Bundesrat (Deutsches Reich)
Der Bundesrat im Deutschen Kaiserreich (1871–1918; bis zur Rechtschreibreform 1902 „Bundesrath“) war, wie bereits im Norddeutschen Bund, das verfassungsrechtlich – zumindest theoretisch – oberste Reichsorgan.
Im Bundesrat, der den Charakter einer Fürstenvereinigung hatte, saßen Vertreter der 25 Gliedstaaten (Bundesstaaten im damaligen juristischen Sprachgebrauch). Die Stimmen der Länder waren in der Verfassung festgelegt.
Die Vertreter der Staaten stimmten nach Anweisung ihrer Regierungen. Den Vorsitz im Bundesrat hatte der Reichskanzler inne. Alle in Deutschland beschlossenen Gesetze bedurften der Zustimmung des Bundesrates. Darüber hinaus waren bestimmte Amtshandlungen des Kaisers zustimmungsbedürftig, wie beispielsweise die Auflösung des Reichstages und Kriegserklärungen. Der Bundesrat entschied über die Reichsexekution; darüber hinaus standen ihm zahlreiche Verwaltungsfunktionen und die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen den Staaten sowie in bestimmten Fällen von Verfassungstreitigkeiten innerhalb eines Staates zu. Ein Verfassungsgericht war anders als in der Paulskirchenverfassung in der Reichsverfassung nicht als eigenständiges Organ vorgesehen, sondern die Gerichtsbarkeit lag beim Deutschen Kaiser und König von Preußen.
In der politischen Wirklichkeit wurde der Bundesrat trotz seiner Kompetenzen durch den Kaiser und den Reichskanzler in den Hintergrund gedrängt durch die einfache Tatsache, dass der preußische Ministerpräsident oft gleichzeitig Reichskanzler und der Vorsitzende des Bundesrates war.
Für Verfassungsänderungen musste ein Vorschlag durch den normalen Gesetzgebungsprozess gehen. Allerdings reichten im Bundesrat 14 Stimmen, um einen Vorschlag zu Fall zu bringen. Damit hatte allein schon Preußen mit seinen 17 Stimmen ein Vetorecht gegen Verfassungsänderungen.
Stimmenverteilung
Bundesstaat (Deutsches Reich) |
Bemerkungen | Anzahl der Stimmen |
---|---|---|
Preußen | nach Übernahme der 1866 annektierten Staaten | 17 |
Bayern | 6 | |
Sachsen | 4 | |
Württemberg | 4 | |
Baden | 3 | |
Hessen | 3 | |
Elsass-Lothringen | war, obwohl kein Bundesstaat, seit 1911 vertreten | 3 |
Mecklenburg-Schwerin | 2 | |
Braunschweig | 2 | |
17 weitere Kleinstaaten | mit jeweils 1 Stimme | 17 |
Gesamt | 58 (ab 1911: 61) |