Benutzer:MishRa/Bücher/Das lange 19. Jahrhundert/Kaiserreich 1871 bis 1918

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Das Deutsche Reich 1871

Durch das Zugeständnis der Reservatrechte konnte Bismarck die süddeutschen Staaten zum Beitritt zum Norddeutschen Bund bewegen. Die Gründung des dadurch entstandenen Deutschen Reiches wurde am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal von Schloss Versailles vollzogen. Der preußische König erhielt den Titel eines Deutschen Kaisers.

Die Reichsverfassung von 1871 betonte das monarchische Element. Damit war aber die Zukunft Deutschlands entscheidend vom Geschick seiner Kaiser abhängig. Preußen verfügte über zwei Drittel der Landfläche und Bevölkerung und damit über ein Vetorecht bei Verfassungsänderungen im Bundesrat.

Bismarck verfolgte eine Politik wechselnder Bündnispartner (siehe auch Tendenzpolitik). Im Rahmen des Kulturkampfes von 1871 bis 1886 gegen die katholische Kirche verbündete Bismarck sich mit den Liberalen. Wenngleich einige Maßnahmen nach Beendigung des Kulturkampfes wieder zurückgenommen wurden, blieben zum Beispiel die Einführung der Zivilehe und die staatliche Aufsicht über das Schulwesen erhalten.

Wilhelm I.

Einen weiteren Gegner Bismarcks stellten die Sozialisten dar. Die Stimmung in der Öffentlichkeit nach einem Attentat auf Kaiser Wilhelm I. nutzte Bismarck 1878 zur Durchsetzung der Sozialistengesetze. Diese konnten die Verbreitung sozialistischer Ideen aber nicht verhindern.

Parallel dazu versuchte Bismarck durch eine Sozialgesetzgebung einer Radikalisierung der Arbeiter entgegenzuwirken. So wurde 1883 eine Krankenversicherung, 1884 eine Unfallversicherung und 1889 eine Rentenversicherung eingeführt. Weitergehende Forderungen der Sozialdemokraten lehnte Bismarck aber ab.

Wirtschaftlich wurde infolge des durch die Reichsgründung entstandenen einheitlichen Wirtschaftsraums und begünstigt durch die französischen Zahlungen von Kriegsentschädigung ein rasantes Wirtschaftswachstum ausgelöst. Dieses mündete aber 1873 in die Wirtschaftskrise („Gründerkrach“).

Werner von Siemens

Außenpolitisch verfolgte Bismarck eine Politik des Gleichgewichts der Großmächte. Durch den Aufstieg zur stärksten Großmacht auf dem Kontinent weckte Deutschland die Ängste seiner Nachbarn. Um Bündnisse der übrigen Großmächte gegen Deutschland zu verhindern, baute Bismarck mit diplomatischem Geschick ein Bündnissystem auf, das auf eine Isolierung Frankreichs hinauslief.

Um die Ängste der übrigen Großmächte zu dämpfen, verzichtete Bismarck nach der Krieg-in-Sicht-Krise 1875 auf territoriale Erweiterungen, stellte als Konzession an den Zeitgeist jedoch 1884 die kolonialen Erwerbungen deutscher Kaufleute unter den Schutz des Reiches. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Kolonien blieb jedoch gering.

Im Dreikaiserjahr 1888 starb Wilhelm I. und Wilhelm II. folgte seinem Vater Friedrich III., der todkrank nur 99 Tage regiert hatte. Als 1890 Wilhelm II. Bismarck als Reichskanzler entließ, folgte eine Kurswende in der deutschen Außenpolitik. Im Gegensatz zu seinem zurückhaltenden Vorgänger nahm der neue Kaiser die Außenpolitik selbst in die Hand (persönliches Regiment). Das führte zunehmend zu einer Isolation Deutschlands.

Die Innenpolitik war stark vom Strukturwandel und der sozialen Frage geprägt. Reichskanzler Caprivi (1890–1894) verfolgte einen Kurs sozialer Reformen. Weitere politische Reformen scheiterten jedoch.

Die Kanzlerschaft von Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst (1894-1900) brachte zwar innenpolitisch die Verabschiedung des Bürgerlichen Gesetzbuches, 1896 aber auch eine weitere Verschärfung des Konfliktes mit der Sozialdemokratie (Zuchthausvorlage), außenpolitisch den Beginn der imperialistischen deutschen Weltpolitik bei einer versuchten Wiederannäherung an Russland und einer Verschlechterung der Beziehungen zu Großbritannien (Krüger-Depesche, Samoa-Konflikt, Flottenwettrüsten). Der Selbstherrlichkeit des Kaisers konnte der alte Kanzler kaum etwas entgegensetzen. Unter dem Nachfolger Bernhard von Bülow (1900-1909), der die kaiserlichen Ambitionen offen unterstützte, nahm allerdings durch die „Daily-Telegraph-Affäre“ auch das Ansehen Wilhelms II. Schaden. Die Beziehungen zu England und Russland verschlechterten sich weiter. Der nächste Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg (1909-1917) versuchte einen Ausgleich mit England, konnte jedoch das Bündnissystem nicht durchbrechen. England hatte sich in Kolonialfragen mit Frankreich ausgeglichen, die Balkanfrage brachte Russland an die Seite der beiden Westmächte. Mit dem Deutschen Reich verbündet blieben Österreich-Ungarn und das Osmanische Reich.