: Judenfeindschaft in der Zeitung. Leben, Leiden im NS-Staat, Folgen (1933-1945). Konstanz 2000. S. 15
  5. Martin Broszat u. a.: Bayern in der NS-Zeit, Bd. 6. Oldenbourg-Verlag 1983, S. 73