Dagobert Dürr

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Dagobert Ernst Dürr (* 26. September 1897 in Schwerin; † 10. November 1947 im Speziallager Weesow/Sachsenhausen bei Overhavel, Brandenburg) (Pseudonym: Dax[1]) war ein deutscher Journalist und politischer Funktionär (NSDAP). Dürr amtierte u. a. als Pressechef der Stadt Berlin und als Beamter im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda.

Leben und Tätigkeit

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Dürr war der sechste Sohn des Obersten Wilhelm Alfred Dürr (1856–1931) und seine Ehefrau Johanna Clara Dürr, geb. Kuhn. Er wuchs in Stuttgart auf, wo er das Gymnasium Stuttgart-Cannstatt besuchte, das er 1916 mit dem Kriegsabitur verließ. Er nahm anschließend von 1916 bis 1918 mit dem Feldartillerie-Regiment 281 der württembergischen Armee am Ersten Weltkrieg teil, während dem er an der Westfront eingesetzt wurde.

Von 1919 bis 1923 studierte Dürr Naturwissenschaften, insbesondere Meteorologie, in Tübingen, Berlin und München. Dürr unterbrach sein Studium im April 1919, um sich als Angehöriger des sogenannten Tübinger Studenten-Bataillons an der von rechtsgrichteten Freiwilligenverbänden vollzogenen gewaltsamen Zerschlagung der kurzlebigen Räterepublik zu beteiligen, die im März 1919 in München im Gefolge der Kriegsereignisse errichtet worden war. Im März und April 1920 unterbrach er seine Studien ein zweites Mal, um in den Reihen eines rechtsgerichteten Freiwilligenverbandes zu kämpfen: Diesmal schloss er sich einem jener Freikorps an, die den Versuch kommunistisch gesinnter Arbeiter, eine deutsche Sowjetrepublik im Ruhrgebiet zu errichten (Ruhraufstand, gewaltsam beendeten.

Tätigkeit in der NSDAP bis 1933

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1922 trat Dürr in die ursprüngliche NSDAP sowie in ihren Straßenkampfverband, die Sturmabteilung (SA), ein. In dieser wurde er der 1923 der 11. Kompanie der Münchenr SA zugeteilt, mit dem er im November 1923 am Hitler-Putsch, einem Versuch verschiedener rechtsradikaler Verbände, die Macht im Staat durch einen gewaltsamen Umsturz zu übernehmen, teilnahm.

Von 1924 bis 1926 arbeitete Dürr als Metereologe beim Flughafen Königsberg. Da die NSDAP nach dem Scheitern des Hitler-Putsches im November 1923 verboten worden war, betätigte er sich ersatzweise in der rechtsradikalen Organisation Wehrwolf, für die er zeitweise die Funktion eines Bezirksführers in Königsberg bekleidete.

1925 trat Dürr in die in diesem Jahr neugegründete NSDAP ein. In dieser übernahm er bald Funktionärsaufgaben: Zunächst führte er die (sehr kleine) SA in Königsberg, bevor er um 1926 den Posten des Gaupropagandaleiters und stellvertretenden Gauleiters der NSDAP für das Gebiet Ostpreußen übernahm.

Am 1. Februar berief der 1926 zum Gauleiter der NSDAP für Berlin berufene Joseph Goebbels Dürr als Geschäftsführer des Gaues Berlin nach dort. Dürr siedelte daraufhin von Königsberg in die Reichshauptstadt über. Als Goebbels im Juli 1927 die Tageszeitung Der Angriff als Parteiblatt der NSDAP für die Reichshauptstadt gründete kommandierte er, da er keine professionellen Journalisten zur Verfügung hatte, Dürr kurzerhand vom Posten des Geschäftsführers des Apparates der NSDAP in Berlin in die Redaktion der neuen Zeitung ab, obschon dieser keine nennenswerte journalistische Vorbildung und Erfahrung besaß (Ralf Georg Reuth hat ihn in diesem Kontext als „ein Mann, der dem Journalismus völlig fremd gegenüberstand“ beschrieben). Zusammen mit Julius Lippert, dem Karikaturisten Hans Herbert Schweitzer und Goebbels selbst bildete Dürr in der Anfangsphase der Zeitung den Kern der Angriff-Redaktion[2]

Während der ersten Jahre des Erscheinens des – scharf agitatorisch und provokatorisch ausgerichteten – Angriffs steurte Dürr zu der Zeitung eine regelmäßige Kolumne mit der Überschrift „Vorsicht Gummiknüppel!“ bei, deren Zweck darin bestand, die Berliner Polizei als einem der Hauptwidersacher der Nationalsozialisten in der Hauptstadt verbal anzugreifen.

Eine Hauptzielscheibe von Dürrs publizistischen Attacken gegen die Exponenten der Staatsgewalt in Berlin während der späten 1920er und frühen 1930er Jahre war der langjährige Vizepräsident der Berliner Polizei, Bernhard Weiß, der den Nationalsozialisten in Berlin aufgrund seiner jüdischen Abstammung besonders verhasst war. Auf Weisung von Goebbels verunglimpfte Dürr Weiß in den Jahren 1927 bis 1931 in einer großen Zahl von Artikeln. Dürrs beständige Angriffe auf Weiß sowie die gleichartigen Angriffe seines Chefs Goebbels auf Weiß (dem sie den herabsetzenden Spottnamen "Isidor" verpassten) führten dazu, dass Strafanzeige gegen sie gestellt wurde: Am 28. April 1928 mussten beide sich deswegen vor Gericht verantworten (Isidor-Prozess). Der Staatsanwalt beantragte ihnen jeweils Haftstrafen von zwei Moanten aufzuerlegen. Der Prozess endete damit, dass die beiden wegen „gemeinschaftlicher öffentlicher Beleidigung [von Weiß] durch die Presse“ zu Strafen von 3 Wochen Gefängnis verurteilt wurden.[3]

Anlässlich der Preußischen Landtagswahl vom 20. Mai 1928 kandidierte Dürr erfolglos für einen Abgeordnetensitz im Preußischen Landtag.

Am 29. August 1929 wurde Dürr wegen weiterer Angriffe auf Weiß von der 2. Großen Strafkammer des Landgerichts Berlin wegen fortgesetzter Beleidigung zu einer Haftstrafe von zwei Monaten verurteilt. Nach der Ablehnung seines Gnadengesuches durch den Rechtsausschuss des Preußischen Landtags verbüßte er diese Strafe vom 4. Mai bis zum 4. Juli 1931.

Anlässlich der Preußischen Landtagswahl vom 24. April 1932 wurde Dürr auf die Wahlvorschlagliste seiner Partei gesetzt (Wahlkreis 2, Berlin, und Wahlkreis 3, Potsdam II), erhielt aber kein Mandat.

Zeit der NS-Diktatur

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Kurz nach der Regierungsübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 wurde Dürr im März 1933 zum Pressechef der Stadt Berlin ernannt. Er bekleidete diesen Posten knapp zwei Jahre lang bis zum Februar 1935. Zum 1. März 1935 wechselte er dann als Persönlicher Pressereferent (Pressereferent z.V. im Ministerbüro) des seit 1933 als Propagandaminsiter amtierenden Goebbels in das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda. In dieser Stellung wurde er zum 1. April 1935 in den Rang eines Oberregierungsrats befördert. Im weiteren Verlauf der 1930er Jahre wurde Dürr zum Leiter der Abteilung Kulturpresse (zu der auch die kirchliche Presse gehörte) des Ministeriums ernannt und in dieser Stellung zum Ministerialrat befördert.

Im Zusammenhang mit seiner Beschäftigung beim Propagandaministerium übernahm Dürr 1935 auch den ehrenamtlichen Posten des Hauptschriftleiters (Chefredakteurs) der Zeitschrift Unser Wille und Weg (Untertitel Monatsblätter der Reichspropagandaleitung der NSDAP). Als offizielle Schulungszeitschrift der Reichspropagandaleitung der NSDAP für die politischen Funktionäre der Partei diente diese Zeitschrift (die nur intern verbreitet werden sollte) dem Zweck, die Propagandafunktionäre der Partei in ihrer Tätigkeit zu schulen und anzuleiten. Als Hauptschriftleiter von Unser Wille und Weg hatte Dürr parallel zu seinem Rang im staatlichen Propagandaministerium den Rang eines Hauptstellenleiters der Reichspropagandaleitung (als einer Körperschaft der NSDAP) inne.

Nach der deutschen Besetzung Polens im September 1939 übernahm Dürr für einige Wochen den Posten des Chefredakteurs der Krakauer Zeitung als einem der Presseorgane, mit denen die Besatzungsverwaltung ihre Tätigkeit in Polen propagandistisch flankierte. Die programmatische Linie, die er in Bezug auf die Bevölkerung des besetzten Landes verfolgte, brachte er mit der Aufforderung an die Leser zum Ausdruck, die Polen mit „unerbittlicher Härte“ zu behandeln. Er führte hierzu erläuterned aus: „[In diesem Punkt] soll unsere Zeitung für alle, die einmal in Gefahr geraten sollten, weich zu werden und über den Nöten eines fremden Volkes die Lebensnotwendigkeiten der eigenen Nation zu vergessen, ein steter und eindringlicher Mahner sein. Wir werden nie aufhören, daran zu erinnern, was Polen dem deutschen Volk und Reich angetan hat [Anspielung auf angebliche Angriffe auf die deutschstämmige Bevölkerung in Polen während der vorangegangenen Jahre].“[4]

Ehe und Familie

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Dürr heiratete am 2. Januar 1931 in Stargard in Pommern Hannah Schneider, die Tochter eines Postmeisters.

Im Bundesarchiv Berlin haben sich eine Personalakte des Propagandaministerums (R 55/24102) und eine Personalakte des Innenministeriums (R 1501/214031) sowie eine Akte des Rasse- und Siedlungshauptamtes der SS (NS 2/1424) zu Dürr erhalten. Hinzu kommt eine Akte im Bestand Berlin Document Center mit Parteikorrespondenz der NSDAP über ihn (R 9361-II/183713).

  • Porträt in der Bildersammlung der Bayerischen Staatsbibliothek (Digitalisat)
  • Abschnitt V (Beiträge zur Zeitgeschichte) von Joseph Goebbels: Knorke, ein neues Buch Isidor.
  • Adolf Hitler, der deutscher Arbeiter und Frontsoldat (= Broschürenreihe der Reichspropagandaleitung der NSDAP Kampfschrift Heft 9), 1932.
  • Geleitwort zu: Erich Berger: Berlin wird deutsch! Ein Beitrag zur Erneuerung der größten deutschen Kommunalverwaltung, 1934
  • Dietz Bering: Kampf um Namen.Bernhard Weiss gegen Joseph Goebbels, 1991.
  • Biogramm in: Das Archiv; Nachschlagewerk für Politik, Wirtschaft, Kultur, Jg. 1935, S. 1686.
  • Erika Martens: Zum Beispiel Das Reich. Zur Phänomenologie der Presse im totalitären Regime, 1972.

Einzelnachweise

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  1. Eymers Pseudonymenlexikon, S. 72 und 448.
  2. Arne von Röpenack: KPD und NSDAP im Propagandakampf der Weimarer Republik. Eine inhaltsanalytische Untersuchung in Leitartikeln von "Rote Fahne" und "Der Angriff", 2002, S. 87.
  3. Hachtmeister: Das Goebbels-Experiment. Propaganda und Politik, 2005, S. 78.
  4. Jerzy Kochanowski: Die polnische Heimatarmee. Geschichte und Mythos der Armia Krajowa seit dem Zweiten Weltkrieg, 2009, S. 441.