Benutzer:Othmar Spona/Modlin (Pogrom 1939)

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In der Schlacht um Modlin wurde die Festung vom 13. September bis 29. September 1939 von deutschen Truppen belagert. Die Festung kapitulierte am 29. September 1939.

Modlin (Pogrom 1939)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Beim Pogrom in der Nähe von Modlin sollen durch eine deutsche SS-Einheit unter SS-Hauptsturmführer Kurt Meyer im Oktober 1939 Juden getötet worden sein. Hierbei soll es sich um das erste dokumentierte Kriegsverbrechen des Zweiten Weltkriegs handeln.

SS-Hauptsturmführer Kurt Meyer (Panzermeyer)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Verlauf der Kampfhandlungen um die Festung Modlin soll der SS-Hauptsturmführer Kurt Meyer (Panzermeyer), Kommandeur der 14. (Panzerabwehr-) Kompanie der Leibstandarte SS Adolf Hitler bei Modlin 50 Juden zusammengetrieben und erschossen haben.[1][2] Dies sei einem Alliierten Untersuchungsbericht zu entnehmen.[1] Kurt Meyer berichtet in seiner Autobiographie, dass er ab 18. September 1939 mit der Leibstandarte SS Adolf Hitler, zu dieser Zeit in der Gliederung eines Infanterie-Regiments (mot.) und der 4. Panzer-Division unterstellt, an dem Angriff auf die Festung Modlin teilnahm.[3]

Leibstandarte SS Adolf Hitler 22. bis 27. September 1939 vor Modlin[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den Waldstücken südlich von Modlin kommt es zu sehr harten Kämpfen mit der polnischen Armee. Das I. Bataillon (1. - 5. Kompanie) der Leibstandarte SS Adolf Hitler wird hier von überlegenen polnischen Kräften angegriffen und eingeschlossen. Am 19. September 1939 befiehlt der Kommandeur der 4. Panzer-Division, Generalleutnant Georg-Hans Reinhardt, der Leibstandarte SS Adolf Hitler den Entsatz des I. Bataillons und den Durchbruch zur Weichel. Der Angriff wird von der II. Abteilung des Panzer-Regiment 35 unterstützt. Meyer berichtet, dass während dieses Angriffs die Leichen des Obersturmführers Bruchmann[A 1], Zugführer der 14. (Panzerabwehr-) Kompanie der Leibstandarte SS Adolf Hitler und eines Unterführers des I. Bataillons gefunden wurden. Beide seien während der Einschließung verwundet in polnische Gefangenschaft geraten und anschließend schwer verstümmelt worden.[4] Nach der Stellenbesetzungsliste von 28.08.1939 heißt der Zugführer Brüchmann.[5] Da der Bericht nur in Kurt Meyers Autobiografie[3] auftaucht und auch nicht in der HIAG-nahen Monografie[5] aus dem Munin-Verlag erwähnt wird, ist diese Erzählung als nicht verifiziert zu betrachten. Nach dem 27. September 1939 werden die Einheiten der Leibstandarte SS Adolf Hitler Richtung Warschau verlegt und am 28. September 1939 kapituliert Warschau. Noch vor Beendigung des Feldzuges in Polen verlegte die Leibstandarte Ende September 1939 ins Protektorat Böhmen und Mähren.[4]

Die Leibstandarte SS Adolf Hitler war vom 22. bis 27. September 1939 vor Modlin eingesetzt, verlegte am 02.10.1939 aus dem Raum Warschau nach Prag und soll das Pogrom an 50 Juden in Modlin aber im Oktober verübt haben.

Lieb bezieht sich in seiner Aussage auf die britischen Gerichtsunterlagen zu den Kriegsverbrechen der 12. SS-Panzer-Division „Hitlerjugend“.[6] Hier befindet sich lediglich der Eintrag:

Reported but Unverified against Civilians.

Sub Heading: By Meyer against civilians

1939/Modlin/14/LAH/Meyer/50 Polish Jews (TS26/856 Seite 23)

Der Eintrag ist als nicht überprüft gekennzeichnet.

Leutnant Alfred Lengenfeld[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die nicht verifizierte Beschuldigung beruht auf der Aussage eines Leutnants Alfred Lengenfeld, 14. Kompanie des Fallschirmjäger-Regiment 8 der 3. Fallschirmjäger-Division in britischen Verhörprotokollen (‘Interrogation of Lt. Alfred Lengenfeld‘, 21 September 1944, PWIS(H) LDC/358, NA RG332, ETO Interrogations Reports, Box 30.) (‘Report on the Interrogation of 1st Lt. Alfred Lengenfeld’, 21 September 1944, PoW Interrogation Section (MIS-Y) PWIS(H)/ LDC/358, RG498, UD 228, Box 1250).[7][8]

Leutnant Alfred Lengenfeld wurde am 04. September 1944 bei Hasselt, Belgien gefangengenommen und am 21. September 1944 in Großbritanien verhört. Er sagte aus, dass er Kurt Meyer, der "ein großartiger Athlet und ein versierter Reiter und Motorradfahrer" war, gut kenne.[8]

Lengenfeld gab an, im November 1937 in Berlin in die Leibstandarte Adolf Hitler eingetreten zu sein und mit dieser am Überfall an Polen teilgenommen zu haben. Im Oktober 1939 habe er von seinem Kompaniechef SS-Hauptsturmführer Kurt Meyer den Befehl erhalten, 50 polnische Juden als Repressalie zu erschießen. Er habe dann den Befehl  verweigert und wurde von einem Kriegsgericht im Oktober 1939 aus dem Dienst mit "Ausstoß mit Schimpf und Schande" entlassen und für „wehrunwürdig" erklärt worden. Er berichtete nur von der Befehlsverweigerung. Ob die Exekution ausgeführt wurde wird nicht berichtet und bleibt offen. Er sei außerdem zu zwei Jahren Haft in einem Konzentrationslager verurteilt und in das KZ Buchenwald verbracht worden. Im Februar 1943 sei er wieder in den Dienst in die Wehrmacht aufgenommen worden und hätte im Februar 1944 seinen alten Dienstrang zurück bekommen.[7][8]

Sein richtiger Name war allerdings Alfred Lenge und die von ihm erzählte Geschichte stimmte nicht.[8][7]

SS-Untersturmführer Alfred Lenge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lt. Alfred Lenge alias Alfred Lengenfeld, Auszug aus dem Verhörprotokoll WO208/4295 p. 363, , Papers recovered from Lt Col A P Scotland: reports of atrocities in European theatre of operations, 1944 June-1948 May, The National Archives, Kew

Im Dezember 1944 zog der Kriegsgefangene bei einem erneuten Verhör seine Aussage bezüglich der Erschießung der 50 Juden zurück. Im Verhörprotokoll ist vermerkt, dass der Kriegsgefangene versuchte, die Aufmerksamkeit der Verhöroffiziere zu erlangen, indem er Vorschläge für besondere Aufträge und Pläne zur Unterstützung der Alliierten Seite vorbrachte. Er hatte einen falschen Namen angegeben und wie in einem solchen Fall üblich keine Dokumente mehr, die seine wirkliche Identität belegten.[9] Im weiteren Verhör konnte die wahre Identität und der Hintergrund geklärt werden. Im Verhörprotokoll ist angegeben, dass er unter dem Verhör letztendlich zusammenbrach. Da die Quelle WO 208/4295 aus dem Bestand von Lieutenant Colonel Alexander Scotland, dem Kommandanten des geheimen MI19 Militärgefängnisses "London Cage" des Combined Services Detailed Interrogation Centre stammt, wurde der Kriegsgefangene hier verhört. Der Terminus "Er zog die Aufmerksamkeit auf sich" bezieht sich sicherlich auf die Überstellung an MI19 und der Terminus "brach zusammen" kann sich auf Folter beziehen.

Abschließend konnte MI19 im Verhör klären, dass es sich bei dem Kriegsgefangenen in Wirklichkeit um SS-Untersturmführer Alfred Lenge von der 2. Kompanie der SS-Panzerjäger-Abteilung 9 der 9. SS-Panzer-Division „Hohenstaufen“ handelte.[9]

In den Führerlisten der SS ist Alfred Lenge im Januar 1939 in der 14. (Panzerabwehr-) Kompanie der Leibstandarte SS Adolf Hitler und im August 1944 in der SS-Panzerjäger-Abteilung 9 vermerkt. Er wurde am 4. September 1944 als vermisst gemeldet.

Als Grund für seine Aussagen gab er den Plan an, sich bei den Alliierten einzuschmeicheln, damit er mit einem Auftrag nach Deutschland geschickt würde, um dort aber erneut für das Vaterland zu kämpfen.[8]

Die Geschichte mit der Erschießung von 50 Juden bei Modlin wurde abschießend als falsch bewertet und fand dann konsequenterweise auch keine Aufnahme in die Anklage gegen Kurt Meyer (Panzermeyer) am 10. Dezember 1945 in Aurich.

SS-Hauptsturmführer Hermann Müller-John[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Narrativ um die 50 zusammengetriebenen polnischen Juden stammt sicherlich aus der Geschichte um das Massaker von Błonie, die allen Beteiligten sicher bekannt war. SS-Leibstandarten-Obermusikmeister Hauptsturmführer Hermann Müller-John war der Musikdirektor des Musikkorps der Leibstandarte SS Adolf Hitler. Er ließ wahrscheinlich in der Nacht vom 18./19. September 1939 bei Błonie in der Woiwodschaft Masowien 50 zusammengetriebenen polnischen Jude erschießen.[10][11][12]

Westemeier schreibt:

"Hauptsturmführer Hermann Müller-John ging mit seinen Männern regelrecht auf Judenjagd und mordete wahllos. Dies geschah Mitte 1939 im Gebiet Burzeum nahe der Stadt Blonie auf so barbarische Weise, dass die Wehrmacht, die das Tun der SS bisweilen auch schon mal hinwegsah, Müller-John sofort verhaftete."[10]

Burzeum wird nicht identifiziert. Möglicherweise liegt hier ein Schreibfehler vor und das Gebiet um den Fluss Bzura, das Bzura-Becken und die Schlacht an der Bzura sind gemeint. Błonie liegt 30 km südöstlich von Modlin. Müller-John wurde inhaftiert und sollte von einem Kriegsgericht verurteilt werden. General Walter v. Reichenau, Oberbefehlshaber der 10. Armee, informierte am 19. September 1939 angewidert seinen Vorgesetzten, Generaloberst Gerd v. Rundstedt, Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Süd.[10][13] Dieser befahl Hermann Müller-John aburteilen zu lassen. Hermann Müller-John wandte sich an SS-Obergruppenführer Sepp Dietrich, den Kommandeur der Leibstandarte SS Adolf Hitler, mit der Bitte um Hilfe:[10]

»Bin wegen Erschießung jüdischer Verbrecher über Div. durch A.O.K. bis Klärung verhaftet. Bin nach Abgabe des Ehrenwortes beim Werkstattzug. Bitte Freilassung beim A.O.K. durchsetzen, gab im Protokoll an, um Männer zu decken, dass es Gefangene der L.A.H. waren.«[10]

Nach Darstellung des SS-Hauptsturmführer Wilhelm Keilhaus und des SS-Hauptsturmführer Walther Ewert, war der Omnibus des Musik-Korps bei einem Halt auf dem Platz eines ein paar Tage zuvor eingenommenen Städtchens aus einer Häusergruppe beschossen worden. Dabei hatte es mehrere Tote und Verwundete gegeben. Die Männer des Musik-Korps und Angehörige einer ebenfalls dort haltenden Sanitäts-Kolonne des Heeres sollen dann, auf Befehl von Müller-John, die Häusergruppe durchsucht, Waffen gefunden und die Männer zunächst gefangen und dann erschossen haben.[13]Dabei hätte es sich um ca. 50 Personen, von denen einige auch dem jüdischen Glauben angehörten, gehandelt.[13]

Im Verhör am 29.08.1944 gab SS-Sturmbannführer Hans-Jakob Hanreich an, dass sich der Vorfall zwischen dem 20. und 25. September 1939 ereignet habe. Männer des Musikkorps der Leibstandarte SS Adolf Hitler hätten auf Befehl von Obermusikmeister Müller-John im Gebiet von Burzeum 3 km westlich von Warschau mindestens 50 Juden ermordet. Die zum Erschießen Ausgesuchten hätten ihre Gräber ausheben müssen und seien dann davor aufgestellt und erschossen worden.[2][14][15]

Sepp Dietrich bestand auf einer umgehenden Freilassung Müller‐Johns und erreichte durch seine Beziehungen Hitlers Anordnung Hermann Müller-John aus der Haft zu entlassen.[10]

Hermann Müller-John[A 2] beging mit Seiner Frau[A 3] und Tochter[A 4] am 08.05.1945 Suizid in Itter in Tirol. Als Grund wird angegeben, er hätte mit dem Suizid die 1939 im Polenfeldzug begangene Erschießung von 50 polnischer Zivilisten, darunter zahlreicher Juden, zu sühnen versucht.[13]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Peter Lieb: Konventioneller Krieg oder NS-Weltanschauungskrieg?: Kriegführung und Partisanenbekämpfung in Frankreich 1943/44. In: Institut für Zeitgeschichte (Hrsg.): Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte. Band 69. R. Oldenbourg Verlag, München 2007, ISBN 978-3-486-57992-5, S. 159.
  2. a b Stephen Tyas: Allied Intelligence Agencies and the Holocaust: Information Acquired from German Prisoners of War. In: Holocaust and Genocide Studies. Band 22(1), Mai 2008, S. 11.
  3. a b Kurt Meyer: Panzermeyer: Grenadiere. 1. Auflage. Schild Verlag, München 1957, S. 13.
  4. a b Kurt Meyer: Panzermeyer: Grenadiere. 1. Auflage. Schild-Verlag, München 1957, S. 14.
  5. a b Rudolf Lehmann: Die Leibstandarte. 1. Auflage. Band 1. Munin Verlag, Osnabrück 1977, ISBN 978-3-921242-31-5, S. 144.
  6. HM Procurator General and Treasury Solicitor Office: TNA, TS 26/856. Report of the Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force. Court of Inquiry. Shooting of Allied Prisoners of War by 12 SS Panzer-Division (Hitler-Jugend) in Normandy, France 7-21 June 1944. In: HM Procurator (Hrsg.): Treasury Solicitor and HM Procurator General: War Crimes Papers. The National Archives, Kew April 1945, S. 23.
  7. a b c Alexander Paterson Scotland: Papers recovered from Lt Col A P Scotland: reports of atrocities in European theatre of operations. In: The National Archives (Hrsg.): WO 208/4295. Kew 1944.
  8. a b c d e Danny S. Parker: Parker, D: Peiper's War: The Wartime Years of SS Leader Jochen Peiper, 1941-44. 1. Auflage. Pen & Sword Books Ltd, South Yorkshire 2019, ISBN 978-1-5267-4342-8.
  9. a b Alexander Paterson Scotland: Papers recovered from Lt Col A P Scotland: reports of atrocities in European theatre of operations. Hrsg.: The National Archives. WO 208/4295. Kew 1944, S. 363.
  10. a b c d e f Jens Westemeier: Himmlers Krieger: Joachim Peiper und die Waffen-SS in Krieg und Nachkriegszeit. 1. Auflage. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2013, ISBN 978-3-506-77241-1, S. 140–141.
  11. Tim Ripley: Hitler's Praetorians: The History of the Waffen-SS 1925-1945. Spellmount Limited, Staplehurst 2004, ISBN 1-86227-248-4, S. 37.
  12. Hermann Graml: Die Wehrmacht im Dritten Reich. Hrsg.: Karl Dietrich Bracher Hans-Peter Schwarz Horst Möller. 45. Jahrgang, Heft 3. Institut für Zeitgeschichte, München Juli 1997, S. 373.
  13. a b c d Rudolf Lehmann: Die Leibstandarte. 1. Auflage. Band 2. Munin Verlag, Osnabrück 1980, ISBN 978-3-921242-42-1, S. 326–327.
  14. Interrogation report of SS-Major Hanreich. In: PWIS(H)/LDC/299. TNAK, WO 208/3647, August 1944.
  15. HM Procurator General and Treasury Solicitor Office: TNA, TS 26/856. Report of the Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force. Court of Inquiry. Shooting of Allied Prisoners of War by 12 SS Panzer-Division (Hitler-Jugend) in Normandy, France 7-21 June 1944. In: HM Procurator (Hrsg.): Treasury Solicitor and HM Procurator General: War Crimes Papers. The National Archives, Kew August 1945, S. 231.

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.: Obersturmführer Johannes Bruchmann, Todes-/Vermisstendatum 19.09.1939, bei Brochow an der Bzura, Johannes Brüchmann konnte im Rahmen unserer Umbettungsarbeiten nicht geborgen werden. Die vorgesehene Überführung zum Sammelfriedhof Joachimow-Mogily, Joachimow war somit leider nicht möglich. Sein Name ist auf dem o.g. Friedhof an besonderer Stelle verzeichnet.
  2. Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.: Hermann Müller-John, Todes-/Vermisstendatum 14.05.1945, Itter, Kriegsgräberstätte in Innsbruck-Amras, Block H.
  3. Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.: Frieda Müller-John, Todes-/Vermisstendatum 14.05.1945, Itter, Kriegsgräberstätte in Telfs, Einzelgrab.
  4. Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.: Irene Müller-John, Todes-/Vermisstendatum 14.05.1945, Itter, Kriegsgräberstätte in Telfs, Einzelgrab.