Benutzer:Karlderkahle/Döbricht

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Johanna Elisabeth Hesse geb. Döbricht (um 1760) Gemälde des hessisch-darmstädtischen Hofmalers Johann Christian Fiedler

Johanna Elisabeth Hesse geb. Döbricht (auch Debricht, Döbrecht, Döbrichtin, Debrichin oder Hessin) (* 16. September 1692 in Weißenfels † 23. Februar 1786 in Darmstadt) war eine deutsche Opern- und Konzertsängerin in der Stimmlage Sopran.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weißenfels und Weimar[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sie war die Tochter des Altenburgers Daniel Döbricht (1650-1694), der an der Hamburger Oper am Gänsemarkt ausgebildet wurde[1] und seit 9. Juli 1681 als Diskantist, später Altist am Weißenfelser Hof angestellt war.[2] und der Sängerin Christine Elisabeth Grosse, Tochter des Hallenser Kammermusikers Samuel Grosse (* vor 1647; Theorbist unter Samuel Scheidt). Beide hatten am 16. September 1677 geheiratet[3]. Ihr Bruder war Samuel Ernst Döbricht (1680-1751), ein Schwiegersohn des Komponisten Nicolaus Adam Strungk, der als Impresario am Opernhaus am Brühl in Leipzig und am Opernhaus vorm Salztor in Naumburg wirkte. Ihre drei Schwesten Magdelena Elisabeth verh. Ludwig (* vor 1680), Justina Elisabeth (* 1688) und Christiane Elisabeth verh. Simonetti (* 1690; † nach 1737) und waren ebenfalls bekannte Sängerinnen ihrer Zeit[4]. Christiane Elisabeth war mit dem Wolfenbütteler Konzertmeister und Librettist Johann Wilhelm Simonetti verheiratet[5].

Ihre Gesangsausbildung erhielt sie mit ihrem Schwestern 1700/1701 in Weimar (wohin ihre Mutter nach dem Tod des Vaters umgezogen war) beim Bassisten der dortigen Hofkapelle Christoph Alt († 1715)[1].

Leipzig, Naumburg, Braunschweig, Wolfenbüttel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Textbuch der Oper Selimoene und Cloridan (Komponist: Johann Philipp Krieger) von 1708

Danach begann sie ihre Karriere im Jahre 1705 in Leipzig. Im dortigen Opernhaus sang sie den Cupido in der Oper Aeneas und den Morpheus in Perseus und Andromeda oder die Macrina in Der lachende Democritus von Georg Philipp Telemann, auch in der Oper Adonis im Jahre 1708 wirkte sie mit, nachdem sie 1706 am Naumburger Opernhaus bei der Aufführung der Oper Telemaque gesungen hatte[6] und dabei in der Herrenrolle des Telemaque auftrat[7].

Vom 28. Juli bis 06. August 1708 war sie in Opernaufführungen (Selimoene und Cloridan bzw. Donna Violanta oder Spiegel keuscher Damen) am Weißenfelser Hof anläßlich der Vermählung des Herzogs Johann Wilhelm (Sachsen-Eisenach) mit Magdalena Sibylla von Sachsen-Weißenfels (1673–1726) zu hören[8], bei der auch mit Christiane Pauline Kellner eine andere berühmte Sängerin dieser Zeit engagiert war. Auch trat sie zusammen mit ihrer Schwester Christiane im Jahre 1708 im Opernhaus am Hagenmarkt in Braunschweig (u.a. in der Oper Der erfreuten Ocker-Schäfer angestelltes Fest von Georg Caspar Schürmann[9]) und auch in Wolfenbüttel auf[4], bevor sie 1709 mit Christiane und ihrem Bruder Samuel Ernst wieder an der Leipziger Oper engagiert war[1].

Im März 1710 besuchte Zacharias Conrad von Uffenbach mehrmals die Hamburger Oper am Gänsemarkt und bemerkte:

... Unter denen Weibs-Leuten waren nur zwey, so noch zimlich sangen, aber doch keine so wohl als die Debrichin, welche ich in Leipzig öffters gehöret, obgleich ihre Schwestern allhier waren ...

Zacharias Conrad von Uffenbach[10]

In einer Biografie über Johann David Heinichen wird auch an die Döbricht in den Leipziger Opernaufführungen um 1709 erinnert:

Um diese Zeit war die Musik der Leipziger Opern sowohl in Ansehung musikalischer Composition, als der Ausführung, (nicht aber in Ansehung der Poesie) in einem sehr blühenden Zustande. Sonderlich thaten sich in der Ausführung, die drey braven Schwestern Mesdemoiselles Döbrecht, nachher vermählte Mesdames Ludwig, Simonetti und Hesse, sowohl was Singen als Agiren anbelangt, sehr hervor. Ihr Bruder Herr Döbrecht, war ein fertiger Bassist (recte: Altist) und guter Hauptacteur in diesen Singspielen, und führte zugleich die Aufsicht darüber.

"R" = Johann Friedrich Agricola?: Biografie Heinichens, 1767[11]

Darmstadt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bekannt als eine der besten Sopranistinnen ihrer Zeit, wurde sie im Jahre 1711[12] nach einem Gastspiel 1710 in Darmstadt, wo auch seit 1709 ihre Kollegin Margaretha Susanna Kayser sang, von Landgraf Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt für Opern- und Kirchenmusik engagiert. Sie hatte das damalige seltene Privileg in Europa, in der Kirche aufzutreten insbesondere mit Kompositionen des Hofkapellmeisters Christoph Graupner. Sie sang u.a. am dortigen Hoftheater in dessen Oper Telemach im Jahre 1711 die Rolle der Nymphe Kalypso, bei der in der Hofkapelle neben Gastviolinist Johann Georg Pisendel, der Tenor Konstantin Knöchel (1679-1725) als Telemach und der Flötist und Oboist Johann Michael Böhm (beide aus Leipzig) engagiert waren.[13]. Letztere beiden verblieben in Darmstadt und erhalten dort ein festes Engagement.

Älteste erhaltene Darstellung des Hoftheaters in Darmstadt (um 1800)

Johanna Elisabeth heiratete am 06.09.1713 in Darmstadt den Komponisten, Gambisten und Kapelldirektor Ernst Christian Hesse[14], dessen Stück ’’Fedeltà coronata’’ sie wahrscheinlich ab 1712 gesungen hat[15]. Hier konnte sie die Beweglichkeit und die hohe Tonhöhe ihrer Stimme (bis mindestens Solmisation si4) nutzen.

Opernaufführung im Dresdner Opernhaus am Zwinger anlässlich der Hochzeit des Kurprinzen Friedrich August II. im Jahre 1719

Anläßlich der Aufführung der Frankfurter Festmusiken zur Geburt eines kaiserlichen Prinzen von Telemann 1716 trat sie mit der Darmstädter Hofkapelle unter der Leitung von Gottfried Grünewald auf einer provisorischen Bühne am Frankfurter Römerberg vor tausenden Bürgern auf[16].

Im Jahre 1717 reiste sie erneut nach Braunschweig, um bei der Schürmann-Oper Telemaque und Calypso mitzuwirken.[17]

Bemerkenswert ist, dass sie in Darmstadt in der Gehaltsaufstellung von 1719 mit Graupner finanziell gleichgestellt war, ebenso wie sein Stellvertreter Grünewald. Sie erhielt pro Jahr 500 Gulden, 38 Malter Getreide, 8 Klafter Holz und 3 Ohm Wein, so dass sich eine Gesamtsumme von 750 Gulden ergab[18].

Im Jahre 1719 erhielt sie und ihr Mann die Einladung am Dresdner Hof anläßlich der Vermählung des sächsischen Kurprinzen zu singen, bei der auch Georg Friedrich Händel anwesend war und mit ihrem Mann musiziert haben soll[19]. Bei den Feierlichkeiten sang sie vom März bis Oktober in Opern und Konzerten von Antonio Lotti und Johann David Heinichen an der Seite des bekannnten Kastraten Senesino und konnte sich dabei mit den damaligen großen Primadonnen Vittoria Tesi und Margherita Durastanti erfolgreich messen[20]. Am 03. September trat sie beispielsweise in der Lotti-Oper Giove in Argo und am 03. September in Ascanio, ovvero Gli odi delusi dal sangue auf[21], danach kehrte sie 1720 nach Darmstadt zurück.

Darmstädter Gesellschaft im Freien (um 1750) von Johann Christian Fiedler

Der Komponist Georg Philipp Telemann, der ebenfalls in Dresden anwesend war[22], bemerkte zu den Aufführungen 1719 in Dresden:

Die Hauptsängerinnen ... waren: die Lotti, die Durastanti ... Thesi, Hessin, die, ob sie zwar eine Deutsche, dennoch jenen fast gleich geschätzt wurde.

Georg Philipp Telemann: Telemanns Bemerkungen zu Opernaufführungen anlässlich der Hochzeit des Kurprinzen in Dresden 1719[23]

Seit 1740 erhielt die Sängerin in Darmstadt eine Rente, obwohl sie dort weiterhin regelmäßig sang[24].

Der Darmstädter Hofmaler Johann Christian Fiedler schuf um 1750 das Gemälde Darmstädter Gesellschaft im Freien, das ihn mit einer Muskete in der Hand im Kreise seiner Darmstädter Freunde zeigt. Die Sängerin in der Mitte soll Johanna Elisabeth Hesse darstellen, ihr Mann sitzt angeblich links im Bild, an der Gambe spielend, mit dem Rücken dem Betrachter zugwandt[25].

Sie starb 1786 hochbetagt als Witwe im Alter von 93 Jahren, nachdem sie noch am 23. Juli 1781 ihr Testament verfasst hatte[26].

Ernst Ludwig Gerber bezeichnete sie 1790 in seinem Lexikon der Tonkünstler als größte Sängerin ihrer Zeit[27].

Sie hatte 4 Töchter und 8 Söhne, der bekannteste, Ludwig Christian Hesse (* 1716; † 1772), war Gambist und Königlicher Kammermusikus an der Hofkapelle von Friedrich des Großen zusammen mit seinem Kollegen Carl Philipp Emanuel Bach. Der Staatsminister Andreas Peter von Hesse war der jüngste Sohn von ihr.[28] Charlotte Friederike, * 1717, † Richen 14.4.1800 [29]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Georg Christian Lehms: Teutschlands galante Poetinnen, Samuel Tobias Hocker, Frankfurt/Main, 1714–15 (Nachdruck Darmstadt 1966 u. Leipzig 1973).
  • Ernst Ludwig Gerber: Historisch-Biographisches Lexicon der Tonkünstler, Erster Theil A-M, Breitkopf, Leipzig, 1790, S. 631.
  • Michael Maul: Barockoper in Leipzig (1693-1720). (Rombach Wissenschaften, Reihe Voces, hrsg. von Christian Berger/ Christoph Wolff, Bd. 12/1,2.) Textband und Katalogband Freiburg i. Br. 2009, ISBN 978-3-7930-9584-2, S. 27ff.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Elisabeth Noack: Musikgeschichte Darmstadts vom Mittelalter bis zur Goethezeit, Band 1, Schott, Mainz, 1967. S.177-179.
  2. Tina Hartmann: Grundlegung einer Librettologie, De Gruyter, Berlin/Boston, 2017, S.67.
  3. Karl Eduard Förstemann: Georg Friedrich Händel's Stammbaum nach Original-Quellen und authentischen Nachrichten, Breitkopf & Härtel, Leipzig, 1844, S. 8.
  4. a b Otto Klein: Weißenfels in Wolfgang Adam, Siegrid Westphal (Hrsg.): Handbuch kultureller Zentren der Neuzeit: Städte und Residenzen im alten deutschen Sprachraum, Band 2, De Gruyter, Berlin/Bosten, 2012, S. 2144.
  5. Hans­Joachim Schulze: Kantor Kühnhausen und Concertmeister Simonetti Weggefährten der Bach-Familie? in Bach-Jahrbuch Band 101 Neue Bachgesellschaft Leipzig, Leipzig 2015, S. 261ff.
  6. J.O. Opel: Die ersten Jahrzehnte der Oper zu Leipzig in Hubert Ermisch: Neue Archiv für sächsische Geschichte und Alterthumskunde, Fünfter Band, Baensch, Dresden, 1884, S.124-126.
  7. Gustav Friedrich Schmidt: Georg Caspar Schürmann. I. Band. Gustav Bosse, Regenburg, 1934, S. 36.
  8. Michael Maul: Barockoper in Leipzig (1693-1720), Rombach, Freiburg i. Br., 2009, S. 70.
  9. Friedrich Chrysander: Jahrbücher für musikalische Wissenschaft, Band 1, Breitkopf & Härtel, Leipzig, 1863, S. 260.
  10. Zacharias Konrad von Uffenbach, Johann Georg Schelhorn: Herrn Zacharias Conrad von Uffenbach Merckwürdige Reise durch Niedersachsen Holland und Engelland. Zweyter Theil. Gaums, Ulm 1753, S.78f.
  11. Johann Adam Hiller: Wöchentliche Nachrichten und Anmerkungen, die Musik betreffend, 28. Stück, Zeitungs-Expedition, Leipzig, 1767, S. 213f.
  12. Reiner Maaß: Darmstadt in Wolgang Adam, Siegrid Westphal (Hrsg.): Handbuch kultureller Zentren der Neuzeit: Städte und Residenzen im alten deutschen Sprachraum, Band 2, De Gruyter, Berlin/Boston, S. 363.
  13. Kai Köpp: Johann Georg Pisendel (1687-1755) und die Anfänge der neuzeitlichen Orchesterleitung, Schneider, Tutzing, 2005, S.78.
  14. https://www.darmstadt-stadtlexikon.de/h/hesse-ernst-christian.html
  15. Julie Anne Sadie: Companion to Baroque Music, Oxford University Press, Oxford, 1998, S. 217.
  16. Wolfgang Hirschmann: Musikalische Festkultur im politisch-sozialen und liturgisch-religiösen Kontext: Telemanns Serenata und Kirchenmusik zur Geburt des Erzherzogs Leopold (Frankfurt 1716), in: Telemann in Frankfurt. Bericht über das Symposium Frankfurt am Main, 26./27. April 1996, im Auftrag der Frankfurter Telemann-Gesellschaft hrsg. von Peter Cahn, Mainz u.a. 2000 (= Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte 35), S. 169.
  17. Gustav Friedrich Schmidt: Die frühdeutsche Oper und die musikdramatische Kunst Georg Caspar Schürmanns. (Band 1) Bosse, Regensburg 1933, S. 52.
  18. Ursula Kramer: The Court of Hesse-Darmstadt in Michael Talbot: Music at German Courts 1715 - 1760, Changing Artist Priorities, The Boydell Press, Woodbridge 2011, S. 339.
  19. http://www.guentersberg.de/vorwort/de/g249.pdf
  20. Moritz Fürstenau: Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe zu Dresden, Band 2, Kunze, Dresden 1862, S. 133.
  21. Herrmann Mendel: Musikalisches Conversations-Lexikon, Band 5, Oppenheim, Berlin 1875, S. 224.
  22. Moritz Fürstenau: Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe der Kurfürsten von Sachsen Kuntze, Dresden 1862, S. 151.
  23. Siegried Bimberg: Der Komponist und sein Adressat: musikästhetische Beiträge zur Autor-Adressat-Relation, Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg 1976, S. 55.
  24. Stanley Sadie: The New Grove Dictionary of Music and Musicians, Band 5 Macmillan Publishers, London, 1980, S. 516.
  25. Kuno Ferdinand Graf von Hardenberg: Herkunft, Leben und Wirken des hochfürstlich Hessen-Darmstädtische ober Cabinets- und Hofmahlers Johann Christian Fiedler nach alten und neuen Quellen, Schlapp, Darmstadt, 1919, S. 29.
  26. https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction.action?detailid=v2473417&icomefrom=search Archivserver Hessen
  27. Ernst Ludwig Gerber: Historisch-Biographisches Lexicon der Tonkünstler, welches Nachrichten von dem Leben und Werken musikalischer Schriftsteller, berühmter Componisten, Sänger, Meister auf Instrumenten, Dilettanten, Orgel- und Instrumentenmacher, enthält, Breitkopf, Leipzig, 1790–1792, S.631.
  28. https://www.darmstadt-stadtlexikon.de/h/hesse-andreas-peter-von.html Referenz im Stadtlexikon Darmstadt
  29. https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/print/sn/bio/id/5411