Avery Brundage

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Von links nach rechts: Avery Brundage, Leopold Ziegenbein, Gustav Kirby und Dietrich Wortmann an Bord der Bremen (1936)

Avery Brundage (* 28. September 1887 in Detroit; † 8. Mai 1975 in Garmisch-Partenkirchen) war der fünfte Präsident des IOC, Unternehmer und Mäzen. Er begründete mit seinen Schenkungen das Asian Art Museum.

Sportliche Laufbahn

Er nahm an den Olympischen Spielen 1912 im Fünfkampf teil, wo er den 5. Platz belegte.[1] Außerdem nahm er am Olympischen Zehnkampf 1912 teil, beendete diesen Wettbewerb jedoch nicht.[2]

Wirkung als Sportfunktionär

Als 1934 in den USA Diskussionen aufkamen, die Sommerspiele in Berlin wegen der Naziherrschaft zu boykottieren, setzte sich Avery Brundage, der kurz zuvor in das IOC gewählt worden war, für eine Teilnahme der US-Sportler ein. Hinter den Forderungen nach einem Boykott vermutete Brundage eine „jüdisch-kommunistische Verschwörung“. Er vertagte die Abstimmung um einen Tag. Es gelang ihm in kurzer Zeit alte Freunde zur Teilnahme an der Abstimmung zu aktivieren. Die Abstimmung fiel mit 58 zu 55 Stimmen für die Teilnahme in Nazi-Deutschland aus. Brundage engagierte sich dafür, dass 2 jüdische Sprinter des US-Teams durch Nichtjuden bei den NS-Spielen ersetzt wurden.[3]

1952 wurde er zum fünften Präsidenten des IOC gewählt. Bei den Spielen 1968 in Mexiko forderten schwarze Sportler neben der Rückgabe des Boxweltmeistertitels an Muhammad Ali vor allem den Rücktritt Brundages als Präsident des IOC's. Brundage wurde von der schwarzen Menschenrechtsorganisation Olympic Project for Human Rights (OPHR) als Nazisympathisant und extremer Rassist angeklagt.

Nach dem Attentat auf das Olympia-Team Israels bei den Olympischen Spielen München 1972 verkündete Brundage: “The games must go on”.[4] 1972 endete seine IOC-Präsidentschaft.

In Fragen des Amateurstatus der Teilnehmer war er zu keinen Kompromissen bereit. (Vergleiche dazu den Konflikt um die Olympiateilnahme des Österreichers Karl Schranz an den Spielen in Sapporo).

Brundages Einsatz für die Olympischen Spiele 1936 im NS-Deutschland

Von links nach rechts: Julius Lippert, Avery Brundage und Theodor Lewald in Berlin 1936

In den Vereinigten Staaten gab es erhebliche Bedenken gegen eine Unterstützung Nazi-Deutschlands durch eine Teilnahme an den Olympischen Spielen 1936. In der Amateur Athletic Union of the United States (AAU) tendierte die Mehrheit für einen Boykott der Spiele. Brundage unternahm alles ihm Mögliche, um einen Boykott der Spiele in Deutschland zu verhindern. Brundage vertrat die Ansicht, dass Deutschland durch das NS-Regime „viele Fortschritte gemacht“ hätte und wie kein anderes Land „mit der Veranstaltung der Olympischen Spiele aufrichtigere Nationalinteressen“ verfolgen würde. So könnten die Vereinigten Staaten „vor allem im Kampf gegen den Kommunismus viel von Deutschland lernen.“ Als einziger Vertreter des American Olympic Committee (AOC) traf sich Brundage mit NS-Funktionären im Berliner Hotel Kaiserhof, um im Gespräch mit Vertretern jüdischer Sportverbände über ihre Situation zu sprechen. Es ging um die Teilnahme an den Spielen des US-Teams an den Olympischen Spielen in Nazi-Deutschland. Ob Brundage für diese Mission geeignet war, wird bezweifelt. So konnte Brundage weder Deutsch lesen noch schreiben. Bei der Sitzung im Kaiserhof fragte Brundage die jüdische Delegation, ob sie in deutschen Sportvereinen Mitglied werden könnte. Das wurde von den Funktionären und den jüdischen Delegierten verneint. Brundage antwortete darauf “In my club in Chicago Jews are not permitted either” und fand darin keine Diskriminierung der deutschen Sportler, die als jüdisch aus den deutschen Sportvereinen ausgeschlossen waren. Seinen Bericht über die Situation jüdischer Sportler in NS-Deutschland, den er dem AOC, das über die Teilnahme an den Spielen in NS-Deutschland entscheiden sollte, referierte, hatte er bereits vor seiner “fact-finding tour” durch Deutschland verfasst. Dieser positive Bericht stimmte das AOC um.

1935 verfasste Brundage eine antisemitische Broschüre und macht damit auch öffentlich deutlich, dass ihn die Situation der Juden in Deutschland nicht interessierte und es ihm lediglich darum ging, die „Olympische Spiele möglichst ungestört in Deutschland feiern zu können“ (Arnd Krüger). Für den Historiker Hans Mommsen waren die Olympischen Spiele „zugleich eine indirekte Anerkennung der deutschen Judenpolitik“.

Die Abstimmung vom 8. Dezember 1935 über einen Boykott der AAU wurde von ihm manipuliert. Für den Fall einer Mehrheit für den Boykott hatte er bereits mit einer „'Sonderregelung' für die Außerkraftsetzung des AAU-Votums im Falle einer Pro-Boykott-Entscheidung“ (Tegelbeckers) gesorgt, die nach Brundages Worten der „Todesstoß für die AAU“ gewesen wäre und einen Boykott verhindert hätte:

„Schon bevor nämlich im Rahmen der eingangs erwähnten Versammlung der Amateur Athletic Union im Dezember 1935 die Delegierten der Sportverbände in demokratischer Abstimmung über die US-Olympiateilnahme entschieden, hatte Brundage - von Teilen der amerikanischen Presse nunmehr als ”Nazi” bezeichnet - in geheimer Absprache mit Sigfrid Edström und Henri de Baillet-Latour erreicht, dass das IOC-Reglement, welches für die US-Teilnahme das Votum der AAU erforderte, im Ernstfall außer Kraft gesetzt worden wäre.“

Literatur

  • Hajo Bernett (1974): Untersuchungen zur Zeitgeschichte des Sports
  • Engelbrecht, A. (1996). Avery Brundage. "The All-American Boy". Die amerikanische Antwort. auf die olympische Frage. Doc. Diss. University of Göttingen
  • Stanley B. Frank (1936): The Jew in Sports. New York, Miles Publishing.
  • Moshe Gottlieb (1972): The American Controversy. Over the Olympic Games. In: American Jewish Historical Quarterly 61. März 1972.
  • Michael Hahn. "Black Power". Olympische Spiele, Mexiko 1968. In: konkret Nr. 8 / 2008 Seite 24-25
  • Arnd Krüger (1974): Die Olympischen Spiele 1936 und die Weltmeinung. Frankfurt.
  • Carolyn Marvin (1982): Avery Brundage and American Participation in the 1936 Olympic Games. University of Pennsylvania. online
  • Richard D. Mandell (1971): The Nazi Olympics. New York, Macmillan.
  • Stefan Frank: Muchos muertos. Der Olympiaboykott und das Massaker von Tlatelolco. In: konkret Nr. 8 / 2008, Seite 26
  • Peter Filzmaier: Die Nazi-Olympiade 1936. Politische Aspekte der Olympischen Spiele (III). ORF. Science. Online.
  • Uwe Schmitt: Berlin 1936. Wie Hitler Olympia-Gegner zum Schweigen brachte. In Die Welt vom 8. Mai 2008 (online)
  • W. Ludwig Tegelbeckers (1997): Jüdischer Sport im nationalsozialistischen Deutschland. 4. Olympische Spiele 1936: Der jüdische Sport als Politikum. In: W. Ludwig Tegelbeckers: "Neuordnung" im Zeichen des Arierparagraphen. Der jüdische Sport im nationalsozialistischen Deutschland und sein Niederschlag in der Geschichtswissenschaft. Magisterarbeit am FB 8 (Geschichte) der Universität Bremen, 1997 online

Einzelnachweise

  1. Volker Kluge: Die Olympischen Sommerspiele. Die Chronik. Band 1, Seite 314, Berlin 1997.
  2. Volker Kluge: Die Olympischen Sommerspiele. Die Chronik. Band 1, Seiten 314, 366, Berlin 1997.
  3. Vgl.: die Welt, Uwe Schmitt; Stefan Frank 2008, Seite 26; W. Ludwig Tegelbeckers (1997).
  4. Vgl. die Welt, Uwe Schmitt; Stefan Frank 2008, Seite 26.