Benfotiamin

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Strukturformel
Struktur des (Z)-Isomers
Allgemeines
Freiname Benfotiamin
Andere Namen
  • 6-(4-Amino-2-methyl-5-pyrimidinyl)-3-benzoylthio-5-formyl-4-methyl-5-aza-3-hexenyldihydrogenphosphat
  • Benfotiamine
  • Benfotiaminum
  • Benphothiamine
Summenformel C19H23N4O6PS
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 22457-89-2
EG-Nummer 245-013-4
ECHA-InfoCard 100.040.906
PubChem 3032771
ChemSpider 2297665
DrugBank DB11748
Wikidata Q409953
Arzneistoffangaben
ATC-Code

A11DA03

Wirkstoffklasse

Provitamin

Eigenschaften
Molare Masse 466,45 g·mol−1
Aggregatzustand

fest[1]

Schmelzpunkt

155–165 °C (Zers.)[2]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[3]
keine GHS-Piktogramme

H- und P-Sätze H: keine H-Sätze
P: keine P-Sätze
Toxikologische Daten

15 g·kg−1 (LD50Mausoral)[1]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Benfotiamin ist eine fettlösliche Vorstufe (Prodrug) des Vitamins B1 und wird im Organismus schnell zum wirksamen Vitamin B1 gespalten. Das fettlösliche Benfotiamin unterscheidet sich vom wasserlöslichen Vitamin B1 dadurch, dass es zu einem deutlich höheren Anteil (etwa 5- bis 7-mal so hoch) in den Körper aufgenommen (resorbiert) wird.[4][5] Aufgrund seiner hohen Bioverfügbarkeit dient Benfotiamin sowohl der Vorbeugung als auch der Behandlung eines Vitamin-B1-Mangels.

Chemische Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Isomerie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Benfotiamin ist eine Verbindung, von der aufgrund der unterschiedlichen Substitutionsmöglichkeiten an der C=C-Doppelbindung zwei Isomere, genauer (E,Z)-Isomere, existieren können. Diese Isomere unterscheiden sich in den chemischen und physikalischen Eigenschaften sowie physiologischen Wirkungen. Durch geeignete Synthesestrategien oder Trennverfahren lassen sich die einzelnen Isomere trennen und so rein isolieren. Der Arzneistoff Benfotiamin ist das (Z)-Isomer.[6]

Bioverfügbarkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei äquimolaren Dosen von 100 mg Benfotiamin (ca. 210 μmol Thiamin) und Thiaminmononitrat ergab sich eine fünffach höhere AUC und eine ca. siebenfach erhöhte maximale Plasmakonzentration nach Benfotiamingabe.[4]

Wirkmechanismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei Diabetikern werden durch den erhöhten Blutzuckerwert verschiedene pathogene Stoffwechselwege aktiviert: der Hexosaminstoffwechselweg, der Proteinkinase-C-Stoffwechselweg, die Bildung von „Advanced Glycation Endproducts“ (AGEs – Endprodukte fortgeschrittener Glykierung) sowie der Polyolstoffwechselweg. Benfotiamin hemmt diese nerven- und gefäßschädigenden Stoffwechselwege, indem es ein zentrales Enzym des Glukosestoffwechsels, die Transketolase, aktiviert. Die Transketolase führt überschüssige Glukose vermehrt dem unschädlichen Pentose-Phosphat-Stoffwechselweg zu und entzieht sie somit den pathogenen Stoffwechselwegen.[7]

Anwendungsgebiete[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Behandlung von Neuropathien (Erkrankung der Nerven) und kardiovaskulären Störungen, die durch Vitamin-B1-Mangel hervorgerufen werden. Therapie oder Prophylaxe von klinischen Vitamin-B1-Mangelzuständen, sofern diese nicht ernährungsmäßig behoben werden können.

Studien zum therapeutischen Einsatz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Diabetische Neuropathie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Folgeerkrankung, die bei Diabetikern häufig auftritt, ist die peripher sensible Neuropathie. Durch den erhöhten Blutzucker werden die Nervenfasern u. a. in den Beinen und Armen geschädigt. In der Folge kann es zu Missempfindungen wie Kribbeln, Stechen oder Brennen kommen. Außerdem kann das Empfindungsvermögen der betroffenen Körperpartien – vorwiegend an den Füßen – vollständig nachlassen. Als eine mögliche Folge kann sich der „diabetische Fuß“ einstellen.

Einige Studien weisen bei Diabetikern sehr niedrige Thiaminspiegel aus. Im Vergleich zu Gesunden sind die Thiaminkonzentrationen im Plasma bei Diabetikern um durchschnittlich 75 Prozent erniedrigt.[8] Dieses Defizit kann die o. g. pathogenen Stoffwechselwege und dadurch die Entstehung und das Voranschreiten diabetischer Folgeerkrankungen wie der Neuropathie fördern. Die Behandlung der symptomatischen diabetischen Polyneuropathie besteht aus der optimalen Blutzuckereinstellung und einer symptomatischen Therapie.[9] Die Substitution mit Benfotiamin stellt einen pathogenetisch orientierten Therapieansatz dar. Wirksamkeit und Verträglichkeit konnten in einigen Pilotstudien demonstriert werden.[10][11]

Diabetische Retinopathie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Diabetes ist eine häufige Ursache für Erblindung. Eine In-vitro-Studie aus dem Jahr 2009 zeigt, dass Benfotiamin und Thiamin die Apoptose der Perizyten verhindern. In der Frühphase einer Retinopathie kann Benfotiamin möglicherweise regulierend einwirken.[12]

Nierenschutz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schädliche Stoffwechselprodukte (s. a. AGEs) fallen auch bei einer Bauchfell-Dialysebehandlung vermehrt an. Sie schädigen das Bauchfell und auch die Restniere. Dadurch wird die Dauer der Dialysebehandlung begrenzt. In einer tierexperimentellen Studie aus dem Jahr 2011 schützte Benfotiamin das Bauchfell und die Niere vor diesen schädlichen Effekten.[13]

Herzschutz[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hyperglykämie wirkt sich schädigend und schwächend auf das Herz aus. In einer Studie an Ratten verbesserte Benfotiamin die Resistenz der Herzzellen gegenüber diabetesbedingten Schäden. Durch eine Behandlung mit dem Provitamin konnte die Überlebensrate diabetischer Ratten nach einem Herzinfarkt deutlich erhöht werden: Benfotiamin bremste die Apoptose von Herzzellen und förderte die Bildung von neuen Blutgefäßen.[14]

Mangelerscheinungen (Hypovitaminose)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

(Entsprechen denen des Thiamin / Vitamin B1)

Symptome:

  • Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels und Nervensystems (u. a. Polyneuropathie)
  • Reizbarkeit und Depressionen
  • Müdigkeit, Sehstörungen, Appetitlosigkeit, Konzentrationsschwäche, Muskelatrophie
  • Blutarmut (Anämie)
  • häufige Kopfschmerzen
  • Gedächtnisstörungen (Korsakow-Syndrom), Verwirrtheitszustände
  • Herzversagen, Ödeme, Tachykardie, niedriger Blutdruck, Kurzatmigkeit (Dyspnoe)
  • Verringerte Produktion von Antikörpern bei Infektionen
  • gestörte Energieproduktion

Krankheiten:

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • R. Bitsch u. a.: Bioavailability assessment of the lipophilic benfotiamine as compared to a water-soluble thiamin derivative. In: Ann Nutr Metab. 35, 1991, S. 292–296. PMID 1776825.
  • J. Geyer u. a.: Bioavailability of water- and lipid-soluble thiamin compounds in broiler chickens. In: Int J Vitam Nutr Res. 70, 2000, S. 311–316. PMID 11214357.
  • A. Greb u. a.: Comparative bioavailability of various thiamine derivatives after oral administration. In: Int J Clin Pharmacol Ther. 36, 1998, S. 216–221. PMID 9587048.
  • N. Rabbani u. a.: High dose thiamine therapy for patients with type 2 diabetes and microalbuminuria: a pilot randomised, double-blind, placebo-controlled study. In: Diabetologia. 52, 2009, S. 208–212. DOI:10.1007/s00125-008-1224-4. PMID 19057893.

Handelsnamen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Monopräparat
  • milgamma protekt

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Datenblatt S-Benzoylthiamine O-monophosphate bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 10. Juni 2011 (PDF).
  2. Eintrag zu Benfotiamin. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 12. Juni 2011.
  3. Vorlage:CL Inventory/nicht harmonisiertFür diesen Stoff liegt noch keine harmonisierte Einstufung vor. Wiedergegeben ist eine von einer Selbsteinstufung durch Inverkehrbringer abgeleitete Kennzeichnung von Benfotiamine im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 19. Juli 2019.
  4. a b K. H. Schreeb u. a.: Comparative bioavailability of two vitamin B1 preparations: benfotiamine and thiamine mononitrate. In: Eur J Clin Pharmacol. 52(4), 1997, S. 319–320. PMID 9248773.
  5. D. Loew: Pharmacokinetics of thiamine derivatives especially of benfotiamine. In: Int J Clin Pharmacol Ther. 34(2), Feb 1996, S. 47–50. PMID 8929745.
  6. Margaux Sambon, Pierre Wins, Lucien Bettendorff, Neuroprotective Effects of Thiamine and Precursors with Higher Bioavailability: Focus on Benfotiamine and Dibenzoylthiamine, Int. J. Mol. Sci., 22, 2021, 5418; doi:10.3390/ijms22115418.
  7. H.-P. Hammes u. a.: Benfotiamine blocks three major pathways of hyperglycemic damage and prevents experimental diabetic retinopathy. In: Nature Medicine. 9, 2003, S. 294–299.
  8. P. J. Thornalley u. a.: High prevalence of low plasma thiamine concentration in diabetes linked to a marker of vascular disease. In: Diabetologia. 50, 10, 2007, S. 2164–2170. PMC 1998885 (freier Volltext).
  9. Diagnosis, Treatment and Follow-up of Diabetic Neuropathy. (Memento vom 22. Februar 2014 im Internet Archive) (PDF; 347 kB), DDG, Mai 2004, abgerufen am 23. Juni 2011 (aktuelle Leitlinie 2011 noch nicht veröffentlicht).
  10. H. Stracke, W. Gaus, U. Achenbach, K. Federlin, R. C. Bretzel: Benfotiamine in diabetic polyneuropathy (BENDIP): Results of a randomised, double blind, placebo-controlled clinical study. In: Exp Clin Endocrinol Diabetes. 116, 2008, S. 600–605. doi:10.1055/s-2008-1065351.
  11. E. Haupt u. a.: Benfotiamine in the treatment of diabetic polyneuropathy – a three-week randomised, controlled pilot study (BEDIP Study). In: Int J Clin Pharmacol Ther. 43, 2005, S. 71–77. PMID 15726875.
  12. E. Beltramo u. a.: Thiamine and benfotiamine prevent apoptosis induced by high glucose-conditioned extracellular matrix in human retinal pericytes. In: Diabetes Metab Res Rev. 25, 2009, S. 647–656; doi:10.1002/dmrr.1008.
  13. L. P. Kihm u. a.: Benfotiamine Protects against Peritoneal and Kidney Damage in Peritoneal Dialysis. In: J Am Soc Nephrol. 22, 2011, S. 914–926, doi:10.1681/ASN.2010070750.
  14. R. Katare u. a.: Benfotiamine improves functional recovery of the infracted heart via activation of pro-survival G6PD/Akt signaling pathway and modulation of neurophormonal response. In: Journal of Molecular and Cellular Cardiology. 2010. PMID 20542491.