Benutzer:Anaxo/Modul (Physiologie)

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Modul (von lat. modus = Maß, Art und Weise) bezeichnet in der Physiologie – dort hauptsächlich in der Neurophysiologie – verschiedene Arten zusammenarbeitender Funktionseinheiten eines bestimmten Organs, meist also im Bereich des Nervensystems.

Herkunft des Begriffs[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

analoge Amplitudenmodulation (AM) und Frequenzmodulation (FM) eines niederfrequenten Signals

Modul leitet sich wissenschaftsgeschichtlich aus der Nachrichtentechnik ab. Hier bedeutet Modulation ursprünglich das Verändern eines Trägersignals durch ein zu übertragendes Signal.

Vorwegnehmend ist schon an dieser Stelle im Hinblick auf die Ausführungen in Kap. 2 Parallelen in der Biologie und Kap. 3.2 Neuromodulation festzustellen, dass es auch in der Physiologie ein Grundmuster von Zellaktivitäten gibt ähnlich dem Trägersignal in der Technik. Ein Vergleich mit der Nachrichtentechnik bietet sich hier insofern an, als jedem Organ entsprechend dem nachrichtentechnisch zu lösenden Problem voneinander unabhängiger Sender in einer Region eine senderspezifische „Trägerfrequenz“ zuzuordnen wäre, vgl. Abb. Amplitudenmodulation (AM) bei jewils konstanter senderspezifischer Frequenz. Auf ein für jedes Organ spezifisches Grundmuster von Zellaktivitäten („senderspezifische Trägerfrequenz“) ist näher bei der Beschreibung jeweils spezifischer Organfunktionen einzugehen.[1]
Gewisse Veränderungen in der Funktion eines Zelltyps ergeben sich z. B. bereits durch den äußeren Aufbau eines Organs und die unterschiedliche topographische Lage eines schon hinlänglich spezialisierten Zelltyps innerhalb eines Organs. Dadurch können bestimmte Teilaufgaben besser wahrgenommen werden. Dieses Prinzip einer topischen Differenzierung hat zu dem Begriff einer spezifischen Netzwerkarchitektur geführt. Aufgrund einer solchen topisch bedingten funktionellen Spezialisierung ist ein Organ besser an bestimmte übergeordnete Aufgaben angepasst.[2]

Module in der Nachrichtentechnik stellen etwa ab den 60er Jahren mehrere miniaturisierte Schaltelemente dar, die miteinander „in einem einzigen Guss“ bereits vom Hersteller aus verbunden sind, vgl. → Integrierte Schaltung. Unterschiedliche Bauelemente mussten nicht mehr in einem zweiten Arbeitsgang miteinander verbunden werden. Dies war auch in der Elektronik technisch meist gar nicht mehr anders lösbar, weil durch die erforderlichen kurzen Schaltzeiten im Bereich von Nanosekunden z.B. bei einem modernen Rechner keine herkömmlichen Verdrahtungen aus Gründen der dadurch verursachten Zeitverzögerung möglich waren. Musterbeispiel der früheren Schalttechnik war die Elektronenröhre. Erst durch angelötete Verbindungsdrähte konnte der Anschluss zu einer Baugruppe - etwa zu einem Verstärker - hergestellt werden.[3] Diese Entwicklung hat sich in der Folgezeit immer weiter beschleunigt in dem Sinn, dass immer mehr Transistoren in einem Schaltelement verbunden wurden. Um das Jahr 1965 hat sich diese Zahl etwa alle 18 Monate verdoppelt. Damit konnte die Leistungsfähigkeit elektronischer Geräte ernorm verstärkt werden.[4]

Parallelen in der Biologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Leistungsbestimmende Eigenschaften eines Organs werden durch organspezifische Zellfunktionen ausgeführt. Diese leistungstragenden Zellen werden definitionsgemäß Parenchymzellen genannt, siehe auch Weblink Parenchym. Im Nervensystem heißen diese Zellen Neuronen.

Wenn auch alle spezifisch leistungstragenden Zellen eines Organs sich prinzipiell auf einer Ebene der Differenzierung befinden, so kann es doch im Wege topischer Besonderheiten eines Organs auch zur Wahrnehmung besonderer Aufgabenstellungen kommen. Siehe dazu auch Kap. 3 → Module in der inneren Medizin. In der Neurologie ist genannte Aufgabenstellung Gegenstand einer fachspezifischen topischen Diagnostik. Die Aufgabenbeschreibung ist auch vergleichbar mit derjenigen der Informatik, siehe → Modul (Software)

Das „Grundmuster“ der Tätigkeit des Nervensystems kann in mehr oder weniger konstanten neuronalen Reaktionsweisen gesehen werden, wie der Fähigkeit zur Ausbildung von Ruhepotential, Depolarisation und Aktionspotential sowie in der Fähigkeit zur Herstellung von Synapsen und Nexus zu anderen Nervenzellen einschließlich gewisser spezieller Eigenschaften wie Neurotransmission und Neuromodulation, Neuromigration usw.

Wenn man in der Physiologie davon ausgeht, dass bestimmte Organe ganz bestimmte Aufgaben erfüllen, so bedeutet der Begriff Modul die Erfüllung einer Teilaufgabe durch bestimmte Gruppen zumindest funktionell spezialisierter, spezifischer Zellverbände dieses Organs. Es ist nicht immer sofort klar zu unterscheiden, ob diesen funktionellen Besonderheiten auch konstante strukturelle Gegebenheiten entsprechen. Umgekehrt kann aus besonderen strukturellen Gegebenheiten nicht immer sofort auf besondere funktionelle Eigenschaften geschlossen werden.

Mit Modul als einem Begriff der biologischen Organisation wird sowohl die physiologisch zu erfüllende Teilaufgabe eines Organs als auch der einzelne anatomisch-topographische Zellverband innerhalb eines Organs bezeichnet, der eine bestimmte Teilaufgabe im Sinne der Spezialisierung übernommen hat.

Beispiele aus der Neurophysiologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Durch Computersimulation neuronaler Netzwerke konnte aufgedeckt werden, dass bestimmte Zellverbände eines Netzwerks Aufgaben besser erledigen, wenn diese in kleinere Teilaufgaben bzw. Module zerlegt werden. Durch eine modulare Netzwerkarchitektur können die Anzahl der notwendigen neuronalen Verbindungen innerhalb des Gesamtnetzes verringert werden und die Effizienz z. B. von Lernvorgängen beschleunigt werden. [5]

U.a. können folgende Module unterschieden werden:

  1. Der Reflexbogen ist als neuronales Modul im Sinne einer kleinsten funktionellen Einheit zweier verschiedener Nervenzellen auf der Ebene des Rückenmarks anzusehen. Hier besteht ein konstanter segmentaler Aufbau, in dem dieses Bauprinzip der Verschaltung z. nbsp;B. von sensiblen und motorischen Nerven systematisch über die gesamte Höhe des Rückenmarks fortsetzt.
  2. Auch die Hirnrinde besitzt einen modularen Aufbau. Man spricht hier von einem Säulenaufbau der Hirnrinde. Diese Säulen haben einen Durchmesser von weniger als 100μm und werden als Module im Sinne eines über die Hirnrinde verteilten einheitlichen und spezifischen Bauprinzips verstanden. Der spezifische „Aufbau“ besteht in einer eher gleichmäßig über den Kortex verteilten Struktur von Verschaltung dieser Nervenzellen im Sinne einer konstanten Art und Weise der Verknüpfung von Zellfortsätzen („Strickmuster“). Dabei handelt sich konkret um regelmäßige Verknüpfungen kortikaler Pyramidenzellen mit benachbarten Zellen. Diese Verknüpfungen verlaufen in horizontaler Richtung, d.h. parallel zur Oberfläche des Kortex. Dabei wird zwischen unmittelbar benachbarten und weiter entfernten Zellen der Nachbarschaft unterschieden. Während erstere direkt durch NMDA-Rezeptoren aktiviert werden, werden letztere weniger deutlich aktiviert oder sogar durch GABAerge Interneurone gehemmt. Solche Hemmungen betreffen die weiter entfernt liegenden Zellverbände. Diese Aktivierung ist durch einen Ermüdungsmechanismus selbstbegrenzend. Nach einer kurzen Phase der sich aufschaukelnden Erregung bricht die Aktivität einer Säule wieder zusammen. Diese Struktur der kortikalen Vernetzung wird als Modell eines Kohonennetzes angenommen.[6]
  3. Als modulares Bauprinzip wird auch die spezifische Verschaltung höherer und niederer Areale des Kortex angesehen. Dies ist auch die spezifische Struktur des Assoziationskortex, dem die Verarbeitung der Informationen aus primären Rindenregionen obliegt. Dieser Bauplan weist folgende Besonderheiten auf. Es sei im folgenden von Areal H (höheres A.) und N (niederes A.) gesprochen: Die Verschaltung zwischen H und N erfolgt nach dem Prinzip der Reziprozität. Dies heißt, dass die Verbindung wechselseitig ist. Wenn Pyramidenzellen aus H nach N Axone senden, so erhalten sie auch Axone von dort. Axone aus N (Schicht II und III) enden in H (Schicht IV) und Axone aus H (Schicht V) enden in N (Schicht I und VI). - Schicht IV wird allgemein als Inputschicht bezeichnet sowohl für Informationen von den Sinnesorganen über den Thalamus als auch von N nach H, d.h. also für kortiko-koritkale Verbindungen. Der Output des Kortex zum Thalamus erfolgt über Schicht V sowie auch kortiko-kortikal von H nach N.[7]
  4. Eine Differenzierung verschiedener neuronaler Funktionen ist z. B. im Assoziationscortex bei der Verarbeitung visueller Informationen feststellbar. Hier ist eine gegenständliche Erkennung von räumlicher Lokalisierbarkeit zu unterscheiden wie Untersuchungen am Affen ergeben haben. Der „Was-Pfad“ führt von der Sehrinde zum Temporallappen, der „Wo-Pfad“ von der Sehrinde zum Parietallappen.[8] [9]
  5. Beim Sehen ist ferner eine Farbkarte im visuellen Areal V4 von einer Bewegungskarte im visuellen Areal V5 zu unterscheiden. Bei Zerstörung der Farbkarte kommt es zu Schwarz-Weiß-Sehen, bei Zerstörung der Bewegungskarte zum Sehen von wechselnden Standbildern.[5]

Modul und Zentrum[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Begriff des Moduls ist bisweilen dem des Zentrums vorzuziehen. Wenn von Zentrum im Gehirn gesprochen wird, so wird damit meist ein sensorisches oder motorisches Zentrum als höheres Zentrum im vergleichbar den Vorderhornzentren des Rückenmarks bzw. denen des Spinalganglions gemeint. Der Begriff des Moduls schließt diese Unterscheidung in höhere und niedrigere Funktionseinheiten keineswegs aus, da sogar innerhalb der Hirnrinde von höheren und niedrigeren Arealen gesprochen werden muss, vgl. Kap. [#Beispiele aus der Neurophysiologie|Beispiele aus der Neurophysiologie], Zf. 3. Allerdings ist diese Unterscheidung nicht zwingend mit der Unterscheidung in motorische und sensorische Zentren verbunden.[5]

Neuromodulation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als Neuromodulation wird eine relativ globale und unspezifische Beeinflussung der neuronalen Informationsbearbeitung vermittels chemischer Beeinflussung verstanden, d.h. über sog. Neuromodulatoren. Diese spezifisch neuronale Funktion steht im Gegensatz zum Begriff der Neurotransmission. Hiermit ist eine rasche und punktgenaue Informationsübertragung über Synapsen vermittels der Neurotransmitter gemeint.[5]

Module in der inneren Medizin[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der inneren Medizin wurden Module früher hauptsächlich als technische Baugruppen verstanden, so z. B. für die Berechnung des Herzminutenvolumens oder als Element eines Beatmungsmonitors. [10]

Modul kommt als allgemeine Bezeichnung für Gruppen von zumindest funktionell unterschiedlich differenzierten Parenchymzellen prinzipiell auch für alle inneren Organe in Betracht. Wenn für funktionstragende Zellen eines Organs grundsätzlich eine gleiche Stufe der Differenzierung angenommen wird, so schließt dies nicht aus, dass gewissen Besonderheiten Ihrer Leistung Rechnung zu tragen ist, die sich z. B. durch den besonderen Aufbau eines Organs und die dadurch gegebenen besonderen Verbindungen beteiligter Parenchymzellen ergeben.

Dies trifft z. B. auch für Aufbau und Funktion der Niere zu. Die morphologisch-funktionelle Einheit der Niere ist das Nephron. Die mit Hilfe renaler Parenchymzellen als Bauelementen erzielte besondere feingewebliche Architektur der Niere lässt bereits bestimmte funktionelle Besonderheiten vermuten. Solche Besonderheiten konnten durch die physiologische Forschung bestätigt werden.

Die Leistung des Nephrons, das rein morphologisch aus Corpusculum renale (Nierenkörperchen)und Tubulus renalis (Nierenkanälchen) besteht, kann mit einem Regelkreis bzw. mit einem Schaltkreis verglichen werden. Dieses Leistungsprinzip ergibt sich bereits aus Form und Anordnung des Tubulus, siehe auch (Henle-Schleife) und der Rückkopplung des Mittelstücks mit dem Nierenkörperchen bzw. mit dem Glomerulum im gewundenen Teil des distalen Tubulus (pars contorta II). Die Macula densa ist in feingeweblicher Hinsicht der Ort des Kontakts des distalen Tubulus mit dem Nierenkörperchen. Nach einer früheren anatomischen Bezeichnung sprach man bei diesem Teil des Tubulus auch von Schaltstück, vgl. Weblink Schaltstück.[11] In physiologischer Hinsicht hat sich für diese Rückkopplung die Bezeichnung des glomerulären Feedback eingeführt. Auch spricht man von einem Juxtaglomerulären Apparat. Diese Termini belegen ihre Herkunft aus der Technik, speziell aus der Regeltechnik. Eine in diesem technischen Sinne selbsterklärende und schematisch vereinfachende Darstellung der Nierenphysiologie findet sich im Lehrbuch von Watzka. [12] Im Schema des Regelkreises ist das Nierenkörperchen dem Regler und der Tubulus der Regelstrecke vergleichbar.

Bereits die makroskopische Einteilung der Niere in Mark, Außenstreifen des Marks, Innenstreifen des Marks und Innenzone des Marks verweist auf die topischen Besonderheiten im Aufbau der Niere und steht mit den anatomisch zu differenzieren Abschnitten des Tubulus renalis in Zusammenhang.[11]

Nicht umsonst werden Gehirn, Rückenmark und periphere Nerven gerade wegen ausgeprägter funktioneller Unterschiede auch als „Nervensystem“ bezeichnet, siehe → System. Das Nervensystem stellt im übrigen natürlich nur ein „inneres Organ“ unter andern dar.[13]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Uexküll, Thure von: Grundfragen der psychosomatischen Medizin. Rowohlt Taschenbuch, Reinbek bei Hamburg 1963, Kap. Psychosomatische Medizin und Modelle der Nachrichtentechnik, Seite 243 ff.; Hier wird die Eignung der Sprache der Nachrichtentechnik für das Verständnis spezieller medizinischer Probleme hervorgehoben.
  2. Spitzer, Manfred: Geist im Netz, Modelle für Lernen, Denken und Handeln. Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 1996, ISBN 3-8274-0109-7. Seite 121
  3. Steinbuch, Karl: Automat und Mensch. Kybernetische Tatsachen und Hypothesen. Springer-Verlag, Berlin – 3. Auflage 1965, Seite 175 ff.
  4. Moore, Gordon: Cramming more components onto integrateted circuits.In: Electronics (1965) 38,8
  5. a b c d Spitzer, Manfred: Geist im Netz, Modelle für Lernen, Denken und Handeln. Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 1996, ISBN 3-8274-0109-7. Seite 121 (a), 122 (b), 136 (c), 344 f. (d)
  6. A.M. Thomson et al.: Temporal and spatial properties of local circuits in neocortex. TINS (1994) 17:3:119-126
  7. M. Mumford: On the computational architecture of the neocortex. II. The role of cortico-cortical loops. Biol. Cybern. (1992) 66:241-251
  8. J. Rueckel et al.: Why are „what“ und „where“ processed by seperate cortical systems? A computational investigation. Journal of cognitive Neuroscience (1989): 1:171-186
  9. L.G. Ungerleider et al.: Two cortical visual systems. In: D.J. Ingle et al. (Hrsg.): Analysis of visual behavior. MIT Press, Cambridge MA 1982, Seite 549-586
  10. Boss, Norbert (Hrsg.): Roche Lexikon Medizin, Hoffmann-La Roche AG und Urban & Schwarzenberg, München, 2 1987, ISBN 3-541-13191-8, Seite 1152
  11. a b Benninghoff, Alfred et al.: Lehrbuch der Anatomie des Menschen. Dargestellt unter Bevorzugung funktioneller Zusammenhänge. 2.Bd. Eingeweide. Urban und Schwarzenberg, München - 6. Auflage 1962, Abb. 182, Seite 238 (a), 237 (b)
  12. Watzka, Max Kurzlehrbuch der Histologie und mikroskopischen Anatomie des Menschen. F.K. Schattauer, Stuttgart - 3. Auflage 1964, Abb. 184, Seite 186: Aufbau des Nephrons als morphologisch-funktionale Einheit mit Rückkopplung im Bereich
  13. Uexküll, Thure von: Grundfragen der psychosomatischen Medizin. Rowohlt Taschenbuch, Reinbek bei Hamburg 1963, Kap. II, Seite 44 ff.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]