Benutzer:Wikiolo/Olympiadach

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Das Olympiadach

Das Olympiadach (im Volksmund auch als Zeltdach, Olympia-Zeltdach, Zeltdachkonstruktion oder Olympia-Zeltdachkonstruktion bekannt) ist ein Kunstwerk im Olympiapark, das die Olympia-Schwimmhalle, die Olympiahalle und das Olympiastadion sowie die Zwischenwege der Sportstätten überspannt. Es wurde für die Olympische Sommerspiele 1972 errichtet, hat eine 72.800 Quadratmeter große Oberfläche und ist durch zahlreiche miteinander verbundene Seilnetze ein zusammenhängendes Dach. Seit seiner Errichtung wird die Architektur gelobt.

Lage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Olympiadach befindet sich im Olympiapark über der Olympiahalle, der Olympia-Schwimmhalle, Teile des Stadion, die gemeinsam das Herzstück der Münchner Olympiaanlagen bilden, sowie den dazwischenliegenden Wegen.[1] Das Dach grenzt an seiner Südseite an den Coubertinplatz, der den Mittelpunkt der Olympiaanlage darstellt.[2] Auf der anderen Seite des Coubertinplatzes befindet sich der Olympiasee.[3]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für die Gestaltung des Geländes der Olympischen Spiele wurde im Februar 1967[4] ein Architekten-Wettbewerb ausgeschrieben,[5] zu dem bis zum Abgabetermin am 3. Juli 1967[6] insgesamt 104 Entwürfe eingereicht wurden.[7] Eines dieser Modelle stammte vom Architekturbüro Behnisch & Partner.[7] In ihrem Modell im Maßstab 1:1000 fügten Günter Behnisch und sein Angestellter Fritz Auer nach einer Idee vom Mitarbeiter Cord Wehrse, der durch einen Zeitungsartikel auf Frei Ottos Zeltdachkonstruktion auf der Weltausstellung in Montreal aufmerksam wurde, eine Zeltdachkonstruktion auf das Stadion, die Olympiahalle und der Schwimmhalle.[8] Die Idee wurde mittels Holzstäben und Teile eines Damenstrumpf in das Modell ergänzt.[9] Schließlich wurde das Modell zum Abgabetermin eingereicht[10] und am 13. Oktober 1967 bekannt gegeben,[7] dass Behnischs Modell mit seiner aus Holzstäben und Nylonfasern eines Seidenstrumpfs gefertigten Zeltdachs gewonnen hat.[11][12]

Frei Otto, der durch seine Zeltdachkonstruktion auf der Weltausstellung 1967 in Montreal eine ähnliche Kleinversion des Zeltdachs auf einem Pavillon vorstellte, die Vorbild für das Olympia-Zeltdach war, wurde von Behnisch für den Bau des Olympiastadions als Partnerarchitekt mit ins Boot geholt.[13] Neben Behnisch und Otto wurde zudem zur Verwirklichung der Dachkonstruktion unter anderem mit Fritz Leonhardt und Wolf Andrä ein Architekturteam gebildet.[14] Die Planungsleitung der Konstruktion übernahm Fritz Auer.[15] Unter der Leitung des Bauingenieurs Jörg Schlaich[16] wurde das Dach über dem Stadion am 21. April 1972 fertiggestellt.[17]

Kostenkalkulationen konnten schwer gemacht werden, da zuvor lediglich Otto eine vergleichbare, aber wesentlich kleinere Zeltdachkonstruktion realisierte. Die Olympia-Baugesellschaft rechnete ursprünglich für das gesamte Olympiadach einen Kostenbetrag zwischen 40 und 45 Millionen Deutsche Mark beziehungsweise bei einer alternativen Teilrealisierung mit Kosten zwischen 30 und 35 Millionen Mark. Behnisch ging bei einem punktgestützten Hängedach und bei einer Teilrealisierung von Kosten zwischen 15 und 18 Millionen Mark aus. Für eine Verwirklichung mit Ostdach rechnetete er mit Ausgaben zwischen 18 und 19 Millionen Mark. Letztendlich vervielfachten sich die Kosten auf 170,6 Millionen Mark, wobei das Ostdach nicht verwirklicht wurde.[18]

In den 1990er Jahren gab es Diskussion über eine Modernsierung des Olympiastadions,[19] die auch auf das Olympiadach Auswirkungen gehabt hätten. So gab es Überlegungen, das Zeltdach in München abzubauen und über dem Berliner Olympiastadion wiederzuerrichten.[20] Im Jahr 2002 erfolgte eine Totalsanierung des Zeltdachs,[21] nachdem im Jahr 1972 den originalen Dachplatten aus Acryl wegen Brandschutzmaßnahmen geringe Mengen Eisen beigesetzt wurden, die wiederum im Laufe der Zeit immer stärker oxidierten und eine milchige Farbe annahmen. Diese wurden durch eine neue Kunststoff-Glasmischung ersetzt, die nicht mehr Eisenbestandteile aufweisen.[22]

Architektur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Allgemein[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Beim Olympiadach handelt es sich um eine punktgestützte beziehungsweise vorgespannte Seilnetzkonstruktion. Sie wurden ursprünglich aus einem eindimensionalen Element aus Seilen und Klemmen zu einem zweidimensionalen Tragwerk zusammengesetzt. Das Seilnetz besteht aus Knoten, die alle 75 Zentimeter voneinander entfernt sind. Sie wurden am Boden gefolchten und anschließend hochgezogen.[23] Das Zeltdach überspannt die Westtribüne des Olympiastadions, die Olympiahalle, die Olympia-Schwimmhalle sowie die dazweischen liegende Wege im Olympiapark. Die Konstruktion ist insgesamt 74.800 Quadratmeter groß und hat eine Randfläche von 3,3 Kilometern. Auf ihnen sind die blaugraue Acryl-Glasplatten befestigt.[15] Diese Konstruktion wird durch 58 Stahlmasten und Trägern gestützt,[15] die aus zwölf große, konisch geformte Pylonen bestehen.[23]

Stadion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Olympiadach wurde über dem Stadion zum größten Teil über der Haupttribüne des Stadions verwirklicht, die sich auf der Westseite befindet. Auf dem dem Randseil des Dachs sind zwei der vier Flutlichtbatterien befestigt, die das Stadion beleuchten. Darüber hinaus gibt es sechs kleinere Lichtquellen, die zur Beleuchtung des Stadions gedacht sind.[23] Über der Arena befinden sich etwa 34.550 Quadratmeter des Dachs, also knapp die Hälfte der gesamten Konstruktion.[24] Da Stützen auf den Tribünen zu Gunsten der Sicht der Zuschauer vermieden werden mussten, wurden zwei große Masten auf 70 Meter Höhe sowie sechs kleineren Masten, die wegen der großen Fläche die Luftstützen tragen errichtet. Für die Tiefpunkte hinter der Tribüne konnte man herkömmliche Anker verwenden, während über der Westtrbüne 440 Meter Rundseile gespannt werden mussten, da die Masten nicht im Spielfeld untergebracht werden durften. Diese Seile wurden über die Dachkonstruktion gespannt und auf der gegenüberliegenden Seite mit 4.000 Tonnen schweren Betonquadern in den teilweise 30 Meter tiefen Boden verankert.[15]

Halle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Zeltdach erstreckt sich über 21.750 Quadratmeter der Olympiahalle.[24] Das Dach verfügt dort über einen Haupttragwerk, das mit Hilfe von vier Binder an den Knotenpunkten unterstützt wird. Die beiden inneren Binder beginnen an jeweils einem außerhalb der Halle stehenden, 70 Meter hohen abgespannten Masten mit einem Knotenpunkt. Zusätzlich verfügt die Halle über zwei äußere Hauptbinder. An diesen ist im Halleninneren eine Beleuchterbühne angehängt. Zwei Nebenbinder, die sich zwischen den Seiten- und Außenfeldern befinden, enthalten je zwei Stützen und einen in der Halle verankerten Tiefpunkt.[25]

Schwimmhalle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit 11.750 Quadratmeter Dachoberfläche ist die Schwimmhalle die kleinste durch das Olympiadach überdachte Sportstätte.[24] Die Dachfläche wurde frei geformt. Die Höhe des Dachs wurde unter anderem durch den zehn Meter hohen Sprungturm in der Halle geprägt. Das Dach verfügt über ein 9400 Quadratmeter großes Hauptnetz, das mit einem 2500 Quadratmeter großen Netz gekoppelt ist. Unter dem Hauptnetz befindet sich ein Ringseil, auf das die Kräfte des Dachs einwirken. Durch Radialseile werden diese nach unten abgespannt.[26]

Zwischenwege[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stadion – Halle

Zwischen der Sporthalle und der Schwimmhalle befinden sich 5.800 Quadratmeter des Olympiadachs.[24] Es besteht aus drei Netzen, die mit mit dem Stadion- und Hallendachabschnitten verbunden sind. Das Dach überdacht zudem Teile einer Fußgängerbrücke, die über dem Mittleren Ring nördlich der beiden Sportstätten verläuft.[27]

Halle – Schwimmhalle

Mit 800 Quadratmeter ist der Zeltdachabschnitt zwischen der Sport- und der Schwimmhalle der kleinste Abschnitt[24] und besteht aus einem einzigen Seilnetz. Die Fläche ist frei geformt.[27]

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das durchsichtige, scheinbar schwebende Dach soll für „Transparenz und Leichtigkeit“ und war damit wesentlicher Bestandteil des Konzepts „heitere Spiele“. Darüber hinaus sollte das Zeltdach, das verschiedene Sportstätten miteinander verbindet, ein Sinnbild für das Motto der Spiele der „kurzen Wege“ darstellen.[28] Es ist heute ein Wahrzeichen Münchens.[29]

Während den Olympischen Spielen 1972 lobte David Binder, Redakteur der New York Times, das Dach als „das auffallende strukturelle Symbol der Spiele“ das durch „anmutigende Vertiefungen und kühne Kurven die aufregensten Perspektiven des Olympiaparks“ bietet. Ferner schwärmte er, dass am Eröffnungstag „das Dach im hellen Sonnenschein wie Fischschuppen glitzerte“.[30] Alfred Dürr, Autor der Süddeutschen Zeitung, erkannte 2013, dass durch das Olympiadach das Münchner Olympiagelände „[d]as schönste und attraktivste der Welt“ sei und erkennt, dass „[a]uch Jahrzehnte nach der Spielen […] der Begriff von der Jahrhunderarchitektur keine Übertreibung“ sei.[6] Er meint, dass die Architektur des Geländes „mit zum Besten“ gehört, „was Architekten je geschaffen haben“.[31]

Frei Otto wurde 2015, kurz nach seinem Tod, mit dem Pritzker-Preis, der höchsten Ehrung für einen Architekten, ausgezeichnet. Die Jury begründete, dass Otto ein Architekt war, der unter anderem der „Erschaffer von denkwürdigen Gebäude und Räumen“ sei.[32] Der US-amerikanische Architekt Michael Meredith fügte hinzu, dass Otto „Strukturen an seinen Grundlehren“ überdachte. Ottos Arbeit hatte auf „eine jüngere Generation von Architekten unglaublichen Einfluss, die sich interessierten, Naturprinzipien statt idealisierte geometrische Formen zu erkunden“.[33]

Das Zeltdach, das häufig als Teil des Stadions angesehen wird, gilt als das auffällistes Merkmal des Stadions und galt bei seiner Errichtung als eine „statische und optische Sensation“. Auch vier Jahrzehnte später meinen Journalisten, dass die Konstruktion „sehr modern und ihrer Zeit weit voraus“ wirkt.[20] Zwei Jahre nach der Eröffnung wurden jedoch auf Nachteile der Zeltdachkonstruktion hingewiesen,[34] da durch die Architektur das Aufkeimen von Stimmung im Olympiastadion erschwert wurde.[35] Dies war unter anderem die Ursache, weshalb der FC Bayern und der TSV 1860 aus dem Olympiastadion die Allianz Arena bauten und dort einzogen.[36]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Carl Heinz Harbeke, Christian Kandzia: Bauten für Olympia 1972 – München • Kiel • Augsburg. 1. Auflage. Harbeke Verlag, München 1972.
  • Florian Kinast: Es begann mit einem Damenstrumpf – 40 Menschen – 40 Geschichten – Erzählungen aus dem Olympiapark. 1. Auflage. Stiebner, München 2012, ISBN 3-830-71053-4.
  • Michael Klant, Josef Walch: Grundkurs Kunst 3: Architektur. 2. Auflage. Schroedel, Braunschweig 2005, ISBN 3-507-10012-6, S. 174–175.
  • Matthias Hell: München ’72. Olympia-Architektur damals und heute, Gespräche mit prominenten Zeitzeugen und Akteuren. 1. Auflage. MünchenVerlag, München 2012, ISBN 3-937-09063-0, S. 26–39.
  • München – Stadt der Künste: Kulturgeschichte vom Mittelalter bis heute. 2. Auflage. Süddeutsche Zeitung Edition, München 2013, ISBN 3-864-97146-2, S. 345–351.
  • Susanne Wanninger: Olympiapark München. Wahrzeichen dank wegweisender Architektur. 1. Auflage. Volk Verlag, München 2012, ISBN 3-862-22092-3.
  • Armin Radtke: Olympiastadion München – Fußballgeschichte unter dem Zeltdach. 1. Auflage. Die Werkstatt, Göttingen 2005, ISBN 3-89533-478-2.
  • Fritz Leonhardt, Jörg Schlaich: Weitgespannte Flächentragwerke. Universität Stuttgart, Stuttgart 1973.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Wanninger, S. 1
  2. Wanninger, S. 9
  3. Harbeke, S. 8
  4. Kinast, S. 25
  5. Radtke, S. 16
  6. a b München – Stadt der Künste, S. 351
  7. a b c Kinast, S. 24, 27
  8. Kinast, S. 26
  9. Kinast, S. 27
  10. Kinast S. 24.
  11. Hell, S. 26.
  12. Klant, S. 174.
  13. Radtke, S.22
  14. Hell, S. 27.
  15. a b c d Radtke, S. 22.
  16. Leonhardt, S. – (Vorwort)
  17. Wanninger, S. 12
  18. Gesamtfinanzierung der Olympischen Sommerspiele 1972 (PDF), S. 16–18
  19. Radtke, S. 52
  20. a b Das Münchner Olympiastadion, agerufen am 2. März 2016
  21. Radtke, S. 46
  22. Radtke, S.47
  23. a b c Kinast, S. 190
  24. a b c d e Leonhardt, S. 13
  25. Leonhardt, S. 13
  26. Leonhardt, S. 16
  27. a b Leonhardt, S. 17–18
  28. Radtke, S. 23
  29. Wanninger, S. 1–2
  30. Big Talk at Munich Is the Big Cost of Big Roof. In: New York Times, 3. September 1972, S. 2
  31. München – Stadt der Künste, S. 349
  32. Pritzker Prize for Frei Otto, German Architect, Is Announced After His Death, abgerufen am 10. Febraur 2016
  33. Frei Otto, Architect, Dies at 89; the Soap Bubble Was an Inspiration, abgerufen am 10. Febraur 2016
  34. Radtke, S. 34
  35. Radtke, S. 51
  36. Radtke, S. 26

Kategorie:Bauwerk in Milbertshofen Kategorie:Behnisch & Partner Kategorie:Erbaut in den 1970er Jahren Kategorie:Kunstwerk im öffentlichen Raum in München Kategorie:Leichtathletikstadion in Deutschland Kategorie:Olympiapark (München) Kategorie:Olympische Sommerspiele 1972