Benutzer:Lucius Castus/Eşref Kuşçubaşı

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Eşref Bey Kuşçubaşı (Eşref Bey der Oberfalkner) (auch: Kuşçubaşızâde Eşref (Eşref, Sohn des Oberfalkners), İzmirli Eşref (Eşref aus İzmir), Çerkes Eşref (Eşref der Tscherkesse), Eşref Sencer;[1] geb. 1883 in Istanbul; gest. ) war ein Agent der Teşkilât-ı Mahsusa, einer Spezialorganisaton des Osmanischen Reiches für geheimdienstliche Operationen.

Herkunft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eşref wurde im Jahr 1883 als ältestes Kind von Mustafa Nuri Bey und Tevhide Hanım in Istanbul im Stadtteil Beşiktaş geboren.[2]

Mustafa Nuri war ein Tscherkesse, der mit seiner Familie in den 1860er Jahren infolge der russischen Eroberung aus dem nördlichen Kaukasus in das Osmanische Reich floh. Dort lebte er zuerst in einem Dorf in der Region Manyas. Durch Vermittlung seiner Schwester, die mit einem Beamten am Hofe des osmanischen Sultans verheiratet war, erlangte Mustafa Nuri eine Anstellung im Kaiserlichen Falknerkorps und siedelte dazu nach Beşiktaş, in das damalige Beamtenviertel in Istanbul, um.[3] Von Abdülhamid II. wurde er bald zum Oberfalkner (kuşçu başı) ernannt. Eşrefs Beiname Kuşçubaşızâde (Sohn des Oberfalkners) leitet sich aus dieser Dienststellung seines Vaters ab, der oft zu Kuşçubaşı verkürzt wurde.[4]

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Frühe Jahre[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der ersten schulischen Ausbildung wurde Eşref 1893 Kadett an der Kuleli-Militärakademie. Aufgrund seiner führenden Beteiligung an einer Schlägerei wurde er zur Strafe für ein halbes Jahr zu einer Militärvorschule in Edirne versetzt, wo er Yenibahçeli Şükrü und Süleyman Askerî kennenlernte. Nach Abschluss seiner Kadettenausbildung wurde er Student an der Mekteb-i Harbiye, der Offiziershochschule des Osmanischen Reiches.[5]

Seine militärische Ausbildung konnte er allerdings nicht abschließen. Eşref und sein Bruder Selim Sami Kuşçubaşı waren gezwungen ihren Vater Mustafa Nuri im Jahr 1900 in die Verbannung in den Hedschas zu begleiten. Der Grund für die Verbannung ist unklar. Sie waren zunächst in Mekka und ab September 1900 in Taif arrestiert. Als Folge ihrer misslungenen Flucht wurden Eşref und Sami nach Medina verlegt. Ein erneuter Versuch gelangen ihnen dort im Jahr 1901. Eşref und sein Bruder lebte die nächsten Jahre zumeist unter Beduinen im Nadschd und führten Raubzüge in den Hedschas durch. Sami kehrte unerkannt nach Istanbul zurück. Nachdem Eşref erfuhr, dass sein Vater begnadigt wurde, suchte er den Kontakt mit der osmanischen Administration, um die Möglichkeit zurückzukehren zu dürfen zu sondieren. Seine Bemühungen führten ihn letztlich auf den Balkan. Von Montenegro aus betrat er osmanisches Territorium und wurde verhaftet. Seiner Bitte nach Begnadigung wurde entsprochen und es wurden ihm und seinem Bruder erlaubt sich in İzmir aufzuhalten, wo deren Vater sich nach dessen Begnadigung befand. Er erreichte die Stadt am 20. Dezember 1905.[6]

Eşref, Sami und Mustafa Nuri arbeiteten vorerst auf einem Gutshof des Sultans bei Torbalı. Im Jahr 1906 kehrten Eşref und Sami zum Banditenleben zurück. In diesem Zusammenhang lernte Eşref Çerkes Edhem kennen, der nach seiner militärischen Ausbildung sich Eşrefs Banditengruppe anschloss. Sie führten Raubzüge gegen die osmanische Regierung, vorerst in den Regionen İzmir und Afyon, später, als der Druck seitens der Regierung zu stark wurde, in der Region Bursa, durch. Eşref beteiligte sich mit seiner Banditengruppe am Komitee für Einheit und Fortschritt, einer jungtürkischen Organisation, die gegen die Herrschaft von Abdülhamid II. kämpfte. Nach der Jungtürkischen Revolution im Juli 1908 erlangte Eşref ein Posten bei der Polizei in İzmir. Unter seiner Leitung wurden Derviş Vahdeti und dessen Anhänger, die nach dem Scheitern ihrer Rebellion in Istanbul (Vorfall vom 31. März) nach İzmir geflohen sind, festgenommen.[7]

Italienisch-Türkischer Krieg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auf Bitten von Enver Bey beteiligte Eşref sich an der Verteidigung der osmanischen Provinzen in Libyen gegen die italienische Invasion (Italienisch-Türkischer Krieg). Sein erster Auftrag war es eine Gruppe osmanischer Offiziere sicher durch Ägypten in das Kriegsgebiet zu schleusen. Die osmanischen Truppen in den libyschen Provinzen waren den italienischen Invasionstruppen zahlenmäßig deutlich unterlegen. Aufgrund der italienischen Übermacht auf See, konnten keine Verstärkungen über das Meer transportiert werden. Die Möglichkeit über Ägypten offiziell Truppenkontingente in das Kriegsgebiet zu schicken, bestand ebenfalls nicht. Ägypten war zwar nominell eine osmanische Provinz, stand jedoch seit dem Jahr 1882 faktisch unter britischer Kontrolle. Auf Anraten von Enver Bey, dem das Oberkommando über die osmanischen Truppen in der Provinz Bengasi (Kyrenaika) übertragen wurden, entschied die osmanische Regierung für die Verteidigung Guerillataktik anzuwenden. Offiziere wurden in kleinen Gruppen in das Kriegsgebiet über Ägypten oder Tunesien geschleust, um die lokale Bevölkerung für den Widerstand auszubilden und zu führen. Viele aus dieser Gruppe von zumeist jungen Offizieren, darunter auch Eşref, bildeten später den Kader der durch Enver Bey gebildeten Organisation für geheimdienstliche Operationen namens Teşkilât-ı Mahsusa.[8]

Eşref erreichte am 10. November 1911 Alexandria und führte seine Gruppe einige Tage später bei Sollum über die ägyptisch-libysche Grenze. Eşref war darauf bei Derna aktiv, wo er für die Organisation, Ausbildung und Führung eines Kontingents von arabischen Stammeskriegern verantwortlich war. Aufgrund des sich anbahnenden Krieges auf dem Balkan sah sich die osmanische Regierung gezwungen, Frieden mit Italien zu schließen, und verpflichtete sich im Vertrag von Lausanne vom 18. Oktober 1912, alle osmanischen Truppen und Beamte aus den libyschen Provinzen abzuziehen. Enver Bey, der Oberbefehlshaber der osmanischen Truppen in der Kyrenaika, entschied sich, den Widerstand fortzusetzen, verließ Libyen aber Ende 1912 und übertrug den Oberbefehl der verbleibenden Truppen an Aziz Ali al-Misri. Eşref folgte der Bitte von Enver Bey und verließ die Kyrenaika kurz darauf ebenfalls.[9]

Die Balkankriege[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 16. bzw. 17. Oktober 1912 erklärten Montenegro, Serbien, Bulgarien und Griechenland dem Osmanischen Reich den Krieg. Bereits nach einigen Wochen war fast das gesamte osmanische Gebiet im Balkan besetzt worden, so dass die osmanische Hauptstadt Istanbul bedroht wurde. Von Enver Bey wurde Eşref im Januar 1913 beauftragt zur Aufstellung einer Guerillatruppe in den Regionen um İzmir und Aydın Freiwillige zu rekrutieren und auszubilden. Unter seiner Führung nahm diese Einheit während des Ersten Balkankrieges an der Verteidigung von Istanbul teil. Nominell zugeordnet war diese dem X. Korps, befehligt von Hurşid Pascha mit Enver Bey als Stabschef. Mit der Unterzeichnung des Londoner Vertrags endete der Erste Balkankrieg am 30. Mai 1913. Darin verzichtete das Osmanische Reich auf alle europäischen Gebiete westlich der Linie zwischen Enez an der Ägäisküste und Midia am Schwarzen Meer.[10]

Im Juni kehrte Eşref kurzfristig nach Istanbul zurück. Er wurde vom Militärgouverneur von Istanbul, Cemal Pascha, beauftragt die Verantwortlichen des Attentats an dem osmanischen Großwesir Mahmud Şevket Pascha aufzuspüren und festzunehmen. Nach Ausführung des Auftrags kehrte er zu seiner Einheit zurück.[11]

Nach Ende des Ersten Balkankrieges kam es wenig später zwischen den europäischen Mächten zum Streit über die Verteilung der ehemaligen osmanischen Territorien. In der Nacht vom 29. Juni 1913 griffen bulgarische Truppen gleichzeitig die griechischen und serbischen Armeen an, wodurch der Zweite Balkankrieg begann. Am 11. Juli 1913 erklärte das Osmanischen Reich Bulgarien den Krieg. Eşrefs Einheit nahm an der Einnahme von Edirne am 23. Juli teil.[12]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Benjamin C. Fortna: The Circassian: A Life of Esref Bey, Late Ottoman insurgent and Special Agent. Hurst & Company, London, 2016, ISBN 9781849045780.


  1. Fortna: The Circassian. S. 2.
  2. Fortna: The Circassian. S. 23–25.
  3. Fortna: The Circassian. S. 23–24.
  4. Fortna: The Circassian. S. 13.
  5. Fortna: The Circassian. S. 26–29.
  6. Fortna: The Circassian. S. 31–38.
  7. Fortna: The Circassian. S. 38–45.
  8. Fortna: The Circassian. S. 51–69.
  9. Fortna: The Circassian. S. 69–81.
  10. Fortna: The Circassian. S. 83–91.
  11. Fortna: The Circassian. S. 91–92.
  12. Fortna: The Circassian. S. 92–97.