Benutzer:Roland.M/Ludwig Bickell

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Ludwig Bickell, 1873

Ludwig Theodor Alexander Bickell, meist Ludwig Bickell (* 13. September 1838 in Marburg; † 20. Oktober 1901 ebenda) war Jurist, Fotograf und seit 1892 der erste hauptamtliche Bezirkskonservator in Hessen.

Neben seinem Pionierleistungen auf dem Gebiet der Denkmalpflege, wodurch er in der Zeit des gründerzeitlichen Baubooms viele Baudenkmäler vor dem Abriss bewahrte, begründete er im Zuge seiner umfangreichen Sammlungstätgkeit 1868 das heutige Marburger Universitätsmuseum für Kulturgeschichte. In diesem Zusammenhang wird ihm die Entdeckung mehrerer eigenständiger Kunsthandwerke wie z.B. des Ofenbaus, der Töpferei oder der Stickerei als Gegenstand einer denkmalpflegerischen Betrachtung und Überlieferung zugeschrieben. Darüber hinaus hinterließ Bickell rund 2.800 Fotografien heute vielfach nicht mehr erhaltener hessischer Bauten und Kunstobjekte.

Durch seine zahllosen, weit über die Architektur und die Fotografie hinausreichenden und bis zur Meisterschaft passioniert verfolgten Interessen verkörperte er einen klassischen Universalgelehrten des 19. Jahrhunderts. Zeit seines Lebens in seinem Geburtsort wohnend galt er in der zweiten Jahrhunderhälfte aufgrund seines altertümlichen Erscheinungsbildes sowie seines exzentrischen und streitbaren Wesens zudem als oft karikiertes Marburger Stadtoriginal.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Familie und Vorfahren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Karl Wilhelm Bickell, Ludwig Bickells Vater, wahrscheinlich um 1835
(Ölgemälde auf Leinwand)

Ludwig Thedor Alexander Bickell wurde am 13. September 1838 als viertes Kind seiner Eltern in Marburg geboren.[1] Der damals als Kreissekretär tätige[1] Karl Wilhelm Bickell (1796–1864)[2] und seine Frau, Gertrud Wilhelmine, geborene Giller (1803–68),[3] wohnten zu dieser Zeit im noch heute existierenden Fachwerkhaus Barfüßerstraße 48.[4] Drei zuvor geborene Kinder, Marie Johanne Friederike (1833–35),[5] Friedrich Wilhelm (1834–35)[6] und Johanne (1836)[7] hatten kaum das Säuglingsalter überlebt. Zwei Jahre später folgte Ludwig noch ein jüngerer Bruder, Karl Theodor (1840–58),[8] nach, sechstes und letztes Kind war ein namensloses, 1843 totgeborenes Mädchen.[9]

Der Name Bickell lässt sich bis an das Ende des 16. Jahrhunderts nach Rengshausen zurückverfolgen, wo der Ur-Ur-Ur-Ur-Urgroßvater, ein Bauer, als Henn Bickel um 1580 geboren wurde.[10] Allerdings stützt sich dessen Filiation zum nächsten, eindeutig als Vorfahren zu belegenden Spross der Familie einzig auf ein nicht sicheres Sterbedatum, angeblich 1635.[11] Dabei handelt es sich um den im selben Ort geborenen Jost Bickell (1609–98),[12] tätig als Schafmeister und Hofmann im Kloster Haydau.[13][14]

Anna Maria Bickell, geborene Oeste, die Großmutter von Ludwig Bickell väterlicherseits
(Ölgemälde auf Leinwand von Ludwig Christian Hach)

Die Beziehung der Bickells zu Marburg begann schon mit Josts Sohn, dem vermutlich in Altmorschen geborenen Antonius Bickell (wohl kurz vor 1647–1701), der 1673 in Marburg zum Studium der Theologie immatrikulierte, als Magister promovierte und später als Pfarrer arbeitete. Sein Sohn, der in Velmeden geborene Johann Justus Bickell (1688–1737), schlug den gleichen Berufsweg ein. 1707 immatrikulierte er in der Stadt und war dort nach absolviertem Studium der Theologie fünf Jahre Waisenhauslehrer, bevor er als Pfarrer nach Gensungen ging.

Seßhaft wurden Bickells in Marburg jedoch erst zwei Generationen später. 1789 kaufte Ludwig Bickells Großvater, der in Hesslar als Sohn des Försters Johann Heinrich Bickell (1720–83) geborene Alexander Wilhelm Bickell (1752–1810), dort das Haus Markt 21. Wie sein Vater bekleidete er seit 1788 das Amt eines Oberförsters in Marburg, 1798 wurde er gar zum Major und Oberschützenmeister befördert. Sein fünftes von insgesamt sieben Kindern aus der 1787 geschlossenen Ehe mit Anna Maria Oeste (1765–1843) war Bickells Vater, der noch bis zu seiner Hochzeit im Jahre 1831 im elterlichen Haus lebte.

Auch die Wurzeln von Bickells Mutter lassen sich bis in das 16. Jahrhundert zurückverfolgen. Der Ur-Ur-Ur-Urgroßvater mütterlicherseits war demnach der dreimal verheiratete Henrich Giller (1598–1676). Sein Geburtsort ist ebenso wie sein Beruf unbekannt, er starb in Schweinsberg.

Sein Sohn Johann Melchior Giller, u.a. tätig als Ratsverwandter und Wirt, verließ das elterliche Schweinsberg nie, hinterließ jedoch eine reiche Nachkommenschaft, hatte er doch ebenso wie sein Vater drei Ehen, wobei alleine der ersten neun Kinder entsprangen. Eines davon war der Ur-Urgroßvater müttlicherseits, Georg Simon Giller (1683–1735), der ebenso wie der väterliche Ur-Urgroßvater in Marburg Theologie studierte und sogar im selben Jahr wie dieser, 1707 immatrikulierte. Später war er Pfarrer in Hermannstein und Lohra.

Mit der Generation seines Sohnes, dem Perückenmacher Johann Dieterich Conrad Giller (1728–89), wurden die Gillers in Marburg ansäßig. Der Großvater mütterlicherseits, Johann Christoph Friedrich Giller (1764–1841), arbeitete sich dann über Jahrzehnte von anfänglicher Tätigkeit als Schreiber und Hauslehrer in den 1780er Jahren bis zum Hofrat im Jahre 1835 hinauf und wurde 1834 sogar zum Ehrenbürger der Stadt Marburg ernannt. Seiner 1800 geschlossenen Ehe mit Maria Catharina Brethauer (1774–1849) entstammte als zweites von vier Kindern Ludwig Bickells Mutter.

Elternhaus und Kindheit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bickell(rechts) mit seinem jüngeren Bruder Karl Theodor, um 1850
(Ölgemälde auf Leinwand)

Der familiäre Hintergrund lässt erkennen, in welch intellektuelles Umfeld Ludwig Bickell hineingeboren wurde. Der frühe Tod fast aller Geschwister bis auf den jüngeren Bruder, der jedoch auch im Alter von nur 18 Jahren als Bäckerlehrling verstarb, führte dazu, dass die Eltern ihre gesamten erzieherischen Anstrengungen auf ihn konzentrierten. Auch die Erwartungen müssen anbetrachts der Karrieren der Vorfahren wie Verwandten – 1846 avancierte Bickells Onkel, Johann Wilhelm Bickell (1799–1848), zum kurhessischen Justizminister – gewaltig gewesen sein. So stand denn dann auch praktisch seit frühester Kindheit fest, dass er eine juristische Laufbahn einschlagen und seinem Vater nachfolgen sollte.

Andererseits versuchten die Eltern ständig, Bickell vor zu starken Anstrengungen zu schützen, da auch er das ausgeprägte astmathische Leiden seines Vaters geerbt hatte, was vermutlich hauptverantwortlich für den frühen Tod der anderen Geschwister war. Sein langjähriger Freund, der bedeutende Marburger Archivar Karl Friedrich Gustav Könnecke, dem er sich als praktisch einzigen Menschen anvertraute, hielt später fest, dass er vor diesem Hintergrund völlig verzogen worden sei. So habe er sich schon von Jugend an erlaubt, Rücksichtnahme stets in unbeschränktem Maße von anderen zu fordern, ohne selbst daran sich gewöhnt zu haben, andern gegenüber solche zu üben.

Ansicht von Marburg von Nordosten, zwischen 1826 und 1850
(Stahlstich)

Die Jahre der frühen Kindheit verlebte Bickell in Marburg. 1840 zog die Familie in das aus dem 17. Jahrhundert stammende Fachwerkhaus Barfüßerstraße 40, 1847 in das Bickell'sche Stammhaus Markt 21, das Haus des Großvaters, in dem auch die Schwiegermutter des Vaters, Maria Catharina Giller, als Witwe ihre letzten Jahre verbrachte. Der junge Ludwig Bickell besuchte zu dieser Zeit das örtliche Gymnasium, das spätere Gymnasium Philippinum, nachdem er bereits zuvor die Marburger Bürgerschule und das Progymnasium absolvierte hatte.

Im Revolutionsjahr 1848 wurde sein Vater zum Landrat in Witzenhausen befördert, was einen Umzug der Familie nötig machte. Obgleich Marburg Mitte des 19. Jahrhunderts mit seinen weniger als 7.000 Einwohnern kaum mehr als ein Provinznest darstellte, bot es als alte Universitätsstadt jedoch eine große Anzahl an Bildungseinrichtungen und durch die hier weilenden Studenten aus ganz Deutschland ein überdurchschnittlich intellektuelles Klima.

Der am äußersten Rande Kurhessens gelegene neue Arbeitsplatz des Vaters war im Vergleich dazu ein Dorf und besaß nicht einmal eine höhere Schule. Die nächste Einrichtung dieser Art lag nun im etwa 20 Kilometer entfernten Hannoversch Münden, eine Strecke, die bei den damaligen Verhältnissen und anbetrachts des kränkelnden Zustandes ihres Sohnes für die Eltern nicht zumutbar erschien. Bickell erhielt daher ab dato Unterricht von einem Privatlehrer, einem Studenten der Theologie, der jedoch mehr seine naturwissenschaftlichen denn seine theologischen Interessen nachhaltig förderte.

Rückkehr nach Marburg und Jugend[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1853, also im Alter von 15 Jahren, wurde Bickell zusammen mit seinem Bruder nach Marburg zurückgeschickt, wo er in die Quarta des Gymnasiums eintrat. Da es damals noch kein Internat gab, kamen beide bei zunächst einem Vetter mütterlicherseits unter. Eckhard Collmann, der auch Lehrer am Gymnasium war, wohnte seit 1852 im Eckhaus Grün 17, ab 1855 im aus dem 13. Jahrhundert stammenden Steinhaus Markt 18. Bickell selbst wohnte aber sehr bald eigenständig und auch in kurzen Abständen in sehr zahlreichen Häusern der Stadt, so ungefähr zwischen 1856 und 1858 in der Wettergasse 4, 1858 in der Ritterstraße 13 und ab 1859 in der Untergasse 4.

Aufgrund seines weiter regelmäßig aufflammenden Asthmas lag er mittlerweile deutlich über dem Altersdurchschnitt seines Jahrgangs und hatte nun auch deswegen ständige Hänselungen zu ertragen. Zusätzlich zu dem hohen Krankenstand trat nun aber auch noch die örtliche Trennung von den Eltern hinzu, eine Belastung, die in einem nun einsetzenden ständigen Briefwechsel mit diesen dokumentiert ist.

Aus den Briefen an die Eltern lässt sich wenig später aber auch erstmals ein historisches Interesse erkennen, denn 1854 berichtete Bickell detailliert über Ausgrabungen in der Elisabethkirche. Auch die Breite seiner Beschäftigung mit den „Altertümern“ wird bereits deutlich, als er nicht nur sehr genau über einzelne Gegenstände wie etwa die Griffe von Schwertern schrieb, die man in einer Gruft fand, sondern auch über die Orgel der Kirche. Schließlich bat er um die Übersendung eines Schmetterlingskastens, wenig später um einen solchen für Edelsteine, was zusätzlich eine erwachende Sammelleidenschaft bezeugt. Die Elisabethkirche bildete zusammen mit dem Landgrafenschloss – damals als Gefängnis dienend – auch die folgenden Jahre das Zentrum von Bickells historischem Interesse und war Thema zahlloser Schreiben an die Eltern.

Trotz ihrer Abwesenheit und seiner gesundheitlichen Verfassung, die teils zu über hundert Fehlstunden pro Schulhalbjahr führte, war Bickell ein durchweg guter Schüler. Ein erhaltenes Zeugnis aus dem Jahre 1858 bescheinigte „untadelhaftes“ Verhalten und „genügenden“ Fleiss sowie gute Noten in nahezu allen Fächern. Zwar spät, im Alter von 21 Jahren, aber problemlos absolvierte Bickell Ostern 1860 dann auch das Abitur.

Bickell als Student[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bickell als Student mit Couleurband der Arminia, nach 1859

Am 9. Juni 1860 begann Bickell in seiner Heimatstadt mit dem Studium der Kameralwissenschaften. Der Studiengang umfasste damals einen sehr breiten Kanon an Fächern: neben naheliegenden Disziplinen wie Jura und Philosophie standen auch Experimentalphysik, Chemie, Zoologie, Mineralogie und sogar Gerichtsmedizin auf dem Lehrplan. Dem daraus erwachsenden Arbeitspensum zum Trotz begründete Bickell im Sommer seines Studienbeginns mit sechs Kommilitonen den Marburger Zweig der Verbindung Arminia. Deren großdeutsche politische Gesinnung sowie die Ablehnung Preußens einerseits, der dort herrschende liberale Ton andererseits entsprachen ganz den wenigen bekannten politischen Äußerungen des angehenden Juristen.

Nachdem er zwischen Schule und Studium praktisch keinerlei Leerlauf gehabt und Kurhessen auch noch nie verlassen hatte, entschied sich Bickell nach zwei Jahren des Studiums für einen Wechsel nach Leipzig. Offizieller Beweggrund war, sich dort stärker der modernen Nationalökonomie, vor allem beim dort lehrenden Wilhelm Roscher widmen zu wollen. Eigentlich ging es aber zweifellos darum, erstmals eine der damals am schnellsten wachsenden deutsche Großstädte zu sehen, die schon mehr als das Zehnfache an Einwohnern des im Vergleich dazu provinziellen Marburg aufwies.

Mit einem Pass sowie einem Heimatschein, die ihm beide sein Vater als Landrat selber ausgestellt hatte, verliess Bickell im späten Frühjahr 1862 Marburg in Richtung des Königreichs Sachsen, und schrieb sich am 3. Mai des Jahres in Leipzig ein. Sein Interesse für die Kunst wurde hier durch die Teilnahme an Vorlesungen der antiken Kunstgeschichte unter Johannes Overbeck weiter gefördert, ebenso durch Besuche der großen musealen Sammlungen der Stadt und im nicht fernen Dresden.

Daneben entdeckte Bickell bei regelmäßigen Besuchen von Konzerten des Gewandhausorchesters seine Begeisterung für die Musik. Auch mit den großen Orgeln der Stadt, für die er sich bereits in seiner Heimatstadt interessiert hatte, beschäftigte er sich eingehend. Schließlich nutzte er Besuche im Erzgebirge, wo im Rahmen des Regelstudiums Besuche von Bergwerken anstanden, seine freie Zeit zur Besichtigung der zahlreichen kleinen Kirchen.

Ostern 1863 kehrte Bickell nach Marburg zurück und wohnte nun wahrscheinlich im Haus Steinweg 12. Neben der erheblichen Erweiterung des kulturellen Horizonts hatte er auch die juristische Ausbildung so weit vorangetrieben, dass er sich bereits im Frühjahr des Folgejahrs dem Examen der Kameralwissenschaften unterziehen konnte. Die 11 Fächer umfassende Prüfung behandelte Themen wie europäische Staatsgeschichte, Polizewissenschaft und Staatsrecht ebenso wie Mineralogie, Statistik, Physik oder Chemie. Bickell schnitt in allen wenigstens mit „genügend“, in „Technologie“ sogar „gut“ ab.

Auch bei seinen Lehrern hatte er offenbar Eindruck hinterlassen, so bescheinigte 1867 der Jurist Conrad Büchel, bei ihm handle es sich um „einen unserer fähigsten jungen Männer, die er zu jeder Beföderung bestens empfehlen könne“. Mitte 1864 absolvierte er in Kassel dann auch das Staatsexamen, das er in der mündlichen Prüfung mit „sehr gut“, im schriftlichen Teil mit „gut“ abschloss, womit das Studium beendet war.

Erste Schritte im Staatsdienst und die Lebenswende[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Johann Wilhelm Bickell, zuletzt kurhessischer Justizminister, um 1830
(Ölgemälde auf Leinwand)

Als Bickell am 2. Januar 1865 eine Zusage des kurhessischen Innenministeriums erhielt, als Referendar eine Anstellung im Staatsdienst zu erhalten, sah zunächst alles danach aus, als würde er die familiären Traditionen fortführen. Weder sein als Minister tätiger Onkel noch sein Vater konnten sich jedoch daran erfreuen noch Einfluss darauf nehmen, waren ersterer doch schon am 23. Februar 1848, letzterer am 30. November 1864 verstorben. Am 06. April 1868 folgte dann auch noch die schon länger pflegebedürftige Mutter – Bickell wohnte zusammen mit ihr in der Marktgasse 17 – und somit die letzte direkte Bezugsperson Bickells dem Vater nach.

Ein Jahr nach Aufnahme der Tätigkeit unter diesen schwierigen Umständen, die er zu seinem Glück im heimatlichen Marburg ausüben konnte, folgte der nächste, für den überzeugten Kurhessen Bickell durchaus als persönlich zu bewertende Schlag: Preußen annektierte den kurhessischen Staat und damit seinen Arbeitgeber. Verschiedene Faktoren spielten nun zusammen: ohne das strenge Elternhaus im Hintergrund fehlte eine wichtige treibende Kraft, die berufliche Laufbahn fortzusetzen, vor allem aber war es dem Bickell zuwider, trotz eines Angebots, in Kassel unter dem neuen Staatsherren weiterzuarbeiten. Wohl schon seit Beginn seiner beruflichen Laufbahn in dem Zwiespalt, entweder einem ordentlichen Beruf nachzugehen, der ein gutes finanzielles Auskommen sicherte, oder aber die Interessen im historischen und kunsthistorischen Felde zu verfolgen, gewann letzteres nun endgültig die Oberhand.

Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Fotografie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neben der Sammlungstätigkeit muss die fotografische Arbeit als der bedeutendste Posten von Bickells Gesamtwerk angesehen werden. Trotzdem sind die zahllosen Notizen und Aufzeichnungen Bickells über seine fotografische Tätigkeit bis heute nicht zusammenhängend gesichtet und erarbeitet, sodern nur in ausschnitthaften Einzelbeiträgen beleuchet worden.

Am besten nachvollziehbar ist die Chronologie Bickells fotografischer Tätigkeit. Vermutlich schon 1853, als er als Gymnasiast nach Marburg zurückgekehrt war, hatte er erstmals Kontakt mit dem damals noch sehr jungen Medium. In direkter Nachbarschaft seiner Unterkunft, ab Dezember 1855 das Haus Markt 18, wohnte nämlich im Haus Markt 22 der Universitätsmaler, Zeichenlehrer und Fotograf Ludwig Christian Hach (1799–1873). Ab etwa Mitte der 1850er Jahre experimentierte dieser mit dem damals neuen, nassen Kollodium-Verfahren und schuf so einige der bedeutendsten frühen Fotografien Marburgs. Spätestens 1854 beschäftigte sich auch Bickell nachweislich mit dieser Technik, sein nicht direkt nachweisbarer Kontakt zu Hach wird dadurch bestätigt, dass er nach dessen Tod von seiner Witwe die fotografische Ausrüstung erwarb. Darunter waren auch teilweise verdorbene Aufnahmen Hachs, die er reproduzierte und nur so der Nachwelt erhielt.

Die Ausrüstung Hachs bildete wahrscheinlich den Grundstock Bickells fotografischer Tätigkeit, die er nach und nach erweiterte. Allerdings sind von ihm gefertigte Aufnahmen schon seit 1871 bekannt, so dass er bereits zuvor über zumindest eine Kamera verfügt haben muss. 1877 brachte Bickell erstmals ein zwölfseitiges Verzeichnis der photographischen Studien aus Hessen, in dem er sich u.a. auch als Photograph bezeichnete. Eine Werbeschrift aus der selben Zeit wirbt für seine Photographische Anstalt für Landschaft, Architectur und Kunstgewerbe [...] Aufnahmen aller Art hier und an andern Orten billigst., das beigefügte Foto eines Ehepaars sollte wohl auch andere Käuferschichten ansprechen.

Die laut dem Katalog bis 1877 entstandenen Aufnahmen – er verzeichnet 270 Stück – stammten vor allem aus Marburg, von den Kirchen, dem Schloss und dem Rathaus, aber auch einigen Bürgerhäusern, dazu kamen noch kunsthandwerkliche Gegenstände der von ihm zusammengetragenen Sammlungen. Jenseits der Vaterstadt waren u.a. Schmalkalden, Fambach, Herrenbreitungen und Grossseelheim vertreten, einen weiteren Schwerpunkt bildete Fulda. Neben historischen Bauten gab es auch einen Posten moderne Bauten in dem Katalog, der vor allem von dem Marburger Architekten Karl Schäfer entworfene Bauten enthielt.

Trotz einiger Bestellungen, die Bickell wohl anhand des Katalogs erhielt, blieb der Wunsch, sich darüber ein Auskommen finanzieren zu können, ein Leben lang unerfüllt. Ungeachtet dessen enstanden bis zu seinem Tod mehr als 2.800 Aufnahmen vor allem aus Nordhessen, wobei er später vor allem in ländlichen Regionen und schwerpunktmäßig dort tätig war, wo er vermutete, dass Bausubstanz dem Fortschritt weichen müsse, was dann tatsächlich auch vielfach der Fall war. Es kann als gesichert gelten, dass er auch gezielt Orte zwecks Dokumentierung von Baudenkmälern aufsuchte, wo deren Abriss bereits beschlossen war.

Anfangs verwendete Bickell, wie auch schon Hach, das damals modernste, aber vor allem für einen herumreisenden Fotografen äußerst schwierig zu handhabende nasse Kollodium-Verfahren. Dabei musste die Kollidumschicht naß auf eine Glasplatte aufgetragen, sofort belichtet und auch entwickelt werden. Um dies auf dem Land realisieren zu können, wo Ende des 19. Jahrhunderts vielfach noch keinerlei befestigte Straßen vorhanden waren, verwendete Bickell eine selbst entworfene, stark gefederte Laborkutsche, mit der er den gesamten Entwicklungsprozess vor Ort vollziehen konnte.

Als gesichert kann gelten, dass er der damals rasanten Entwicklung der Fototechnik stets folgte und ab ungefähr 1878 mit Trockenplatten experimentierte, die er ab etwa 1882 dann auch bevorzugt einsetzte. Ebenso klar ist, dass er nicht mit einer, sondern mit vielen verschiedenen Kameras und Aufnahmeformaten arbeitete, ein großer Teil im für heute Verhältnisse gigantischen Format etwa 50x60 cm, die Mehrzahl im Format 18x24 cm.

Unklar ist zum gegenwärtigen Stand der Forschung, wie viele der Kameras und damit verbundenen Gerätschaften Bickell selber entwarf und wie viel dessen, was er entwarf bzw. wovon Entwürfe erhalten sind, vor allem vor dem Hintergrund seiner stets prekären finanziellen Situation, dann auch tatsächlich gebaut wurde. Auf letzteres deuten vielfach erhaltene Rechnungen für Holzteile und Linsen zumindest hin. An Gerätschaften in diesem Zusammenhang entstanden wären dann u.a. ein Fotoapparat mit Revolver für sechs Objektive, eine Reisekamera, ein Entwicklungerät, ein Nivellier-Stativkopf, eine Zelluloid-Kassette, ein Schneidegerät swoie ein einbeiniges Universalstativ.

Publikationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zu Lebzeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Die Kirche der heiligen Elisabeth in Marburg. 24 Kupfer-Gravuren. Verlag von N. G. Elwert, Marburg um 1880
  • Zur Erinnerung an die Elisabethkirche zu Marburg und zur sechsten Säcularfeier ihrer Einweihung. Verlag von N. G. Elwert, Marburg 1883
  • Hessische Holzbauten – Heft 1 mit 30 Lichtdrucktafeln von J. B. Obernetter in München. Verlag von N. G. Elwert, Marburg 1887
  • Aeltere Silberarbeiten in den Königlichen Sammlungen zu Cassel. Mit urkundlichen Nachrichten und einem Anhang: Der Hessen-Casselsche Silberschatz zu Anfang des 17. Jahrhunderts und seine späteren Schicksale. Verlag von N. G. Elwert, Marburg 1888
  • Die Eisenhütten des Klosters Haina und der dafür thätige Formschneider Philipp Soldan von Frankenberg. Verlag von N. G. Elwert, Marburg 1889
  • Hessische Holzbauten – Heft 2/3 mit 50 Lichtdrucktafeln von J. B. Obernetter in München. Verlag von N. G. Elwert, Marburg 1891
  • Bucheinbände des XV. bis XVIII. Jahrhunderts aus hessischen Bibliotheken, verschiedenen Klöstern u. Stiften, der Palatina und der Landgräfl. Hess. Privatbibliothek entstammend. Verlag von Karl W. Hiersemann, Leipzig 1892
  • Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel. Band 1, Kreis Gelnhausen. Verlag von N. G. Elwert, Marburg 1901 (Text- und Atlasband)

Posthum und Nachdrucke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hessische Holzbauten – fünfzig ausgewählte Tafeln. Verlag von N. G. Elwert, Marburg 1906 (ergänzt durch einen 1907 im selben Verlag erschienenen Kommentarband mit völlig neuem Text von Bartholomäus Hanftmann)
  • Hessische Holzbauten – 50 ausgewählte Fototafeln. und Hessische Holzbauten – Beiträge zur Geschichte des westdeutschen Hauses und Holzbaues zur Führung durch das Werk Bickells. Verlag Th. Schäfer, Hannover 1983, ISBN 3-88746-061-8 (Nachdruck der Mappe und des Kommentars von 1906–07 in einem Band)

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hermann Bauer: Ludwig Bickell (1838–1901). In: Ingeborg Schnack (Hrsg.): Lebensbilder aus Kurhessen und Waldeck 1830–1930. 2. Band, Elwertsche Verlagsbuchhandlung, Marburg 1940, S. 40–47
  • Hermann Bauer: Ludwig Bickell. In: Alt-Marburger Geschichten und Gestalten. Presseamt der Stadt Marburg, Marburg 1986, ISBN 3-923820-16-X, S. 44–49
  • Hans Bickel: Die Bickel aus Rengshausen. Eine große Sippe in Nordhessen. Selbstverlag, Borken 1998
  • Elmar Brohl, Gerhard Menk (Hrsg.): Ludwig Bickell (1838–1901). Ein Denkmalpfleger der Ersten Stunde. Theiss, Stuttgart 2005, ISBN 3-8062-2042-5
  • Elfriede Ehl, Gerhard Ehl: Marburg vor 100 Jahren. Historische Dokumente aus der Frühzeit der Photographie von Ludwig Bickell. Presseamt des Magistrats, Marburg 1982, ISBN 3-9800490-4-3
  • Ulrich Großmann: Ludwig Bickell als Fotograf. Ein Beitrag zur Architekturfotografie im 19. Jahrhundert. In: Timm Starl (Hrsg.): Fotogeschichte. Heft 10, Jahrgang 3, Jonas-Verlag für Kunst und Literatur, Marburg 1983, S. 3–12
  • Michael Neumann: Bilder einer vom Untergang bedrohten Welt. Ludwig Bickell, der erste Bezirkskonservator Hessens und seine fotografischen Arbeiten. In: Ursula Wolkers-Bing, Wilhelm Bing (Hrsg.): Waldeckischer Landeskalender. 274. Jahrgang, Wilhelm Bing Verlag, Korbach / Bad Wildungen 2001, S. 116–125

Einzelnachweise und Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Abkürzungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • KB = Kirchenbuch/-bücher
  • StAMR = Hessisches Staatsarchiv Marburg

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Gerhard Menk: Ein antiquitätischer Herr. Leben und Werk des hessischen Denkmalpflegers und technischen Pioniers Ludwig Bickell (1838–1901). In: Elmar Brohl, Gerhard Menk (Hrsg.): Ludwig Bickell (1838–1901). Ein Denkmalpfleger der Ersten Stunde. Theiss, Stuttgart 2005, ISBN 3-8062-2042-5, S. 82; Lebenslauf Bickells bei Gelegenheit seines Antrags zur Übernahme als Sekretär in die Unversitätsbibbliothek Marburg, Februar 1872 (Konzept in StAMR 340 Bickell Nr. 129).
  2. Heinrich Meyer zu Ermgassen: Ludwig Bickell und seine Familie. In: Elmar Brohl, Gerhard Menk (Hrsg.): Ludwig Bickell (1838–1901). Ein Denkmalpfleger der Ersten Stunde. Theiss, Stuttgart 2005, ISBN 3-8062-2042-5, S. 170; Geburtsdaten ohne Anmerkungen, Todesdaten nach StAMR 340 Bickell Nr. 95.
  3. Ermgassen, S. 170; Geburtsdaten nach KB-Auszug in StAMR 340 Bickell Nr. 112, Todesdaten StAMR 275 Marburg, Acc. 1967/9 Nr. 1248.
  4. Angus Fowler: Hausbesitz und Wohnungen der Familie Bickell in Marburg 1790–1901. In: Elmar Brohl, Gerhard Menk (Hrsg.): Ludwig Bickell (1838–1901). Ein Denkmalpfleger der Ersten Stunde. Theiss, Stuttgart 2005, ISBN 3-8062-2042-5, S. 230.
  5. Ermgassen, S. 178; 05.06.1833–31.05.1835, Geburtsdaten nach StAMR KB Marburg, ref. 1833 Nr. 162, Todesdaten ohne Anmerkungen.
  6. Ermgassen, S. 178; 01.07.1834–30.01.1835, Geburtsdaten nach StAMR KB Marburg, ref. 1834 Nr. 212, Todesdaten ohne Anmerkungen.
  7. Ermgassen, S. 178; geb. u. gest. 11.08.1836, Geburtsdaten nach StAMR KB Marburg, ref. 1836 Nr. 343, Todesdaten nach StAMR 340 Bickell Nr. 95.
  8. Ermgassen, S. 178; 14.03.1840–24.08.1858, Geburtsdaten nach StAMR KB Marburg, ref. 1840 Nr. 554, Todesdaten nach StAMR 340 Bickell Nr. 297 und 240.
  9. Ermgassen, S. 178; totgeb. 22.04.1834, ohne Anmerkungen.
  10. Hans Bickel: Die Bickel aus Rengshausen. Eine große Sippe in Nordhessen. Selbstverlag, Borken 1998, S. 69 Nr. I.
  11. Ermgassen, S. 175, Anmerkung 115; wörtlich: „Das Sterbedatum, worauf die Filiation gestützt wird, kann durch Thomas Blumenstein, Hess. Lichtenau, nicht bestätigt werden.“.
  12. Ermgassen, S. 174; Eintrag im KB Altmorschen nach StAMR M28, Nachlass Knetsch mit beerdigt „alt 89 Jahr 5 Monate“, Geburtsdatum davon abgeleitet.
  13. Hans Bickel, S. 102 Nr. II 3.
  14. Ermgassen, S. 174; eigenhändige Einträge in den erhaltenen Dienstregistern des Klosters u.a. in StAMR Rechnungen II Haydau Nr. 10.

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]


Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Ludwig Bickell – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien


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