Benutzer:Lisa-Maria Seidl/Arbeitsseite (EFW 2018)

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Sprachpolitik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Sprachpolitik bezeichnet politische Aktivitäten, die sich mit Sprache oder Sprachen und ihren politischen und gesellschaftlichen Dimensionen beschäftigen, sowie im engeren Sinne das zielgerichtete Eingreifen in die Entwicklung von Sprache oder Sprachen in der Gesellschaft[1]. Sprachpolitik wird zudem als Oberbegriff zu den Begriffen Sprachenpolitik, Sprachplanung oder Sprachmanagement verwendet. Eine eindeutige Definition von Sprachpolitik fehlt in der wissenschaftlichen Diskussion. Sprachplanung und Sprachpolitik werden häufig synonym verwendet. So kann sich Sprachpolitik mit einer oder mehreren Sprachen sowie mit Sprache im Allgemeinen beschäftigen und eine offene oder verdeckte, bewusste oder unbewusste Beeinflussung sprachlichen Verhaltens durch verschiedene Akteure, etwa durch Staaten oder Institutionen, beinhalten [2]. Zur Analyse von Sprachenpolitik müssen somit die Ziele und Resultate von Sprachpolitik genauso betrachtet werden wie die eingesetzten Mittel, die Entscheidungsprozesse, die politischen Bedingungen, das zu beeinflussende Verhalten sowie die Akteure und Sprachnutzer[3].

Sprachpolitik kann alle Aspekte einer Sprache beeinflussen. Dies beginnt damit, eine selbstständige Sprache als solche anzuerkennen. In Gestalt der Statusplanung bestimmt sie, welchen sprachlichen Varietäten welche Funktion zukommen soll. Beispiele dafür sind die Festlegung einer offiziellen Staats- oder Amtssprache, die Auswahl von Mutter- und Fremdsprachen, die an Schulen gelehrt werden, sowie die Rechte von Minderheitensprachen. Unter Korpusplanung wird die Entwicklung von Standards in Grammatik, Rechtschreibung und Wortschatz verstanden. Beispielsweise in Form einer Rechtschreibreform kann Sprachenpolitik diese Regeln für die Verschriftlichung auch verändern. Diese Maßnahmen wirken sich auf das Prestige aus, das eine Sprache in der Gesellschaft hat, sowie auf den Spracherwerb und den Sprachgebrauch[4].

In vielen Ländern sind Sprachverwendung und Sprachgebrauch gesetzlich geregelt, so in Frankreich, wo die Académie française dazu gegründet wurde, über den Gebrauch, den Wortschatz und die Grammatik des Französischen zu wachen[5]. In einigen Nachfolgestaaten der Sowjetunion spielte die Identitätswirkung der Nationalsprache eine Schlüsselrolle für die Erlangung der Unabhängigkeit[6]. In Belgien ist der Gebrauch der Sprachen durch öffentliche Dienste strikt über Sprachgesetze geregelt[7].

Bedeutung von Sprachpolitik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sprachen spielen eine wichtige Rolle in der Bildung von nationaler Identität sowie auch in der Indentitätsbildung von Individuen. In der Entstehung der europäischen Nationalstaaten war Sprache ein wichtiger Anknüpfungspunkt, indem sie die Zugehörigkeit zur Nation definierte. Dies wurde in der Geschichte unter anderem durch den Nationalsozialisms instrumentalisiert. In der Realität gab und gibt es in der Mehrzahl der europäischen Staaten sprachliche Minderheiten. Die Indentität von Nation und Staat ist daher immer eine Fiktion gewesen. Das Resultat waren Sprachkonflikte, die zum Teil bis heute andauern[8].

Sprachpolitik und Sprachenrecht sind heute weiterhin von uneingeschränkter Bedeutung. Das Staatssystem mit Verwaltung, Justiz und Bildungswesen baut auf Sprache auf. Es existiert eine engen Beziehung zwischen Sprache, Identität und Kultur. Sprache kann als Schlüssel gesehen werden und stellt den Bezug zur Gemeinschaft her. Die Muttersprache sowie Sprachen, mit denen sich jemand identifiziert, lösen positive Assoziationen aus, wie Vertrautheit und Sicherheit. Teil einer Sprachgemeinschaft zu sein, ermöglicht Orientierung und Zuordnung. Dies kann auf Ebene der Nationalkultur geschehen, in ehnischen Gemeinschaften, in regionalen oder lokalen Gemeinschaften durch Dialekte und Mundarten sowie in sozialen Gruppen durch Soziolekte und Jargons[9].

Daraus folgt, dass Eingriffe in das Sprachverhalten, etwa in Form von Sprachverboten,  unmittelbaren Einfluss auf die Psyche des Einzelnen sowie von Volksgruppen haben können. Mangelnde Akzeptanz der eigenen Spreche im Lebensumfeld einer Person kann beispielsweise zu Minderwertigkeitsgefühlen führen. Im Umkehrschluss gilt auch, dass die Wertschätzung von Sprachen und Sprachkenntnissen mit der Werschätzung jener Menschen zu tun hat, die diese Sprachen sprechen [10]

Siehe auch: Linguizid

Akteure der Sprachpolitik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sprachpolitik wird nicht nur von herkömmlichen politischen Akteuren betrieben, sondern darüber hinaus auch von verschiedenen Arten von Institutionen sowie von Einzelpersonen, Akteure der Sprachpolitik können im wesentlichen in vier Gruppen eingeteilt werden.

Zur Gruppe „Regierung“ gehören all jene Regierungsstellen, Ministerien und Behörden, die offiziell damit betraut sind, Sprachpolitik auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene zu betreiben. Dazu zählen aber auch Internationale Organisationen wie die EU oder die UNO, die auf supranationaler Ebene agieren. Unter „Bildungseinrichtungen“ werden Organisationen im Bildungssektor verstanden, wie Kindergärten, Schulen, Universitäten oder Behörden, die Lehrpläne erstellen. Sie haben großen Einfluss auf Sprachgebrauch und Spracherwerb, sowohl explizit durch den Fremd- und Muttersprachenunterricht, als auch implizit durch Zuschreibung von Prestige zu einzelnen Sprachformen. In die Kategorie „Quasiregierungsorganisationen“ fallen Einrichtungen wie Krankenhäuser, Kulturinstitutionen oder Institutionen der Justiz, die durch ihre Sprachverwendung indirekt Sprachpolitik betreiben. Zuletzt betreibt auch jede andere (private) Organisation oder Institution zumindet indirekte Sprachpolitik, beispielsweise durch Anforderungen an Sprachkenntnisse oder Forderung der Einhaltung bestimmter Sprachstandards.

Abseits von diesen vier Kategorien können schließlich auch Freundeskreise oder Familien sowie Einzelpersonen als Akteure von Sprachpolitik bezeichnet werden. Beispiele sind etwa die Ächtung von Vulgärausdrucken in der Familie oder die Entscheidung, Fremdsprachen zu erlernen [11]

Offene und verdeckte Sprachpolitik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unter einer offenen Sprachpolitik wird eine bewusste und sichtbare Handlung verstanden, mit der in den Gebrauch einer Sprache eingegriffen wird, und die eine offen artikulierte Zielsetzung verfolgt. Verdecke Sprachpolitik bezeichnet hingegen sprachliches oder anderes Handeln, dass sprachliches Verhalten auf eine subtile Weise beeinflusst und das einer verstecken oder unbewussten Absicht dient[12].

Bewusste und unbewusste Sprachpolitik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Verdeckte Sprachpolitik kann sowohl bewusst als auch unbewusst erfolgen. Unbewusst ist sie dann, wenn die Aktuere kein bewusstes Ziel verfolgen. Dies passiert beispielsweise durch den allgemeinen Gebrauch bestimmter Sprachen oder Varietäten, wenn dem keine bewusste Entscheidung über die Akzeptanz dieser Sprachen oder Varietäten voranging. Im Gegensatz dazu kann verdeckte Sprachpolitik auch bewusst durchgeführt werden, etwa um bestehende Machtverhältnisse zu forcieren[13].

Sprachenpolitik der EU[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Europäische Union verfolgt mit ihrer Sprachenpolitik das Ziel, die Zusammenarbeit in Europa zu stärken und gleichzeitig die Vielfalt zu erhalten. Sie setzt daher Maßnahmen zur Förderung und zum Erhalt der Vielsprachigkeit und des kulturellen Reichtums sowie zur Verbesserung der Sprachkompetenz der Bevölkerung[14][15]. Untermauert wird dies durch eine umfassende Mehrsprachigkeitspolitik, die die Gleichwertigkeit aller EU-Amtssprachen vorsieht. Im Bildungsbereich ist es erklärtes Ziel der EU, dass Unionsbürger neben ihrer Muttersprache zwei weitere Fremdsprachen beherrschen sollen. Darüber hinaus unterstützt die EU in Bestrebungen hinsichtlich des Schutzes von Regional- und Minderheitensprachen. Seit 2001 wird am 26. September der Europäische Tag der Sprachen gefeiert[16].

Veröffentlichungen der EU werden aus Kosten- und Effizienzgründen jedoch nicht immer in alle Amtssprachen übersetzt. Während Rechtsvorschriften, politisch bedeutsame Dokumente und allgemeine Informationen in allen Amtssprachen veröffentlcht werden, sind nicht rechtsverbindliche Dokumente meist nur in Deutsch, Englisch und Französisch verfügbar. Dringende oder kurzlebige Informationen werden nach Bedarf übersetzt. Spezialisierte Informationen sind je nach Zielgruppe nur in einer begrenzen Zahl an Sprachen verfügbar[17].

Rechtsgrundlage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Achtung der Sprachenvielfalt findet in der Präambel sowie in Artikel 2 des Vertrages über die Europäische Union Erwähnung. Die Charta der Grundrechte der EU, aus dem Jahr 2000 enthält das Verbot von Diskriminierung aufgrund von Sprache (Artikel 21) und verpflichtet die Union zur Achtung der sprachlichen Vielfalt (Artikel 22). Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beinhaltet das Recht von EU-Bürgern, sich schriftlich in einer der Sprachen der Mitgliedstaaten an jedes Organ und an jede Einrichtung der Union zu wenden und eine Antwort in derselben Sprache zu erhalten (Artikel 24 Absatz 4 AEUV)[16]. Sprachen von Minderheiten sowie Migrantengruppen haben zwar keinen offiziellen Status in der EU und können daher auch nicht zur Kommunikation mit EU-Organen verwendet werden, ihnen kommen jedoch durch die Charta der Regional- und Minderheitensprachen ein gewisser Schutz zu.

Leistungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Leistungen, die die EU im Bereich der Sprachenpolitik erbracht hat bzw. deren Umsetzung sie anstrebt beinhalten den Schutz von Minderheitensprachen, die Ermöglichung einer Vergleichbarkeit von Sprachkompetenz, die Einrichtung eines Europäischen Fremdsprachenzentrums, des Mercator-Forschungszentrum für Mehrsprachigkeit und Vermittlung von Sprachen sowie eines Europäischen Masterstudiengangs Übersetzen und die Bereitstellung des maschinellen Übersetzungsdienstes MT@EC. Darüber hinaus hat die EU Aktionprogramme wie Erasmus+, Kreatives Europa, den Europäischen Tag der Sprachen ins Leben gerufen und vergibt Auszeichnungen wie das Europäisches Sprachensiegel oder die Juvenes Translatores[16].

Europäischer Kommissar für Mehrsprachigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von 2007 bis Februar 2010 gab es in der Kommission der Europäischen Union einen eigenen Kommissar für Mehrsprachigkeit, während dieser Bereich vor und nach dieser Zeit beim Kommissar für Allgemeine und berufliche Bildung, Kultur und Jugend lag bzw. liegt. Kommissar für Mehrsprachigkeit war der Rumäne Leonard Orban. Zentrale Aspekte seiner Amtszeit waren die Förderung des Fremdsprachenlernens ab dem frühesten Kindesalter, das Konzept des lebenslangen Lernens sowie die Förderung der Mehrsprachigkeit für kleine und mittelständische Betriebe.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Heiko F. Marten: Sprachenpolitik. Eine Einführung. Tübingen 2016.

Florian Coulmas: Sprache und Staat. Studien zur Sprachplanung und Sprachpolitik. Berlin 1985.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

http://www.europarl.europa.eu/factsheets/de/sheet/142/sprachenpolitik

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Florian Coulmas: Sprache und Staat. Studien zur Sprachplanung und Sprachpolitik. Berlin 1985, S. 260.
  2. Heiko F. Marten:Sprachenpolitik. Eine Einführung. Tübingen 2016, S.15-24.
  3. Heiko F. Marten:Sprachenpolitik. Eine Einführung. Tübingen 2016, S.30-31.
  4. Heiko F. Marten: Sprachenpolitik. Eine Einführung. Tübingen 2016, S.24-27.
  5. Académie francaise. Abgerufen am 8. August 2018 (französisch).
  6. Gunnar Wälzholz: Nationalismus in der Sowjetunion Entstehungsbedingungen und Bedeutung nationaler Eliten. Berlin 1997, S. 15-18.
  7. Belgien - Bildung des föderalen Staates. Abgerufen am 8. August 2018.
  8. Florian Coulmas: Sprache und Staat. Studien zur Sprachplanung und Sprachpolitik. Berlin 1985, S. 41-52.
  9. Edith Broszinsky-Schwabe: Interkulturelle Kommunikation. Missverständnisse – Verständigung. Wiesbaden 2011. S. 60.
  10. Arbeiterkammer Wien: 14 Thesen zu Sprache und Sprachenpolitik. Wien 2018.
  11. Heiko F. Marten: Sprachenpolitik. Eine Einführung. Tübingen 2016, S.35-37.
  12. Heiko F. Marten: Sprachenpolitik. Eine Einführung. Tübingen 2016, S.22-23.
  13. Heiko F. Marten: Sprachenpolitik. Eine Einführung. Tübingen 2016, S.23-24.
  14. EU Multilingualism. Abgerufen am 8. August 2018 (englisch).
  15. OSZE Sprachenpolitik. Abgerufen am 8. August 2018.
  16. a b c EU Sprachenpolitik. Abgerufen am 8. August 2018.
  17. Anonymous: Sprachenpolitik - Europäische Union - European Commission. 16. Juni 2016, abgerufen am 8. August 2018 (englisch).