Benutzer:Miebner/Nagelschmiedeaufstand

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Der Nagelschmiedeaufstand war ein Maschinensturm, bei dem am 29. März 1848 zwei Nagelfabriken in den erzgebirgischen Orten Elterlein und Mittweida komplett zerstört wurden.

Vorgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

großer handgeschmiedeter Nagel (15 cm)

Das Westerzgebirge war ein Zentrum des Eisenerzbergbaus und -verhüttung. Im Tal der Mittweida wurde jahrhundertelang Eisenerzeugung und -verarbeitung betrieben. Der älteste urkundliche Hinweise hierzu betrifft den Raschauer Hammer, der 1402 erwähnt wurde. Mitte des 16. Jahrhunderts bestanden sieben dichtgedrängten Hammerhütten. Bedingt durch Konsolidierungen und Stilllegungen vorrangig aufgrund von Holzmangels waren Ende des 17. Jahrhunderts nur noch das Hammerwerk Obermittweida und ein Zainhammer in der Dorfmitte von Mittweida in Betrieb.[1] Letzterer wurde 1725/29 unter Samuel Oppel zu einem Drahthammer erweitert. Laut August Schumann hatte dieser um 1820 die zweitstärkste Drahtproduktion in Sachsen.[2] Von 1829 bis 1837 war Christian Gottlieb Ebert Besitzer dieses Drahthammers. Nachdem Karl Knackfuß, Besitzer eines Baumwollgarnlagers in Chemnitz, diesen erworben hatte, pachtete der Kaufmann Gustav Jahn dieses Grundstück, um darin gemeinsam mit August Bauer eine Strumpfstuhl- und Strumpfwarenfabrik zu errichten. Ein Jahr später gelang es ihm, ein 10 Jahre gültiges Privileg zum Bau rotierender Strumpfstühle zu erlangen, auf denen neben Strümpfen auch Unterhosen und -röcke hergestellt werden konnten, die er mehrfach auf Gewerbeausstellungen präsentierte.[3]

Die Nähe zur Eisenerzeugung bedingte, dass vor Ort zahlreiche Huf- und Nagelschmiede ihr Handwerk trieben (allein im Dorf Mittweida bestanden 1837 fünfzehn Schmiedewerkstätten[3]). Zünfte waren in den benachbarten Städten Schwarzenberg und Scheibenberg organiert. Mit Blick auf die lokale Gewerbetradition ergänzte Gustav Jahn 1841 sein Strumpfstuhl- und Strumpfwarenfabrik um die maschinelle Fertigung von Nägeln, ohne die hierzu nötige Gewerbekonzession vom sächsischen Staat zu besitzen. Erst nach entsprechender Anzeige durch den Hammerwerksinspektor Hasse beantragte er 1844 nachträglich die Konzession, die ihm von Kreisdirektion Zwickau unter der der Auflage erteilt wurde, dass er nur Nagelschmiede beschäftigen dürfe, die einer Zunft angehörten.[4][5]

Die Zerstörung der beiden Nagelfabriken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Standort der Jahnschen Nagelfabrik (vorn rechts)
Hammergrund Elterlein, Standort der Nagelfabrik von Leinbrock & Zimmermann

Hungersnot 1847

Märzrevolution 1848

29. März 1848

Zerstörung der Nagelfabrik Elterlein (Leinbrock & Zimmermann)

Zerstörung der Nagelfabrik Mittweida[6]

Prozess gegen die Aufständigen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bereits einen Tag nach dem Aufstand wurde begonnen, die beteiligten Nagelschmiede und Einwohner der Umgebung zu verhaften. In einem weitläufigen Prozess kam es zur Anklage von mehr als 130 Person. Zu den Verteidigern, die vor allem auf die Not und aussichtslose Lage der Nagelschmiede aufmerksam machten, zählten die Advokaten Constantin Cäsar Kellermann, Friedrich Gustav Weidauer und Heinrich Theodor Koch. Von dem Appellationsgericht Zwickau wurde der Aufstand im Dezember 1851 als Landfriedensbruch eingestuft. Nur ein geringer Teil der Angeklagten wurde freigesprochen. Gegen 59 Personen wurde eine Zuchthausstrafe zwischen drei und acht Jahren, gegen 48 eine Arbeitshausstrafe von vier Monaten bis drei Jahren und gegen zehn eine Gefängnisstrafe von 14 Tagen bis drei Monaten verhängt.[7]

Prozesse gegen den Staat.

Wiederaufbau der Nagelfabrikation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Nagelfabrik in Mittweida wurde im Sommer 1848 wieder aufgebaut. Nachdem Gustav Jahn zunächst nach Chemnitz und später nach Dessau übersiedelt war, um dort wiederum eine Nagelfabrik zu errichten, wurde das Etablissement 1854 zunächst an die Firma Nestler & Breitfeld verpachtet und schließlich 1864 an diese verkauft. Die Fabrik wurde bis zu ihrer Vernichtung durch Brand 1885 betrieben.

Die Besitzer der Elterleiner Maschinennagelfabrik, Leinbrock und Zimmermann, ließen sich in Glashütte nieder und gründeten dort ebenfalls wieder eine Maschinennagelfabrik.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gustav Jahn: Die Zerstörung der Maschinennagelfabrik in Dorf Mitweida bei Scheibenberg durch aufrührerische Arbeiter aus der Umgegend. Leipzig, 1848 (Digitalisat)
  • Siegfried Sieber. Erzgebirgische Nagelschmiede. In: Glückauf – Kultur- und Heimatblätter des Kreises Aue/Sa. 6 (1959), Heft 6, S. 108–111, Fortsetzung in Heft 7, S. 127–129.
  • Hans Becher: Der Aufstand der erzgebirgischen Nagelschmiede im Kreisamt Schwarzenberg 1848. In: Erzgebirge - ein Jahrbuch für Heimatkunde und Heimatgeschichte, Olbernau, 1973, S. 35–54.
  • Hermann-Josef Rupieper: Die Sozialstruktur der Trägerschichten der Revolution von 1848/49 am Beispiel Sachsen. In: Hartmut Kaelble et al.: Probleme der Modernisierung in Deutschland. Sozialhistorische Studien zum 19. und 20. Jahrhundert (= Schritfen des Zentralinstituts für sozialwissenschaftliche Forschung der Freien Universität Berlin Band 27), Westdeutscher Verlag, Opladen 1978, S. 80–109. ISBN 3-531-11430-1
  • Karl-Heinz Melzer: Märzgewitter im Raschaugrund 1848 – Aufstand der erzgebirgischen Nagelschmiede. In: Erzgebirgische Heimatblätter 26 (2004), Heft 2, S. 2–4. ISSN 0232-6078
  • Karsten Richter: Der Unternehmer Gustav Jahn (1806–1862): Ein aus dem Erzgebirge vertriebener Industriepionier. In: Erzgebirgische Heimatblätter 40 (2018), Heft 2, S. 25–29. ISSN 0232-6078

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Karsten Richter: Die Eisenhammerwerke im Mittweidatal im Spiegel der Schriften Christian Lehmanns (1611–1688), in: Martina Schattkowsky (Hrsg.): Das Erzgebirge im 16. Jahrhundert – Gestaltwandel einer Kulturlandschaft im Reformationszeitalter (Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde Band 44), Leipziger Universitätsverlag 2013, S. 201–233. ISBN 978-3-86583-737-0
  2. Unter-Scheibe. In: August Schumann: Vollständiges Staats-, Post- und Zeitungslexikon von Sachsen. 12. Band. Schumann, Zwickau 1825, S. 163–168.
  3. a b Karsten Richter: Der Unternehmer Gustav Jahn (1806–1862). Ein aus dem Erzgebirge vertriebener Industriepionier. In: Erzgebirgische Heimatblätter 40 (2018), Heft 2, S. 25–29. ISSN 0232-6078
  4. Siegfried Sieber. Erzgebirgische Nagelschmiede. In: Glückauf – Kultur- und Heimatblätter des Kreises Aue/Sa. 6 (1959), Heft 6, S. 108–111, Fortsetzung in Heft 7, S. 127–129.
  5. Hans Becher: Der Aufstand der erzgebirgischen Nagelschmiede im Kreisamt Schwarzenberg 1848. In: Erzgebirge - ein Jahrbuch für Heimatkunde und Heimatgeschichte, Olbernau, 1973, S. 35–54.
  6. Gustav Jahn: Die Zerstörung der Maschinennagelfabrik in Mittweida bei Scheibenberg durch aufrüherische Arbeiter aus der Umgegend, Leipzig, C. H. Hoßfeld, 1848 (urn:nbn:de:bvb:12-bsb10389011-5); ders.: Die Zerstörung der Maschinennagelfabrik in Dorf Mitweida bei Scheibenberg durch aufrührerische Nagelschmiede, Handarbeiter und Bauern aus der Umgegend. Kretschmar: Chemnitz 1848. (urn:nbn:de:bsz:14-ppn3220809758)
  7. Allgemeine Zeitung München, Jg. 1851, S. 5443

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